Kamingespräch der BLLV-Akademie - Heinrich Bedford-Strohm (2014) Akademie

Bildungsgerechtigkeit ist eine Frage der Menschenwürde

Bildungsgerechtigkeit ist ein zentrales Anliegen der Evangelischen Kirche. Doch in unserem Schulsystem werden Schwache zu wenig gefördert. Der evangelische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm fordert ein Umdenken.

Gleichberechtigte Teilhabe an Bildung ist ein wesentlicher Teil Protestantismus. Martin Luther hatte nicht nur die erste deutschsprachige Bibel aufgelegt. Er hatte sich auch dafür stark gemacht, dass Gläubige lesen können, damit sie sich selbst mit der Bibel auseinandersetzen und das Wort Gottes verbreiten können. Bildung sollte allen Menschen unabhängig von Geschlecht und sozioökonomischem Status zuteilwerden. Schon zu Luthers Zeiten durften auch Mädchen die evangelischen Schulen besuchen.

Die Reformation war also von Anfang nicht nur eine religiöse, sondern auch eine Bildungsbewegung. Dass sich die Evangelische Kirche auch heute für Bildungsgerechtigkeit einsetzt, ist die zwingende Konsequenz daraus.
    
Bildungsgerechtigkeit ist eine Frage der Menschenwürde

Das machte Heinrich Bedford-Strohm, Landesbischof der Evangelischen Kirche in Bayern, in München beim „Kamingespräch“ des BLLV deutlich. Der BLLV lädt im Rahmen der Vortragsreihe regelmäßig prominente Persönlichkeiten ein, zu gesellschaftlich brisanten Themen Stellung zu beziehen. Die Botschaften, die der gebürtige Allgäuer mitbrachte, dürften den Verfechtern des dreigliedrigen Schulsystems aber nicht gefallen.

Für Bedford-Strohm leitet sich Bildungsgerechtigkeit auch aus den im Christentum gewachsenen Grundwerten ab, die heute als Menschenwürde verfassungsrechtlich garantiert sind. Bildung ist Teil der Menschenwürde. Durch Bildung werden Menschen nicht nur wirtschaftlich in die Lage versetzt, sich selbst zu versorgen und am Leben teilzunehmen. Durch das erworbene Wissen können sie sich die Gesellschaft einbringen und diese mitgestalten. Weil Bildung eigenverantwortliches Handeln ermöglicht, ist sie eine Frage der Menschenwürde. Sie dürfe nicht allein auf ihren ökomischen Nutzen reduziert werden, warnte der Theologe vor 80 Zuhörern.

Bildung ermöglicht eigenverantwortlich zu leben


Die Denkschrift der Evangelischen Kirche in Deutschland „Gerechte Teilhabe. Befähigung zu Eigenverantwortung und Solidarität“ fordert, dass Bildungs- und Sozialpolitik eng miteinander verzahnt würden müssen. Sie stellt das dreigliedrige Schulsystem konsequenterweise in Frage, weil es schwächere Schüler zurücklässt und damit eine gleichberechtigte Teilhabe an Bildung erschwert. Das hat nicht nur ökonomische, sondern auch sozialpsychologische Konsequenzen für den Einzelnen.   

Der Staat sollte es sich leisten, mehr in Bildung zu investieren. „Bildung verdient es, finanziert zu werden“, sagte Bedford-Strohm. Für ihn und die Evangelische Kirche ist das eine Frage der Menschenwürde. Den Einwurf von Politikern, man müssen sparen, lässt der Theologe nicht gelten. Wenn dafür Schulden gemacht werden müssen, sind das Investitionen in die Zukunft. Denn gut ausgebildete Menschen laufen weniger Gefahr, später auf Hilfen durch die öffentliche Hand angewiesen zu sein. Das verhindert künftige Schulden und verhilft Menschen zu einem würdigen Leben.