GEPA-Bildungsreferentin Martina Beck beim Erlebnistag für Schüler*innen
GEPA-Bildungsreferentin Martina Beck beim Erlebnistag für Schüler*innen
Interview mit der GEPA-Bildungsreferentin Themen
Umweltschutz

Fair trade: Klare Antworten auf offene Fragen

Das Unternehmen GEPA gehört zu den Vorreitern des „Fairen Handels” in Deutschland. Das Unternehmen, das bis heute von kirchlichen Entwicklungs- und Jugendorganisationen getragen wird, ist der größte europäische Importeur fair gehandelter Lebensmittel und Handwerksprodukte aus den südlichen Ländern der Welt. Im Interview gibt Martina Beck, die Bildungsreferentin der GEPA, Auskunft auf zahlreiche Fragen, die sich jedem stellen, der sich für das Thema „Fairtrade“ interessiert.

„Nachhaltigkeit“ ist „in“. Inzwischen gehört es auch für Discounter zum guten Ton, Produkte im Sortiment zu haben, die den Kunden vermitteln sollen, dass sie hier mit gutem Gewissen zugreifen können, ohne deutlich tiefer in die Tasche greifen zu müssen. Was halten Sie von Siegeln wie "UTZ" oder "Rainforest Alliance"?

Sowohl das UTZ-Siegel als auch Rainforest Alliance haben einen hohen Bekanntheitsgrad, weil sie mit zahlreichen großen Unternehmen wie beispielsweise Mars, Tchibo oder Nestlé kooperieren – sie stehen aber nicht für Fairen Handel. Es geht in erster Linie um den nachhaltigen Anbau von Kaffee, Kakao und Tee. Es geht darum, Anbaumethoden zu verbessern und das Farmmanagement zu professionalisieren, damit sich durch eine effizientere Produktion die Erträge erhöhen. Neben umweltrelevanten und ökonomischen Kriterien gibt es auch soziale Kriterien.

Im Fairen Handel werden andere Ziele mit anderen Mitteln verfolgt. In erster Linie geht es darum, benachteiligte Produzent*innen und Arbeiter*innen in Entwicklungsländern zu fördern, indem ihnen der Marktzugang ermöglicht wird. Wichtige Instrumente im Fairen Handel wie die Zahlung eines Mindestpreises, langfristige Handelsbeziehungen oder eine Vorfinanzierung der Partner – all das gibt es bei UTZ/ Rainforest Alliance nicht.

Das übergeordnete Ziel des Fairen Handels ist es, Welthandelsstrukturen durch konkrete Alternativen, Lobbyarbeit und politische Arbeit zu beeinflussen und zu verändern. Die GEPA unterstützt dieses Ziel finanziell und personell über die Fair-Handels-Netzwerke. Es drängt sich die Frage auf, warum große Firmen nicht auf bereits bestehende Zertifizierungssysteme zurückgreifen wie Fairtrade – was es schon vor UTZ und Rainforest gab.

„Fairtrade“ ist das bekannteste Siegel für Produkte aus Fairem Handel. Wie sehen Sie das Label?

Die Kriterien von Fairtrade International sind für uns eine Basis und geben Verbraucher*innen eine Orientierung. Gewisse Kriterien, beispielsweise Mindestpreise für Kaffee und Kakao, gelten auch hier – anders als bei Nachhaltigkeitslabeln. Wir sehen das Siegel nicht grundsätzlich kritisch, auch wenn wir in einigen Punkten anderer Meinung sind, beispielsweise bei Mengenausgleich oder bei fair gehandelten Rohstoffen aus dem Norden.

Unserer Ansicht nach ist das Fairtrade-Siegel wirkungsvoller zur Unterstützung benachteiligter Produzent*innen, schon allein durch den Fairtrade-Mindestpreis. Denn dadurch sind die Produzent*innen auch bei sehr niedrigen Börsenpreisen abgesichert und können kostendeckend produzieren.

Als Pionier im Fairen Handel möchten wir den Fairen Handel aber weiterentwickeln und sind dafür auch mehrfach ausgezeichnet worden.

Grafik: GEPA

Warum verzichtet die GEPA auf das bekanntere „Fairtrade“-Siegel?

Die GEPA hat sich bereits 2012 vom Fairtrade-Siegel verabschiedet. Die GEPA-Produkte, die bisher das Fairtrade-Siegel auf der Verpackung trugen, werden aber nach wie vor nach den internationalen Fairtrade-Kriterien kontrolliert und zertifiziert. Da die GEPA selbst weiterhin von Fairtrade International zertifiziert wird, bezahlt sie dafür auch die Zertifizierungskosten. Lediglich das Siegel ist nicht mehr auf den Produkten abgebildet.

Fairtrade International, die Dachorganisation des „Fairtrade“-Siegels, hat vor einiger Zeit eingeräumt, dass selbst die „Fairtrade“-Konditionen teilweise nicht das Existenzminimum für die Bauern sichern und strebte Verbesserungen an. Wie sieht die Situation aus Ihrer Sicht aktuell aus?

Auch wir von der GEPA sind der Meinung, dass der Fairtrade-Mindestpreis und die vorgeschriebenen Prämien vielleicht nicht immer ausreichen, um das Existenzminimum der Produzent*innen zu sichern. Daher zahlen wir bei der GEPA vielen Genossenschaften (z. B. beim Kakao) schon seit Längerem zusätzlich zum Fairtrade-Mindestpreis noch Zuschläge.

Letztes Jahr hat Fairtrade International den Fairtrade-Mindestpreis und die Prämien für Kakao um 20 Prozent erhöht. Immer noch liegt die GEPA aber beim Kakao über dem Fairtrade-Mindestpreis. Hier zahlt die GEPA für eine Tonne Bio-Kakao im Schnitt 3.500 US-Dollar inkl. Fairtrade-Prämie und Bio-Prämie. Der Fairtrade-Mindestpreis liegt mit 2.400 US-Dollar, plus Fairtrade-Prämie von 240 US-Dollar, plus Bio-Prämie von 300 US-Dollar bei insgesamt 2.940 US-Dollar. Die GEPA liegt hier also um einiges drüber.

In welchen Bereichen leistet die GEPA mehr als „Fairtrade“-Mindestkriterien?

Wie beim Kakao zahlen wir auch bei anderen Lebensmitteln meist deutlich mehr, als die allgemeinen verbindlichen Fairtrade-Mindeststandards festlegen. Darüber hinaus bieten wir einiges zusätzlich:

  • Wir beraten und unterstützen bewusst Organisationen, die noch keine Erfahrungen im Export haben und sind damit ein Türöffner zum Weltmarkt.
  • Die Rohstoffe, die wir fair eingekauft haben, sind auch nachweislich im Produkt enthalten.
  • Unsere Mischprodukte wie Schokolade haben einen sehr hohen Fair Handelsanteil mit bis zu 100 Prozent fair gehandelten Zutaten. Die Mindeststandards von Fairtrade International sehen nur 20 Prozent vor – da liegen die GEPA-Produkte sehr viel höher.

Inzwischen haben Kunden sogar im Discounter immer öfter die Wahl zwischen konventionellen Produkten und Produkten mit „Fairtrade“-Siegel. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung?

Zunächst einmal würde ich sagen, dass es grundsätzlich besser ist, einen Fairtrade-gesiegelten Kaffee zu kaufen als einen ohne Fairtrade-Siegel. Besser ist aber noch nicht gut genug, denn das wäre für mich natürlich immer der GEPA-Kaffee, den es aber im Discounter gar nicht gibt. Daher, ja, wenn schon Kaffee im Discounter, dann schon lieber fair gehandelt.

Man kann unterschiedlicher Ansicht sein, was Discounter damit bezwecken, wenn sie nur einen Teil ihres Sortiments als Fairtrade-Produkte anbieten. Die einen sagen, es ist nur ein Feigenblatt, also Greenwashing. Die Discounter würden nur einem Trend folgen, weil damit die Umsätze gesteigert werden können und um von den eigenen Problemen abzulenken, die da wären: Wie halten es LIDL, ALDI und Co. mit ihren eigenen Mitarbeiter*innen-Rechten? Hierzu gab es ja in der Vergangenheit zahlreiche kritische Medienberichte. Die anderen sagen, es sei egal, welche Motivation dahintersteckt. Wichtig sei, dass mit dem Verkauf fair gehandelter Produkte die benachteiligten Produzent*innen im Süden unterstützt werden, oder anders gesagt, wichtig sei, „was hinten raus kommt“.

Auch wenn ich denke, besser „ein bisschen fair“ als gar nicht fair, sehe ich trotzdem die Fairtrade-gesiegelten Produkte im Discounter sehr kritisch, weil die GEPA da auch preislich gar nicht mithalten kann. Gleichzeitig habe ich aber auch im Freundeskreis Menschen, die mit Hartz IV über die Runden kommen müssen und immerhin beim Discounter zu fairen Bio-Produkten greifen, statt zu den noch günstigeren konventionellen Produkten. Insofern ist diese Frage nicht ganz leicht zu beantworten.

Wie häufig im Fairen Handel würde ich mir von mündigen Verbraucher*innen wünschen, dass sie sich mit dem Thema beschäftigen und dann auch abwägen, was der Geldbeutel zulässt und was nicht. Gerade die Menschen mit mittlerem bis gehobenem Einkommen, die sowieso nur bestimmte „Basics“ im Discounter kaufen, könnten sich ja durchaus für den GEPA-Kaffee entscheiden, auch wenn der teurer ist als der „nur“ Fairtrade-gesiegelte Kaffee. GEPA-Produkte sind aber auch nicht immer teurer als Fairtrade-gesiegelte Produkte und es gibt z. B. bei Schokoladen auch qualitativ vergleichbare Schokoladen, die weder fair noch bio sind und preislich sogar teilweise über dem GEPA-Preis liegen. Will sagen: Es ist nicht zwangsläufig teurer, nur weil es ein GEPA-Produkt ist.

Letztlich ist jede Kaufentscheidung eine individuelle Entscheidung, die natürlich umso leichter zu treffen ist, je besser die Menschen informiert sind. Wir hoffen, dass wir in diesem Rahmen und mit unserer Informations- und Bildungsarbeit dazu auch beitragen können.

Seit einem Jahr bietet ein Discounter Bananen mit „Fairtrade“-Siegel zu Tiefstpreisen an. Wie kann das funktionieren? Welche Folgen hat das für den Fairtrade-Sektor?

Ja, wir fragen uns auch immer, wie so ein günstiger Preis möglich ist. Spart der Discounter an anderer Stelle, indem er sich auf ein paar preisgünstige Vorzeigeprodukte aus Fairem Handel als „Türöffner“ beschränkt? Zu welchem Preis werden dann die anderen Rohwaren eingekauft? Aus unserer Sicht sind fair gehandelte Produkte, ob Bananen, Kakao oder Kaffee ihren Preis wert; das sollte sich auch im Endverkaufspreis spiegeln. Denn die Bäuer*innen verdienen für ihre harte und qualifizierte Arbeit einen angemessenen Preis. Daher wäre es ein falsches Signal, die Produkte zu verbilligen. Denn so würde der falsche Eindruck erweckt, Fairer Handel sei zum Schleuderpreis erhältlich. Wir können und wollen unsere Produkte nicht zum Schleuderpreis anbieten, da wir alle Produkte zu fairen Bedingungen anbieten. Deshalb können wir weder beim Einkaufspreis noch beim Verkaufspreis unser Niveau unterschreiten.

Waren mit dem „Fairtrade“-Siegel oder von GEPA werden zu garantierten Mindestpreisen gehandelt, wenn der Weltmarktpreis unter eine kritische Marke fällt. Zusätzlich werden Aufschläge und Prämien bezahlt. Wie wird sichergestellt, dass die Produzenten diese höheren Preise auch bekommen und die Vorteile nicht von Zwischenhändlern kassiert werden?

Der gesamte Geldtransfer wird im Fairtrade-System streng kontrolliert und überwacht. So werden beispielsweise die Zahlungen an die Handelspartner von FLO-Inspektoren mit den gelieferten Mengen abgeglichen, dies geschieht bei der jährlich stattfindenden FLO-Inspektion hier bei der GEPA. Sowieso stellt die GEPA sicher, dass das Geld bei den Genossenschaften ankommt, weil sie im direkten Kontakt zu den Partnern steht, das heißt, wir kaufen unsere Rohware direkt bei den Produzentenorganisationen ein und somit gibt es keinen ausbeuterischen Zwischenhandel.

Kritiker von Fairtrade-Labeln behaupten, die Produzenten würden den minderwertigen Teil ihrer Ernte zu Fairtrade-Bedingungen verkaufen, während sie die höhere Qualität am konventionellen Weltmarkt unterbringen. Wie kann eine hohe Rohstoffqualität bei Fairtrade-Produkten gesichert werden?

Diese Aussage, dass Produzenten den minderwertigen Teil ihrer Ernte zu Fairtrade-Bedingungen verkaufen, kann ich für die GEPA rundweg zurückweisen und ich denke auch für Fairtrade-gesiegelte Produkte generell. Gerade als Importeur von fair gehandelten – überwiegend Bio-Rohstoffen ist für uns die Einhaltung strengster Qualitätskriterien das A und O.

Das hat mehrere Gründe: Zum einen wollen wir unseren Kund*innen neben fairen und meist auch Bio-Produkten natürlich auch eine erstklassige Qualität liefern, zahlreiche Auszeichnungen bestätigen dies. Wir sind ein Anbieter von fair gehandelten Premium-Produkten und schlechte Qualitäten können wir uns gar nicht leisten. Schließlich sind die Kund*innen bereit, einen etwas höheren Preis zu bezahlen als für konventionelle Produkte. Sie wären dazu bestimmt nicht bereit, wenn die Qualität nicht hervorragend wäre.

Außerdem ist es nicht unsere Philosophie, Almosen an Bauern zu verteilen, sondern es geht uns um eine gerechte Handelspartnerschaft auf Augenhöhe und dazu gehört die Zahlung eines fairen Preises für erstklassige Qualität, die wir selbstverständlich auch von unseren Partnern einfordern. Von sämtlichen Lieferungen erhalten wir so genannte Vorverschiffungsmuster, unsere Produkte durchlaufen strenge Analyse- und Labortests und erst wenn alles abgesichert ist, geben wir die Ware zur Verschiffung frei. Wir haben eine eigene Abteilung „Qualitätssicherung“, die jeden Tag dafür sorgt, dass unsere Produkte die erstklassige Qualität haben, die wir an unsere Kund*innen weitergeben wollen. Zusammen mit unseren Partnern im Süden arbeiten wir beständig an der Verbesserung der Qualität und führen beispielsweise auch Workshops durch.

Was muss sich ändern, damit fairer Handel weltweit zum Standard wird?

Ein erster Schritt wäre die Einführung eines verbindlichen Lieferkettengesetzes für alle, das z. B. die Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen entlang der gesamten Kette voraussetzt. Wir setzen uns aktuell verstärkt für ein Lieferkettengesetz in Deutschland ein, weil wir davon überzeugt sind, dass dies der einzige wirksame Weg ist, ausbeuterische Strukturen im globalen Welthandel dauerhaft und nachhaltig zu bekämpfen. Wir brauchen dafür dringend die verbindlichen politischen Rahmenbedingungen, die dann aber auch für alle Länder gelten müssten. Das ist die Grundlage für alle. Fairer Handel baut darauf auf und geht darüber hinaus.

Im Bereich der pädagogischen Arbeit gibt es von Fairtrade die „Fairtrade“-Schulen. Wie sehen Sie das Programm?

Meiner Meinung nach ist die Fairtrade-School-Kampagne von Fairtrade Deutschland eine gute Möglichkeit für Schulen, sich aktiv für die Verbreitung des Fairen Handels und damit für die Unterstützung benachteiligter Produzentengruppen einzusetzen. Gerade Schüler*innen haben oft tolle Fairtrade-Aktionsideen, die sie im Rahmen dieser Kampagne sehr gut umsetzen können.

// Das Interview führte Martin Göb-Fuchsberger, Leiter der Arbeitsgruppe BNE im BLLV.

Der BLLV zu Bildung für nachhaltige Entwicklung

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