Gehe zurück auf Los!

Den Personalmangel an Grund- und Mittelschulen durch angehende Lehrkräfte aus der Sparte Realschule und Gymnasium auszugleichen, ist erst mal in Ordnung. Doch mittlerweile erscheint das Spiel mit deren Neustart wie eine besonders gemeine Variante von Monopoly: Niemand gewinnt, alle verlieren. Neue Regeln helfen da wenig, es braucht ein neues Spiel.

                                                                                                                                       von Fritz Schäffer*

Klar, in der Not sind Notmaßnahmen angebracht. Deshalb ist es richtig, dass die prekäre Unterrichtsversorgung an den Grund- und Mittelschulen zumindest ansatzweise verbessert wird durch arbeitslose Realschul- und Gymnasiallehrerinnen und -lehrer, die eine Zweitqualifikation durchlaufen. Wieso sollen auf der einen Seite gut ausgebildete Kolleginnen und Kollegen auf der Straße stehen, wenn sie woanders dringend gesucht werden? Nur: Der Anspruch an die Qualität des Unterrichts darf nicht aus dem Blick geraten. Derzeit steht sie auf dem Spiel.

Die Qualität leidet schon deshalb, weil Art und Umfang der angebotenen Qualifizierungsmaßnahmen nicht annähernd hinreichen. Dies geht zu Lasten der betroffenen Schülerinnen und Schüler, zieht aber auch die Systemqualität dieser Schularten in Mitleidenschaft. Die Ausweitung auf die Grundschule, deren Methodik und Didaktik den Absolventen des Referendariats für Realschulen und Gymnasien naturgemäß noch fremder sind als die der Mittelschule, hat diese Problematik noch verschärft. Mittlerweile ist das auch einer breiten Öffentlichkeit bewusst, dass hier um den Lernerfolg der Kinder gewürfelt wird.

So wird der Sprung auf Los zur Strafe

Eine weitere Folge ist eine erhebliche Mehrbelastung sowohl der betroffenen Zweitqualifikanten als auch der mit ihrer Betreuung betrauten Seminarrektoren sowie der begleitenden Lehrkräfte. Für den Mehraufwand erhalten sie keinen ausreichenden Ausgleich. Auch die Schulleitungen und Kollegien der Schulen, an denen die Zweitqualifikanten eingesetzt sind, müssen einen hohen zusätzlichen Organisations- und Betreuungsaufwand sowie eine Vielzahl zusätzlicher Vertretungsstunden stemmen. So wird der Sprung zurück auf Los zur Strafe.

Es ist höchste Zeit für eine andere Form der Zweitqualifikation. Sie muss sowohl den Qualitätsansprüchen der Grund- und Mittelschulen gerecht werden als auch die Belastung der Kolleginnen und Kollegen in zumutbaren Grenzen halten. Eine praxiskompatible und sinnvolle Lösung ist schnell umsetzbar. Der Landesvorstand des BLLV hat hierfür wichtige Eckpunkte formuliert.

Je früher eine zielgerichtete Ausbildung für die jeweilige Schulart einsetzt, desto sinnvoller. Deshalb bietet auch das Konzept des BLLV für eine flexiblere Lehrerbildung eine langfristige Lösung fürf dieses Problem. Wenn die Spezialisierung auf eine Schulart erst in der letzten Phase des Studiums erfolgt, lässt es sich wesentlich leichter auf den berühmten Schweinezyklus auf dem Lehrermarkt reagieren.

Flexible Lehrerbildung

Noch ist eine solche flexible Lehrerbildung eine Vision. Deshalb sollten, so lange Notmaßnahmen zur Deckung der Unterrichtsversorgung an Grund- und Mittelschulen notwendig sind, bereits Bewerber mit dem 1. Staatsexamen für das Lehramt an Gymnasien und Realschulen unter bestimmten Bedingungen (zum Beispiel Fächerverbindungen mit Deutsch, Mathematik oder Englisch) für das Referendariat an Grund- und Mittelschulen zugelassen werden. Dadurch erhalten sie zumindest in der 2. Phase der Lehrerbildung eine ihrer Tätigkeit entsprechende Ausbildung und stehen außerdem zwei Jahre früher für die Unterrichtsversorgung an Grund- und Mittelschulen zur Verfügung.

Selbstverständlich muss für alle Absolventen mit grundständigem Studium und Referendariat für Grund- und Mittelschule bis zur Examensnote 3,50 eine Einstellungsgarantie gelten, solange Notmaßnahmen wie die Zweitqualifikation laufen.

*Zur Person

Dr. Fritz Schäffer ist Leiter der Abteilung Schulpolitik im BLLV.

Der Beitrag ist eine Vorab-Veröffentlichung aus der bayerischen schule 2/2018


Was der BLLV will

Die Unterrichts- und Ausbildungsqualität muss auch in Zeiten von Notmaßnahmen im Auge behalten werden. Die Mehrbelastung von Kolleginnen und Kollegen muss in zumutbaren Grenzen bleiben und minimiert werden. Der Landesvorstand des BLLV hat deshalb einstimmig ein Konzept mit den folgenden Eckpunkten verabschiedet

  • Die Maßnahme umfasst grundsätzlich zwei Jahre. Die Zweitqualifikanten erhalten einen Supervertrag mit Zusicherung einer Verbeamtung nach erfolgreichem Absolvieren der Zweitqualifikation.

  • Während dieser zwei Jahre haben sie eine maximale Unterrichtsverpflichtung von 20 Unterrichtsstunden.

  • Seminarleiter werden mit der Begleitung einer festen Gruppe Zweitqualifikanten betraut und dementsprechend von ihren anderen Verpflichtungen freigestellt. Diese Begleitung umfasst ein Coaching durch mindestens drei Unterrichtsbesuche je Schuljahr.

  • Die Zweitqualifikanten haben wöchentlich einen Tag zur Qualifizierung unterrichtsfrei. Sie nutzen diesen „Qualifizierungstag“, indem sie Hospitationen durchführen, Beratungsbesuche wahrnehmen und die Qualifikation in Eigenverantwortung gestalten.

  • Im Rahmen des Qualifizierungstages wird Gelegenheit zur Unterrichtsmitschau und -reflexion gegeben.

  • In beiden Jahren besuchen die Zweitqualifikanten jeweils an zwölf dieser Qualifizierungstage verpflichtende Qualifizierungsmodule, die von Seminarleitern und weiteren Experten durchgeführt werden.

  • Zu Beginn des Unterrichtseinsatzes finden zwei ganztägige Seminare zur Einführung in die Tätigkeit an der Grund- oder Mittelschule mit Schwerpunkt auf Classroom-Management und allgemeine Abläufe statt.

  • Die Zweitqualifikanten werden durch erfahrene Lehrkräfte an ihrer Schule beratend begleitet. Diese Begleitung wird mit zwei Anrechnungsstunden entlohnt.