Lehrersein muss attraktiver werden

Der Lehrerberuf erfüllt mit Freude und macht Spaß. Dennoch: Der Lehrerberuf verweiblicht. 70% aller Lehrkräfte sind Frauen, an den Grundschulen sind es 90%. Warum ist das so?

Der Lehrerberuf bietet Frauen vor allem Flexibilität - und die ist gefragt, vor allem dann, wenn sie Familie und Beruf unter einen Hut bringen möchte. Das Zauberwort heißt Teilzeit. Frauen, die zum Beispiel 20 Wochenstunden Unterricht halten, haben dann noch Zeit für die Familie. Vor allem an den bayerischen Grundschulen sind Teilzeitmodelle gefragt: Dort haben über 60% aller weiblichen Beschäftigten einen Teilzeitvertrag. Der Freistaat Bayern ist also durchaus ein Arbeitgeber, der mit seinen Gesetzen und Verordnungen die Voraussetzungen schafft, dass Frauen Kind und Beruf relativ gut vereinbaren können. Und der Haken?

Faktor Doppelbelastung

Viele Frauen unterschätzen den Faktor Doppelbelastung. Nach der Schule warten die Kinder, der Haushalt - das ganze Programm eben. Korrigiert oder Unterricht vorbereitet wird dann eben nachts, wenn der Nachwuchs schläft. Manchmal werden diese Belastungen auch von den Vorgesetzten übersehen. Es kommt zu Problemen bei der Stundenplangestaltung, bei Unterrichtsvertretungen, Lehrerkonferenzen oder Projekttagen. Nicht immer lässt sich die Betreuung der eigenen Kinder mit den Bedürfnissen der Schule anpassen. Viele Frauen müssen irgendwann feststellen, dass 50% Teilzeit nicht immer 50% Arbeitszeit bedeuten - außer in finanzieller Hinsicht.

Schlechter beurteilt

Hinzu kommt, dass Frauen und Teilzeitlehrkräfte in allen bayerischen Schulen deutlich schlechtere Dienstliche Beurteilungen erhalten als Männer und Vollzeitkräfte. In den letzten Jahren hat sich das Bewertungsbild bei Frauen sogar noch ein wenig verschlechtert. Diese Form der Diskriminierung wurde auch mit dem Gleichstellungsgesetz aus dem Jahr 2016 eher fortgeführt als abgestellt. An der Situation, dass Frauen im Lehrerberuf im großen Stil schlechter beurteilt werden, ändert sich trotz aller Proteste so schnell wohl nichts. Dem entsprechend negativ fällt auch das Ergebnis der „BLLV Genderbefragung 2017“ aus. Die Frage, ob es schwer sei, in Leitungspositionen aufzusteigen“, beantworteten knapp 40% aller befragten Frauen mit Ja.

Trotz dieser negativen Aspekte ist der Lehrerberuf für viele Frauen ungebrochen attraktiv. Die Möglichkeit, neben der Freude am Unterrichten auch noch eigene Kinder, Mann und Familie unter einen Hut zu bringen, ist zu verlockend.

Umgekehrt ist der Beruf gerade deshalb für Männer wenig attraktiv: Die geringen Aufstiegsmöglichkeiten schrecken ab. Und auch der Verdienst ist offensichtlich kein schlagendes Argument. Er fällt zwar nicht schlecht aus, aber auch nicht üppig. In Ballungszentren, wo die Mieten und Lebenshaltungskosten hoch sind, kann es durchaus eng werden.

Männliche Rollenbilder fehlen

Die Schulen verweiblichen. Der Mangel an männlichen Vorbildern geht an Heranwachsenden nicht spurlos vorbei. Die wenigen Lehrer und Erzieher im Elementarbereich werden von den Kindern als Ausnahmeerscheinungen und Attraktion wahrgenommen. Sie erhalten allein deshalb erhöhte Aufmerksamkeit. Die Gefahr einer verzerrten Wahrnehmung ist groß.

Viele Mädchen und Jungen kommen erstmals mit dem Wechsel in die Sekundarstufe dauerhaft in Kontakt mit männlichen Bezugspunkten. Was fehlt, sind männliche Rollenvorbilder - leider auch in vielen Familien. In Deutschland wird fast jede dritte Ehe geschieden. 20 Prozent der Mütter erziehen die Kinder ohne Vater. Von den drei Millionen Alleinerziehenden sind 80 Prozent Frauen. Die meisten Kinder aus Scheidungsfamilien wachsen bei der Mutter auf. Aber auch in intakten Familien erleben viele Heranwachsende den Vater selten.

Mädchen und Jungen müssen aber die Chance haben, sich an beiden Geschlechtern zu orientieren. Einen partnerschaftlichen Umgang, in dem Frauen und Männer einander mit Wertschätzung und Respekt begegnen, können sie nur dann erleben, wenn es in ihrem Alltag Männer und Frauen gibt.

Genug Gründe also, die Berufe an Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen aufzuwerten und noch attraktiver zu gestalten - für Männer und Frauen. (schw)