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Kriegsspiele gehören nicht in Kinderzimmer

BLLV-Präsident Wenzel: „Ein Verbot solcher Computerspiele ist aber wenig hilfreich, viel besser ist die Prävention“ / Appell an Eltern: „Kinder mit virtuellen Eindrücken nicht allein lassen“

Pressemitteilung - „Kriegsspiele und sog. Shooter“ haben in Kinderzimmern nichts verloren“, erklärte der Präsident des Bayerischen Lehrer-und Lehrerinnenverbandes (BLLV), Klaus Wenzel, heute in München. Dies müsse für alle Computerspiele gelten, die gewalttätige Szenen enthalten oder zu virtuellen Gewalttaten auffordern. Anlass ist eine wissenschaftliche Vorstudie, die sich mit Fragen nach moralischen Urteilen in solchen Spielwelten beschäftigt. Sie wird zum morgigen Safer Internet Day in der Landeshauptstadt vorgestellt. In Auftrag gegeben wurde sie von der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM). „Ich begrüße es sehr, dass die BLM das Thema in die Öffentlichkeit bringt, denn es ist nicht nur verantwortungslos, sondern auch gefährlich, Heranwachsende mit solchen virtuellen Eindrücken allein zu lassen“, sagte er. Der Handlungsbedarf sei groß. Der BLLV-Präsident appellierte an Eltern, beim Kauf von Computerspielen grundsätzlich äußerst umsichtig vorzugehen, sich intensiv beraten zu lassen und die Spieldauer zu Hause je nach Alter einzugrenzen. „Es ist wichtig, sich von den Kindern die Spiele erklären zu lassen und so Interesse zu signalisieren. Hilfreich sei es auch, sich regelmäßig über den Spielstand zu informieren - mit anderen Worten: die Kinder beim Spielen nicht allein zu lassen.“ Gespielt werden sollte nicht im Kinderzimmer bei verschlossenen Türen, sondern in Räumen, die allen Familienmitgliedern offen stehen.     

 

Der BLLV hatte sich bereits 2009 intensiv mit dem Thema befasst, damals ging es um Computerspielsucht. „Es war erschreckend, zu sehen, wie hilflos Erwachsene diesem Phänomen gegenüberstehen“, sagte Wenzel. Leider habe sich die Thematik eher verschärft. Im Handel seien inzwischen unübersichtlich viele Computerspiele zu allen erdenklichen Themen zu kaufen. „Es gibt viele wertvolle wie sinnvolle Angebote“, betonte Wenzel, „leider aber  auch viel Fragwürdiges.“ Junge Menschen hätten heute Zugang zu allem und das zu jeder Zeit - unabhängig von ihrem Alter und ihrem individuellen Entwicklungsstand. Umso wichtiger sei es, dass Eltern ihre Kinder nicht allein lassen. „Auch Lehrkräfte brauchen mehr Fortbildungen und Schulungen, um helfend eingreifen zu können.“   

 

Wenzel wies darauf hin, dass die Gefahr, von Computerspielen abhängig zu werden, immens sei: „Junge Spieler identifizieren sich mehr und mehr mit den Figuren dieser abenteuerlichen und oft sehr reizvollen fiktiven Welten und entfernten sich so von der Realität.“ Der Prozess verlaufe langsam und schleichend und leider oft unbemerkt. „Jugendliche, die zur Außenwelt wenig oder kaum Kontakt haben, sich isolieren, sich wenig mitteilen, die Stunden lang allein in ihrem Zimmer vor dem Bildschirm sitzen und sich mehr und mehr zurückziehen, sind offensichtlich krank, denn Computerspielsucht ist eine Krankheit, die professionell behandelt werden muss.“ Eltern sollten sich daher auch nicht scheuen, Unterstützung und Hilfe zu beanspruchen. Wissenschaftlich belegt sei, dass besonders männliche Jugendliche gefährdet seien.

 

„Sollte sich nun wissenschaftlich nachweisen lassen, dass die Nutzung sog. „Shooter“ oder „Kriegsspiele“ zur Verrohung und zum Herabsenken moralischer Hemmschwellen führt, müssen wir handeln“, forderte Wenzel. Er würde solche Spiele gerne verbieten. „Als Pädagoge weiß ich aber, dass Verbote oder das Heraufsetzen der Alterseinstufung wenig hilfreich sind. Das macht sie zum einen noch interessanter, zum anderen finden Jugendliche, die spielen wollen, immer einen Weg, an ihre gewünschten Spiele zu kommen.“

 

Viel wirksamer sei es, jungen Menschen Angebote zu machen, die attraktiver als virtuelle Welten sind: „Im Kern muss Lebenslust ermöglicht und verstärkt werden, auch wenn das im Computerzeitalter altmodisch klingen mag.“ Jungen und Mädchen freuen sich aber auch heute noch darüber, mit ihren Eltern Zeit zu verbringen und sie freuen sich, manche sehnen sich sogar, nach gemeinsamen Aktivitäten.

 

Auch im schulischen Bereich gibt es eine Antwort: Die Ganztagsschulen. „Sie sind der ideale Ort, Defizite auszugleichen, zum Beispiel, wenn beide Eltern berufstätig sind und wenig Zeit für Gemeinsamkeit bleibt.“ Wenn diese Schulen optimal ausgestattet sind, können sie jungen Menschen Geborgenheit und Halt, Lebensfreude und Beschäftigung bieten. Musik, Tanz, Sport oder Projektarbeit steigern das Selbstwertgefühl und führen jungen Menschen vor Augen, dass es noch Schöneres gibt, als in fremde Identitäten zu schlüpfen. „Die Nutzung von Computerspielen - egal, ob sie nun Gewalt verherrlichend sind oder nicht, hat immer etwas mit einer Flucht vor der eigenen Realität zu tun. Deshalb müsste sich die Realität junger Menschen verbessern: Zu viele Kinder sind sich selbst überlassen und haben keine Ansprechpartner, zu viele leiden unter dem Druck, der an Schulen herrscht, unter Existenzängsten, zu viele sind krank und verhaltensauffällig. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass die intensive Nutzung von Computerspielen  bei Kindern und Jugendlichen auch massives Fehlverhalten in der Erwachsenenwelt spiegelt.“

 

Informationen zum Thema

Für Eltern, die Sorge haben ihr Kind könnte computerspielsüchtig sein, hat der BLLV eine Broschüre entwickelt, die wertvolle Tipps und Ratschläge beinhaltet. Sie ist anzufordern unter 089 721001 35


 

Andrea Schwarz, BLLV-Pressereferentin M.A. Tel: 089/ 72 100 129, presse (at) bllv.de