700 Studienplätze für GS-Lehramt - Brandbrief an Kultusminister Positionen

Keine Fortsetzung des "Schweinezyklus"

GRUNDSCHULE - Um den Lehrernotstand an Grundschulen zu beheben, hat Kultusminister Bernd Sibler 700 weitere Studienplätze für das GS-Lehramt angekündigt. Bis diese zusätzlichen Kräfte zur Verfügung stehen, vergehen mindestens sechs Jahre, warnt der BLLV. Statt kurzfristiger Notprogramme brauche es eine systematische Planung. In seinem Brandbrief schlägt der BLLV geeignete Maßnahmen vor.

 

Der Brandbrief im Wortlaut:

Sorge um die Qualität in der Lehrerbildung für die Grundschulen
und die Fortsetzung des "Schweinezyklus"

Sehr geehrter Herr Staatsminister,

grundsätzlich begrüßt der BLLV die vom Ministerium eingeleitete Maßnahme zur Erhöhung der Studienplätze im Lehramt Grundschule, wenngleich dies nun mehrere Jahre zu spät und überhastet geschieht. Bis die zusätzlichen Kräfte den Grundschulen zur Verfügung stehen, vergehen mindestens sechs Jahre. Daher bedarf es weiterer Not-, Nach- und Zweitqualifizierungen, deren Qualitätsstandards in der derzeitigen Konzeption äußerst dürftig sind. Der BLLV hatte für ein Mindestmaß an Qualität bereits deutliche Vorschläge gemacht (BLLV-Positionspapier zur Zweitqualifizierung, siehe Anhang)!

Die Erhöhung der Studienplätze für das Lehramt an Grundschulen, aber auch für das Lehramt im Bereich Sonderpädagogik, hätte mit entsprechendem Vorlauf systematisch geplant und organisiert werden müssen. Das kostengünstige "ad hoc-Not-Programm" begnügt sich damit, innerhalb kürzester Zeit Grundschulschullehrkräfte zu finden, die nun die nächsten fünf Jahre nicht die Grundschülerinnen und Grundschüler selbst, sondern Lehrpersonen für Grundschüler/innen ausbilden sollen.

Für die universitäre Lehrerbildung für alle Lehramtsstudiengänge, die ein Qualitätsmerkmal der bayerischen Bildungspolitik darstellt, bedarf es ein ausgewogenes Verhältnis von wissenschaftlicher, akademischer Ausbildung sowie Praxisbezug. Eine derartige Erhöhung an Grundschulstudienplätzen, z. T. um bis zu 75 %, kann nicht ausschließlich mit Praktikern abgefangen werden: Denn diesen werden weder zeitliche Ressourcen für die akademische Weiterbildung zugestanden noch Zeiten in der universitären Lehre dienstrechtlich anerkannt.

Der BLLV fordert zusätzliche universitäre Ratsstellen mit entsprechender Qualifikations-möglichkeit im Bereich der Grundschulpädagogik und ihrer Didaktiken sowie in den Erziehungs-wissenschaften und das über die Zeit des Not-Programms hinaus. Die universitären Stellen in den Erziehungswissenschaften und den Fachdidaktiken sowie in den Praktikumsämtern müssen zeitnah ebenfalls adäquat ausgebaut werden. Aufgrund steigender Geburtenzahlen muss aus diesem Notproramm eine längerfristige Maßnahme werden.

Der BLLV vermisst darüber hinaus Angaben sowohl zum Stellenausbau in den stark frequentierten Fachwissenschaften als auch zum Verwaltungsbereich in allen betroffenen universitären Bereichen. Bei den Lehrerinnen und Lehrern, die die Grundlagen von Bildungsprozessen legen und damit eine hohe gesellschaftliche Verantwortung tragen, darf keinesfalls Quantität von Qualität gelten. Ebenso darf in diesem Kontext die jetzige Qualität in der Lehrerbildung keinesfalls gefährdet werden, die unserer Ansicht nach ohnehin verbesserungswürdig ist. Diese Punkte machen deutlich, dass hier umgehend mit universitären Planstellen nachgebessert werden muss, um die jetzige Situation nicht zu verschlechtern und für die Zukunft gerüstet zu sein.

Die Dauer und der Umfang der Maßnahme machen absehbar, dass sich die Einstellungssituation, der mit dieser Notmaßnahme ausgebildeten Grundschullehrkräfte in acht bis zehn Jahren wieder schwierig gestalten wird, es sei denn, die Politik nutzt diese möglichen Kapazitäten und setzt das vom BLLV geforderte Zwei-Lehrer-Prinzip um. Daher wäre es sinnvoll, die Weichen zum jetzigen Zeitpunkt zu stellen, um grundsätzlich mehr Flexibilität im Lehramtsstudium unter gleichzeitiger Steigerung der Qualität einzubringen.

Das flexible Lehrerbildungsmodell des BLLV (als langfristige Maßnahme), mehr akademisches Personal (als mittelfristige Maßnahme) und bessere Anerkennung von ersten Staatsexamina beim Quereinstieg in das Lehramt Grundschule (kurzfristige Maßnahme), können zusammen für entsprechende Quantität und hohe Qualität in der Lehrerbildung, nicht nur für die Grundschule, sorgen - jetzt und für die Zukunft.

In der Lehrerbildung darf nicht in Wahlperioden gedacht werden, sondern in Bildungsbiographien.

Für ergänzende Gespräche und Rückfragen stehen wir selbstverständlich gerne zur Verfügung.

 

Mit freundlichen Grüßen

Simone Fleischmann

 

Anlage

P.S. Wir erlauben uns, dieses Schreiben ebenso an Frau Staatsministerin Prof. Dr. Marion Kiechle, den Ausschüssen für Bildung und Kultus sowie für Wissenschaft und Kunst im Bayerischen Landtag zu übersenden. Ferner gehen Kopien dieses Schreibens an die Präsidien der Universitäten in Bayern.