Experteninterview

Optimismus kann man lernen

Für sie ist das Glas halbvoll, sie konzentrieren sich auf die Chancen: Wie schaffen das Optimisten nur? Und wie können auch wir eine optimistische Lebenseinstellung erlangen? Tipps von Prof. Dr. Jens Weidner, Sozialwissenschaftler und Optimismusforscher.

"Optimismus. Warum manche weiterkommen als andere": Mit seinem Vortrag begeisterte Professor Dr. Jens Weidner beim Deutschenlehrertag 2017 sein Publikum. Bei der Frühjahrstagung des Deutschen Lehrertags am 15. März 2018 in Leipzig ist er erneut live zu erleben. Wir sprachen mit ihm über die Merkmale von Optimisten und darüber, was wir tun können, um zu einer optimistischeren Lebenseinstellung zu gelangen

Ohne zu viel vorweg zu nehmen, aber was sind auf Basis Ihrer und anderer Forschungsergebnisse die Merkmale der Optimisten unter uns, die besonders zufrieden und erfolgreich durchs Leben gehen?

Weidner: Deutschland ist international gesehen nicht gerade für seinen Optimismus bekannt. Auf den ersten Blick. Aber Deutschland ist viel optimistischer als viele denken. Nicht im amerikanischen Sinne eines „Hoppla-hier-komme-ich-Optimismus“. Hierzulande wird, unserer Studie zufolge, ein dezenter „Sekundärer Optimismus“ gepflegt, der aus einem differenzierten Vierklang besteht und der weit über den Appell „wir schaffen das“ hinausgeht.

Insbesondere vier Merkmale zeichnen diesen Optimismus aus:1. Chancen werden gesehen, ohne die Risiken zu ignorieren. 2. Es wird abgewogen, ob das neue Projekt den Einsatz lohnt. 3. Wenn ja, werden die entsprechenden Maßnahmen eingeleitet. 4. Diese Maßnahmen werden mit einem Erfolgsglauben und einem beeindruckend langen Atem, auch gegen Kritik, durchgezogen.

Der sekundäre deutsche Optimismus beginnt also nicht mit einem Lächeln, sondern mit einer ernsthaften Machbarkeitsprüfung, die erst im zweiten Schritt in eine Erfolgseuphorie mündet. Insofern ist der hiesige Optimismus nicht naiv, wie ihm gerne vorgeworfen wird. Und um ihre Frage zu beantworten: ja, es gibt die besonders erfolgreichen Optimisten und viele von denen werden auch im Publikum sitzen. Wir nennen sie die Best-of-Optimisten. Das sind hoffnungsvolle Chancensucher, selbst wenn gerade nicht alles optimal verläuft. Sie verschwenden kaum Gedanken an Realitäten, die sich derzeit nicht verändern lassen. Sie konzentrieren sich auf das, was Erfolg verspricht, auch wenn dazu viele kleine Schritte nötig sind. Sie werden bevorzugt aktiv ab einer 51-prozentigen Erfolgschance.

Best-of-Optimisten sind also alles andere als rosarote Schönredner, sondern wichtig für unsere Berufswelt, weil sie die Zukunft erfolgreich denken können, lange bevor sie begonnen hat. Das ist ein unschätzbarer kognitiver Wert für jeden Fortschritt!

 

Auf dem Deutschen Lehrertag in Dortmund haben Sie erwähnt, dass Sie ein Faible für schwarzen Humor haben. Und auch die Tatsache, dass Sie Kriminologie lehren, hat den Teilnehmenden einige sehr erheiternde und skurrile Beispielgeschichten beschert. Mögen Sie uns einen kleinen Appetizer geben, zu welcher Frage Sie beispielsweise in Leipzig eine Antwort präsentieren werden?

Bei allem Optimismus, nicht alles im Leben läuft gut oder ist leicht. Daher folge ich dem Wahlspruch „you have to tell horrible stories beautiful“. Kriminologisch bin ich ja auf die Behandlung aggressiver Zeitgenossen spezialisiert und auf die Betreuung von „Schulstörern“ im Rahmen des von uns entwickelten „Coolness-Trainings“ (www.konfrontative-paedagogik.de). Im Vortrag werde ich mich aber eher auf die Gewinner des Darwin Awards konzentrieren. Das sind erfolglose Kriminelle, die ihre Delinquenz zu optimistisch ausgelebt haben ... Mehr möchte ich aber noch nicht verraten.

 

Das eine ist das Wissen darum, was optimistische Menschen auszeichnet. Für diejenigen unter uns, die in punkto Optimums noch Entwicklungspotenzial verspüren, was macht es wahrscheinlicher, hier dazu zu lernen? Was sollten wir (mehr) üben?

Drei Tipps möchte ich an dieser Stelle verraten. Ihre Umsetzung führt dazu, dass wir uns jedem Pessimisten in puncto Lebenszufriedenheit haushoch überlegen fühlen werden:

1. Praktizieren Sie den intellektuellen Taschenspielertrick der Optimisten: Erklären Sie sich positive Ereignisse so, dass sie permanent bestehende Ursachen haben und demzufolge immer wieder eintreten können („bei mir lief es letzte Woche so gut, weil ich gute Gene habe“, Gene = permanente Ursache). Das fördert Ihr Gefühl ein Glückskind zu sein.

2. Unterstellen Sie Ihren Misserfolgen temporäre und spezifische Ursachen („nur heute und nur bei diesem einen Punkt lief es so schief…“), denn das Erfolgsdenken der Optimisten lautet: Fehlentwicklungen sind vorübergehend, situationsbezogen und nicht selbst verschuldet.

3. Und zu guter Letzt: pflegen Sie Ihren Above-Average-Effect, also den Effekt sich im Beruflichen und Privaten für überdurchschnittlich toll zu halten. Das klingt zwar auf den ersten Blick recht narzisstisch, ist aber eine wichtige Grundlage für die Bildung von Selbstbewusstsein. Damit das praktisch gut funktioniert, erstellt man über sich eine Lobliste, in der man die vereinzelten positiven Feedbacks, die man erhält, sammelt und immer wieder liest. Meine Liste besteht mittlerweile aus 33 Punkten. Und wenn ich jetzt mit zwei Punkten (zu Recht) kritisiert werde, bringt mich das nicht mehr um den Schlaf. Dann denke ich mit einem Augenzwinkern: jetzt steht es 33:2, du bist schon unheimlich weit vorn! Das tut gut und auf dieser Basis ist Selbstkritik ja nicht verboten.

Optimismus. Warum manche weiterkommen als andere

Von Jens Weidner. Erschienen im Campus Verlag. 218 Seiten, 19.95 Euro.
ISBN 978-3593507415