Der Weg der Frauen zur Lehrerin

Der renommierte Pädagoge Prof. Dr. Max Liedtke gibt in einem exklusiv für den BLLV verfassten Text Einblicke in die Geschichte der Frau und ihren Weg zur Lehrerin. Ein mühsamer Weg, der über viele Jahre hinweg mit dem sog. Lehrerinnen-Zölibat, einer schlechteren Bezahlung und enttäuschten Hoffnungen einhergegangen ist.

 - Von Hindernissen, errichtet durch Staat, Kirchen und Kollegen –

Wenn man aus der Geschichte der Schule weiß, wie weit der Weg der Mädchen war, bis sie in der Menschheitsgeschichte überhaupt eine Schule erreicht hatten – mindestens vier Jahrtausende später als die Jungen ̶ , dann wundert man sich nicht, dass sie auch viel später auf das Lehrerkatheder gelangt sind. Die Frauen waren halt mindestens seit Plato das „schwächere Geschlecht“, auch für die Schule weniger gut geeignet.

Das sind geläufige Kenntnisse aus der Geschichte. Man nimmt die Geschichte zur Kenntnis, macht sich aber kaum Gedanken, was diese Lasten für die, die diesen Weg gegangen sind, bedeuteten, wie viele Sorgen und Ängste, wie viel Verzicht und wie viele existentielle Kümmernisse damit verbunden waren.

Aber wenn man dann – meist zufällig – auf Details dieser Entwicklungswege stößt, dann kann man doch tief erschrecken, wie schwer man den Mädchen, den Frauen den Weg in gleichberechtigte berufliche Positionen, eben auch in das Lehramt, gemacht hat, wie viele Hindernisse man ihnen aufgetürmt hatte.

Der sogenannte "Lehrerinnen-Zölibat"

Die historisch länger als einhundert Jahre geltende Auflage, dass Lehrerinnen unverheiratet sein sollen - in Bayern 1821 erstmals verordnet - war wohl die größte Zumutung für die Frauen auf ihren Weg in das Lehramt. Es hat sich unterdessen eingespielt, diese Auflage - sicher nicht sonderlich glücklich - als "Lehrerinnenzölibat" zu bezeichnen.

Zunächst war eine solche "Zölibatsforderung" im 19. Jahrhundert nichts Ausgefallenes. Bei vielen Arbeitsstellen legten die Arbeitgeber im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert großen Wert darauf, dass die Arbeitnehmerinnen unverheiratet waren. Man wollte sich so absichern, dass der Arbeitseinsatz nicht durch die Betreuung eigener Kinder beeinträchtigt würde. Außerdem wollte man verhindern, dass versicherungs- oder versorgungsrechtliche Forderungen auf den Arbeitgeber zukamen. Aber bei den Lehrerinnen hatte die "Zölibatsforderung" doch noch einen ganz anderen Hintergrund. Man war der Meinung, dass sich die besonderen Aufgaben, die die Mütter bei der Betreuung der eigenen Kinder hätten, nicht mit den schulischen Aufgaben einer Lehrerin vertrügen. Die für den Lehrerberuf erforderliche "Hingabe" an die anvertrauten Schüler und Schülerinnen sei bei Lehrerinnen durch die Sorge um die eigenen Kinder zu sehr beeinträchtigt. Deswegen solle die Lehrerin unverheiratet sein. Dies war in der Tat eine Anknüpfung an das Vorbild der Klosterschwestern, die schon lange vor der "weltlichen" Lehrerin in beträchtlicher Zahl in den Schulen eingesetzt waren. Besonders von den katholischen Lehrerinnenvereinen wurde diese Auffassung, die Lehrerin solle unverheiratet sein, noch bis in die 1950-er Jahre vertreten. Diese Forderung war natürlich ein tiefer Eingriff in die Lebensführung der Lehrerin. Heirat bedeutete für die Lehrerin Ausscheiden aus dem Lehrerberuf, bis in die 1920-er Jahre ohne jeden Anspruch auf irgendeine Versorgung oder eine Ausgleichszahlung, später mit kümmerlichen Abfindungen.

Eine bedrückende Nebenwirkung der "Zölibatsverordnung" war aber die soziale Überwachung der Lehrerinnen durch die Einwohnerschaft und durch die Geistlichkeit, in deren Händen bis 1919 in der Regel die lokale Schulaufsicht lag. Es gibt viele Hinweise, dass gerade diese soziale Überwachung zu durchaus existentiellen Beeinträchtigungen der Lebensführung der Lehrerinnen geführt hat. Es war ein Weg, der wohl in vielen Fällen in Freiheit und Freude beschritten worden sein mag. Durch die konkreten Lebensbedingungen der Lehrerinnen führte der Weg, der zunächst als temporäre Wegstrecke gedacht war, oft eben auch auf Wegstrecken, die als bittere Nötigung erlebt wurden.

Schlechtere Besoldung

Die Lehrerinnen waren bis nach dem 2. Weltkrieg durchgängig schlechter besoldet als ihre männlichen Kollegen. Diese finanzielle Ungleichbehandlung wurde in Bayern erst 1948, allerdings rückwirkend ab 1.4.1947, aufgehoben. Man wird bei dieser Ungleichbehandlung natürlich immer bedenken müssen, dass bei der Besoldung der Männer auch die Gesamtversorgung der Familie berücksichtigt sein sollte. Aber selbst wenn man bei der Besoldung der Männer die Familienversorgung berücksichtigt, die Ungleichbehandlung war durch die Jahrhunderte immer auch mit der angeblich geringeren Leistungsfähigkeit der Frauen begründet. Ebendies war verletzend.

Wie groß genau der Abstand zwischen der Besoldung des Lehrers und der Lehrerin war, lässt sich nicht benennen, weil die Lehrerbesoldung in Deutschland bis 1919 Sache der Gemeinden war, nicht des Staates. Zwar finden sich auf Ausgleich bedachte empfehlende Richtlinien, aber die Lehrerbesoldung variierte erheblich nach den finanziellen Möglichkeiten der Gemeinden. Die Lehrerin tauchte in den früheren Richtlinien über die Lehrerbesoldung gar nicht auf. In Bayern gab es erstmals 1872 zentrale Richtlinien für die Mindestbesoldung der Lehrer und der Lehrerinnen. Die Mindestbesoldung sollte zum Beispiel in mittelgroßen Gemeinden (2.500-10.000 Einwohner) für den Lehrer bei 500 Gulden im Jahr liegen, für die Lehrerin bei 300 Gulden. Ein Abstand von 40%. Nach dem Schulbedarfsgesetz von 1902 sollte der Lehrer 1.200 Mark Mindestgehalt erhalten, mit Dienstalterszulagen konnte das Höchstgehalt 2.130 Mark betragen. Im Falle der Lehrerin sollte sich das Mindestgehalt auf 1.000 Mark belaufen, das Höchstgehalt auf 1504 Mark. Das Mindestgehalt der Lehrerin lag nach dem Gesetz von 1902 also zwar nur ca. 17% unter dem des Lehrers, das Höchstgehalt aber doch fast 30%.

Nach 1919 (Weimarer Verfassung) galt zwar die besoldungsrechtliche Gleichbehandlung von Mann und Frau. Aber geradezu listenreich fand man immer neue Regelungen, die es gestatteten die Besoldung der Lehrerinnen deutlich unter der des Lehrers zu halten. Dazu zählt auch, dass die Lehrerin, sofern sie heiratete - im Gegensatz zu ihrem Mann - den persönlichen Anspruch auf Ruhestands- und Hinterbliebenenversorgung verlor. Uneheliche Kinder "einer ledigen, verwitweten oder geschiedenen Lehrerin" erhielten "weder Waisengeld noch für gewöhnlich ... einen Anteil am Sterbegehalt. ...". Aber auch eheliche Kinder einer geschiedenen Lehrerin erhielten kein Waisengeld."

Diese mindere Honorierung der Arbeit der Lehrerinnen setzte sich selbst noch nach 1948 fort, als die gleiche Besoldung rechtlich und faktisch gesichert war. Die Fortsetzung der Benachteiligung spielte sich nunmehr noch bis in die 1970-er Jahre insoweit ab, als den Lehrerinnen der Zugang zu Beförderungsstellen (z. B. Rektorin, Schulrätin) noch deutlich erschwert blieb.

Serien enttäuschter Hoffnungen und gebrochener Versprechungen

Wenn man auf die Geschichte der Lehrerinnen zwischen ca. 1800 und 1970 schaut, hat man den Eindruck, dass es keinen Beruf gab, der mit so vielen enttäuschten Hoffnungen und mit so vielen gebrochenen Versprechungen verbunden war wie der der Lehrerin, speziell des Fräuleins Lehrerin. Es gibt dort so viele "Aufs" und "Abs", so viele, mitunter sehr kurzfristige Sonderregelungen, dass ihre Geschichte nur noch mühsam im Detail zu rekonstruieren und zu beschreiben ist. Selbst das Lesen dieser Geschichte könnte man durch die gehäuften dramatischen Zuspitzungen als Zumutung empfinden. Das betrifft die Ausbildungsmöglichkeiten der Lehrerinnen, ihre rechtliche und finanzielle Stellung, die beruflichen Aufstiegschancen, das Aufgabenspektrum, die Stellung im Lehrerverein usw.

Ein Musterbeispiel des Hin- und Her hoffnungsvoller oder doch wenigstens erwarteter Entwicklungsschübe einerseits und desillusionierender Rückschritte andererseits ist für die Lehrerinnen gerade die Weimarer Zeit. Es kann gar keinen Zweifel geben, dass die Weimarer Zeit eine Zeit großartigen Aufbruchs auch für die Schule und die Lehrerschaft war, ehe die Nazizeit die positiven Entwicklungen unterbrach, störte, zerstörte. Aber die Aufbruchszeit unter der Weimarer Verfassung war doch gekennzeichnet von vielen Unsicherheiten in der Reichweite des Rechts, von Unsicherheiten im Umgang mit Rechtsansprüchen, von Widerständen gegen die neuen Lebensformen, außerdem behindert durch ökonomische Nöte in dem wirtschaftlichen Chaos nach dem 2. Weltkrieg. Aber es waren in der Lehrerschaft insbesondere die Lehrerinnen, die unter den Schwierigkeiten des neuen Aufbruchs zu leiden hatten.

1.

1.

Die Weimarer Verfassung hat in Artikel 109 die Gleichberechtigung von Mann und Frau erklärt, in Artikel 128 wurde allen Staatsbürgern „ohne Unterschied“ der Zugang zu den öffentlichen Ämtern „nach Maßgabe der Gesetze und entsprechend ihrer Befähigung und ihren Leistungen“ zugesichert. Ausdrücklich wird hier erklärt, dass „Alle Ausnahmebestimmungen gegen weibliche Beamte … beseitigt“ würden. Man sollte meinen, durch diese Artikel der Verfassung wäre auch das "Lehrerinnenzölibat" gefallen. Eben nicht. Einmal nicht, weil noch Jahrzehnte die Zweifel blieben, ob die unterrichtlichen Befähigungen und Leistungen der Frauen wirklich denen der Männer entsprachen. Zweitens nicht, weil das Bayer. Parlament den „Lehrerinnenzölibat“ nicht aufgeben wollte. Fast zeitgleich zur verfassungsgebenden Versammlung wurde in Bayern das neue Volksschullehrergesetz beraten. Der durch den Landtag 1919 eingesetzte vorbereitende Ausschuss hatte sich in erster Lesung gegen die Lehrerinnenehe ausgesprochen, in zweiter Lesung für die Lehrerinnenehe. Das Plenum des Landtags entschied sich am 14.8.1919 gleichwohl für die Beibehaltung des Lehrerinnenzölibats: "Das Dienstverhältnis der Volksschullehrerin erlischt mit der Eheschließung“ (Art. 151). Das war eine bewusste Positionierung gegen die Verfassung, die genau auch am 14.8.1919 in Kraft getreten war.

2.

2.

Weil sich doch deutlicher öffentlicher Widerstand gegen den Artikel 125 des Bayer. Volksschullehrergesetzes regte, legte die Bayer. Regierung dem Landtag am 23.12.1919 den Entwurf eines Änderungsgetzes vor. Am 24.3.1920 lehnte der Landtag den Änderungsentwurf ab. Das Dienstverhältnis der Lehrerin endete weiterhin mit der Eheschließung. Es war also nicht einmal eine förmliche Entlassung erforderlich.

3.

3.

Am 10.5.1921 entschied das Reichsgericht, dass die Artikel 151 und 153 des Bayer. Volksschullehrergesetzes, die sich mit dem Eheverbot für die Lehrerin befassten, mit der Verfassung des Deutschen Reiches (Artikel 128) nicht vereinbar seien. Die Entscheidung wurde durch die Bayer. Landesregierung akzeptiert.

4.

4.

Eine dauerhafte Rechtssicherheit trat dennoch nicht ein. Der Staat suchte ‒ wohl auch aus finanzieller Not ‒ nach Aus- und Umwegen, Entlassungen vornehmen zu können. Mit Blick auf die Volksschullehrerinnen wurde am 10.7.1927 das Beamtengesetz dahingehend ergänzt, dass mit der Eheschließung das Dienstverhältnis dauerhaft widerruflich werde, "auch wenn es bereits unwiderruflich war.“ So hatten die Behörden durch diese rechtlich hochproblematische Regelung wieder die Möglichkeit, verheiratete Lehrerinnen zu entlassen. Nach dem Volksschullehrergesetz von 1919 (Art. 5) galt weiterhin, dass die Entlassung aus einem widerruflichen Dienstverhältnis keiner Begründung bedurfte und dass kein weiterer Anspruch auf Diensteinkommen, auf die Standesbezeichnung sowie auf Ruhestands- und Hinterbliebenenversorgung bestand.

5.

5.

Zwei Jahre später zeichnen sich Erleichterungen ab. Die 1927 gesetzlich vorgesehenen harten Konsequenzen der Verheiratung einer Lehrerin wurden zum 1. April 1929 partiell wieder „außer Wirksamkeit“ gesetzt. Lehrerinnen, die sich in einem unwiderruflichen Dienstverhältnis befanden und heirateten, können im Schuldienst bleiben, sofern sie nicht selbst um Entlassung bitten. Aber: „Das Dienstverhältnis der widerruflichen Lehrerinnen kann nach wie vor … gelöst werden.“

6.

6.

Die Dienststellen der Lehrer und Lehrerinnen waren während dieser Zeit wie alle Stellen der im öffentlichen Dienst tätigen Personen auch noch durch unterschiedliche "Sparverordnungen" bedroht wie zum Beispiel durch die im Grundsatz bis nach dem 2. Weltkrieg geltende Personalabbauverordnung vom 27.10.1923, mit der das starke Anwachsen der Personalausgaben im öffentlichen Dienst aufgefangen werden sollte. Innerhalb der Beamtenschaft waren wiederum widerrufliche weibliche Beamte aber besonders betroffen, eben auch das "Fräulein Lehrerin". Wenn sie heiratete, war sie auch ohne das "Zölibatsgebot" von der Dienstentlassung besonders bedroht, weil auch noch das Verdikt der "Doppelversorgung" gegen sie sprach. Bei dem Personalabbau galt als wesentliches Selektionskriterium die Vermeidung der "Doppelversorgung" einer Familie, d.h. die volle Berufstätigkeit beider Eheleute. Man ging davon aus, dass die Bezüge eines der Eheleute, in der Regel die des Mannes, ausreichten, eine Familie zu ernähren.

Da die Entlassung widerruflicher Beamter ohne Begründung erfolgen konnte, ließ sich bisher nicht feststellen, welche Gründe bei den Entlassungen dominierten. Es ist die einhellige Meinung der Schulhistoriker, dass die Verheiratung der Lehrerin der wesentliche Faktor der Dienstentlassungen war. Die Bedingungen, unter denen eine Frau, die Lehrerin werden wollte, die Lebensentscheidung zu treffen hatte, eine Ehe einzugehen oder nicht, waren hochproblematisch, viel problematischer als die des Mannes.

Und der BLLV?

Der 1861 gegründete Bayerische Lehrerverein war ein Verein von Lehrern, nicht von Lehrerinnen. Schon längst gab es Lehrerinnen, aber an sie war bei der Gründung nicht gedacht. Es muss keine böse Absicht gewesen sein, die Lehrerinnen nicht zuzuladen. In Bayern war den Frauen erst ab 1898 rechtlich zugestanden, Vereinen anzugehören, "die Berufsinteressen oder den Zwecken der Erziehung, des Unterrichts und der Armen- oder Krankenpflege dienten." Aber es hätte schon vor 1898 vereinsrechtliche Möglichkeiten gegeben, Formen der Kooperation mit den Lehrerinnen zu finden, wenn man es denn ernstlich gewollt hätte. Es gab innerhalb der männlichen Lehrerschaft erhebliche Widerstände, den Frauen den Zugang zum Lehrerberuf zu eröffnen. Als die Zahl der Frauen im Lehrerberuf anwuchs, stellte sich gegen Ende der 1870-er Jahre doch dringlicher die Frage, ob man die Frauen nicht doch in den Lehrerverein aufnehmen solle.

Die erste Lehrerin, die in den Bayerischen Lehrerverein aufgenommen worden ist, war nach gegenwärtigem Forschungsstand "Fräulein Babetta Weller", vom Dienstort Naila/Oberfranken, aufgenommen im Jahr 1877. Wie diese Aufnahme zustande gekommen ist, ist noch nicht geklärt. Die seinerzeit geltende Satzung hatte nur "Lehrer" als Mitglieder vorgesehen. Die Aufnahme von Babetta Weller ist vermutlich nach einem Gespräch zwischen dem Landesvorstand und dem lokalen bzw. regionalen Vorstand erfolgt. Man darf wohl davon ausgehen, dass man sich die rechtlichen Voraussetzungen für die Aufnahme von Lehrerinnen in den Lehrerverein durch einen problematischen Kunstgriff verschafft hat. Der §2 der Satzung sah vor, dass "sämtliche Mitglieder des Schullehrerstandes" Mitglied des Vereins werden konnten, aber eben auch "gebildete Personen aus anderen Ständen". Mit Blick auf letztere Formulierung meinte man, auch Lehrerinnen in den Verein aufnehmen zu können. Als fast ein Jahr später (Sept. 1878) auf der Passauer Hauptversammlung über den Antrag, auch Lehrerinnen in den Verein aufzunehmen, zu beschließen war, hat man keine Satzungsänderung vorgenommen, sondern dem Antrag unter Verweis auf jene Satzungsinterpretation zugestimmt.

Warum dieses problematische pragmatische Verfahren? Vermutlich wollte der Vorstand größeren Diskussionen aus dem Weg gehen. In der männlichen Lehrerschaft gab es mindestens bis 1919 immer noch deutliche Widerstände, Frauen zum Lehramtsstudium zuzulassen. Der Bezirksverein Schnaittach hat noch 1884 als Satzungsänderung vorgeschlagen: "Weibliche Personen sollen dem Lehrerverein nicht beitreten können." Wahrscheinlich ist es dem klugen Verhalten des BLV-Vorstandes zu danken, dass solche Vorschläge schon im Vorfeld der Beratungen ausgeräumt werden konnten und man sehr pragmatisch anders verfahren ist. Auf diese Weise ist die Diskussion um die Lehrerin niemals zu einer den Lehrerverein spaltenden Angelegenheit geworden. So groß die Widerstände im Lehrerverein gegen die Aufnahme von Lehrerinnen gewesen sein mögen, seit 1878 wuchs die Zahl der Lehrerinnen im Bayerischen Lehrerverein kontinuierlich an. Im Jahre 1919 waren sicher schon weit über 1000 Lehrerinnen Mitglied im Bayerischen Lehrerverein.

Als Abwertung mussten die Lehrerinnen es allerdings empfinden, dass sie bis 1919 nur "außerordentliche Mitglieder" des Lehrervereins waren und somit wie alle fördernden Mitglieder kein Stimmrecht besaßen. Sie konnten also auch in eigenen Angelegenheiten nicht mitentscheiden. Mindestens seit 1898 wäre es in Bayern möglich gewesen, den Lehrerinnen ein volles Stimmrecht im Verein zu gewähren. Es ehrt den BLV, dass es bereits mehr als ein Jahrzehnt vorher auch schon entsprechende Anstöße aus der Vereinsbasis gegeben hat. Bei den um 1884 laufenden Beratungen über eine "Statutenrevision" hatten zum Beispiel die Bezirksvereine Schwabach I und Helmbrechts den Antrag gestellt, die Unterscheidung zwischen ordentlichen und außerordentlichen Mitgliedern fallen zu lassen.

Es bleibt bedauerlich, dass der Verein es versäumt hat, diesen Schritt zu tun und sich damit an die Spitze einer Entwicklung zu einer Gesellschaft gleichberechtigter Bürger zu setzen. Diese Entwicklung wird erst nach der Wiedergründung des BLV nach 1945 intensiv aufgenommen.

Dass auch diese zögerliche Akzeptanz der gleichberechtigten Mitgliedschaft im Lehrerverein eine Belastung für die Lehrerinnen war, liegt auf der Hand. Ohne Zweifel haben auch die männlichen Kollegen um ihre Rechte, auch nur einen Lehrerverein zu gründen, Jahrzehnte hindurch mühsam streiten müssen. Aber was den männlichen Kollegen mindestens seit 1861 selbstverständlich zustand, mussten die Frauen sich erst noch erkämpfen, zum Teil gegen den Widerstand der Kollegen.

Mehr zum Autor unter:

www.max-liedtke.de

Literaturhinweis: Liedtke, Max: „Das Fräulein-Lehrerin“. Beispiel: „Die Fräulein Helene Käferlein“ (1901-1975), ihre Erniedrigungen, ihre Leistungen. Eigentlich denkmalswürdig.“
Das Buch soll 2019 im Verlag Julius Klinkhardt, Bad Heilbrunn, erscheinen.