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Bayerns Grundschulen brauchen Entlastung

Inklusion, flexible Eingangsklassen, „Kombiklassen“, anhaltender Übertrittsdruck, dazu ein neuer Lehrplan - der Verzicht auf Stellenstreichungen ist die richtige Entscheidung

München - Die Steigerung des bayerischen Staatshaushalts auf beinahe 50 Milliarden Euro ist aus Sicht des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV) beachtlich. „Angesichts der Herausforderungen, die Schulen zu bewältigen haben, sind die Mehreinnahmen auch dringend erforderlich“, erklärte BLLV-Präsident Klaus Wenzel. So türmten sich zum Beispiel an den Grundschulen die Probleme auf: Die Lehrerinnen und Lehrer sollen die Inklusion erfolgreich umsetzen, jahrgangskombinierte Klassen zum Erfolg führen, die flexiblen Eingangsklassen optimal gestalten und den massiven Übertrittsdruck abfedern, der auf Schülern und Eltern lastet. Bis zum Übertrittszeugnis im Mai stehen in den Monaten Oktober bis April in allen vierten Klassen 20 Prüfungen in drei Hauptfächern an. Zum nächsten Schuljahr sollen die Lehrkräfte auch noch einen neuen Lehrplan umsetzen, obwohl die dafür erforderlichen personellen und zeitlichen Voraussetzungen fehlen. Der Präsident des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV), Klaus Wenzel, forderte deshalb das Kultusministerium auf, Schritte einzuleiten, um die Grundschulen entlasten. 

 

„Viele Reformvorhaben der jüngsten Zeit haben zu neuen Problemen geführt“, sagte Wenzel. Stichwort Inklusion: „An den meisten Grundschulen ist eine vernünftige Umsetzung nicht möglich, weil weder Personal noch Zeit zur Verfügung stehen.“ Grundschullehrkräfte verfügten zudem nicht über die erforderliche Fachausbildung und stünden vor der unlösbaren Aufgabe, Kindern mit Beeinträchtigungen viel Aufmerksamkeit entgegenzubringen, gleichzeitig aber die Regelklasse nicht zu vernachlässigen.

Ähnlich verhält es sich mit den flexiblen Eingangsklassen: „Weil auch hier die Rahmenbedingungen alles andere als optimal sind, stoßen Lehrerinnen und Lehrer schnell an ihre Grenzen.“ Die Idee: Kinder können, je nach  Bedarf, die Grundschulzeit in drei, vier oder fünf Jahren absolvieren. Erprobt wurde das Modell zu Beginn an 20 bestens ausgestatteten Schulen. Weil es an den Regelschulen aber zu wenig zusätzliches und ergänzendes Fachpersonal gibt und  weil es auch nur standardisierte, nicht individuell zugeschnittene Lehrpläne gibt, profitieren die Schüler nicht davon, was die Lehrkräfte zusätzlich belastet.

Auch „Kombiklassen“ haben pädagogisches Potential - dennoch löst ihre Einführung regelmäßig Ärger und Verdruss aus. Eltern und Lehrer wissen, dass in der Regel die erforderlichen Rahmenbedingungen nicht erfüllt sind. Die Folgen sind für die Kinder dann eher negativ. „Kombiklassen sind nur dann erfolgreich, wenn jedes Kind individuell begleitet und gefördert werden kann“, stellte Wenzel klar.

Was Lehrkräfte und Schüler bräuchten, seien kindgerechte Lernformen, eine nachhaltige Förderkultur und weniger Stress. Ausgangspunkt für alle Reformen müsste ein anspruchsvoller Leistungsbegriff sein. „Natürlich: Inklusion ist wichtig, die flexible Eingangsstufe ist richtig und das Lernen in jahrgangskombinierten Klassen kann eine Bereicherung sein. Wenn aber zu wenig Geld für individuelle Förderung vorhanden ist, wenn jahrgangskombinierte Klassen als Einsparmaßnahme missbraucht werden und wenn an vielen Schulen Zeit und Personal fehlen, können Reformen nicht greifen und belasten letztlich Schüler, Eltern und Lehrer.“ Das gelte im Übrigen auch für den neuen Lehrplan, der zum kommenden Schuljahr eingeführt werden soll.

Aus Sicht des BLLV-Präsidenten sei daher der Verzicht auf die Kürzung der Lehrerstellen und die damit verbundene Erhöhung des Etats eine richtige und wichtige Entscheidung. „Die Lehrerinnen und Lehrer in Bayern warten jedoch aus guten Gründen auf weitere Schritte in diese Richtung.“