Betroffene Kinder müssen oft lange auf Hilfe warten. Darunter leiden auch die Lehrkräfte. Presse

Schulpsychologen und Beratungslehrkräfte in Not

Wie eine BLLV-Untersuchung zeigt, braucht diese Berufsgruppe dringend Unterstützung - vor allem aber mehr Zeit, um den steigenden Ansprüchen gerecht werden zu können

Pressemitteilung - Bayerns Schulpsychologen und Beratungslehrkräfte schlagen Alarm. Die Zahl der Schüler, die professionelle Hilfe brauchen, steigt. Weil es aber zu wenig Personal gibt, steht immer weniger Zeit für die Einzelfallbetreuung zur Verfügung. In ihr sehen die Experten aber den Schlüssel zum Erfolg. Der Zeitmangel setzt viele der derzeit an allen Schularten tätigen rund 1800 ausgebildeten Beratungslehrkräfte und ca. 500 Schulpsychologen unter Druck. Viele begleitet ständig das quälende Gefühl, ihrer verantwortungsvollen Tätigkeit nicht gerecht werden zu können. Das ergab eine Untersuchung des BLLV. In ihr geben 71% der Schulpsychologen und 60% der Beratungslehrkräfte an, sich im Schuljahr 2013/14 bei Ihrer Arbeit zeitlich oder psychisch stark oder sehr stark belastet gefühlt zu haben. Für rund ein Viertel trifft beides zu. „Die Ergebnisse sind erschreckend, insbesondere weil die Belastungen in den vergangenen zehn Jahren zu- und nicht abgenommen haben“, sagte BLLV-Präsident Klaus Wenzel heute in München. 

„Schulpsychologen und Beratungslehrkräfte gehören einer ebenso belasteten wie vernachlässigten Berufsgruppe an“, erklärte Wenzel. Der BLLV fordert daher mehr Zeit, mehr Unterstützung, mehr Anerkennung und eine Aufhebung der strukturellen Unterschiede - die Wartezeiten, sie liegen zwischen null und 15 Wochen, hängen zu sehr vom jeweiligen Schulstandort und der Schulart ab. An der Befragung vom Mai beteiligten sich 424 Personen, davon 229 Beratungslehrkräfte (54%) und 189 Schulpsycholog/inn/en (45%).

„Wenn ein Schulpsychologe in einer halben Stunde komplexe Verhaltens- und Lernprobleme diagnostizieren und im Gespräch mit Schülern Lösungswege aufzeigen soll, ist über die Qualität und den Erfolg der Arbeit eigentlich alles gesagt“, kritisierte Wenzel. Es sei daher nicht verwunderlich, dass die große Zahl ratsuchender Schüler, Eltern und Lehrer vor allem deshalb Stress bei den Beratungslehrkräften und Schulpsychologen auslösten, weil die für die Beratung erforderliche Zeit nicht reiche. In der BLLV-Untersuchung sehen diesen Umstand 91% der Befragten als Hauptursache für Stress und Belastung an.

Die engen Zeitfenster während der Einzelberatungen führen wiederum zu Beratungen außerhalb der Dienstzeit. 72% klagen daher über Überlastung aufgrund persönlichen Zeitmangels, 62% der Schulpsychologen fühlen sich „gehetzt“, weil zwischen den einzelnen Beratungsterminen zu wenig Zeit bleibt.

Zu den äußeren Faktoren kommen psychische Belastungen. So hinterlassen die oft problemintensiven Beratungen bei zwei Drittel der Befragten Spuren. Besonders belastend werden Verhaltensprobleme bei Schülern erlebt. Sie haben in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Für knapp der Hälfte der Beratungslehrkräfte gilt dies auch bei Fallberatungen bei Lern- und Leistungsproblemen und bei Beratungen im Bereich sonderpädagogischer Förderbedarf. Zwei Drittel der Schulpsychologen fühlen sich beim Einsatz in Krisenfällen gestresst. Alarmierend ist außerdem, dass knapp 70% der Beratungslehrer aussagen, sie könnten den Ratsuchenden keine geeignete Unterstützung anbieten. Knapp der Hälfte der Beratungslehrkräfte machen unerfüllbare Erwartungen der Schüler und hohe Ansprüche der Eltern zu schaffen. Fast die Hälfte der Schulpsychologen beklagen vor allem die nicht zu erfüllenden Erwartungen der Lehrer.

Als weitere Belastungsfaktoren werden mangelnde Kooperationsbereitschaft und mangelnde Akzeptanz vorgeschlagener Maßnahmen seitens der Ratsuchenden genannt - mit steigender Tendenz. Als stressig werden die vielen Verwaltungsaufgaben (61%), die Zuständigkeit für mehrere Schulen (51%) und fehlende Räumlichkeiten (42%) empfunden - viele Beratungslehrer und Schulpsychologen haben kein geeignetes Beratungszimmer.

„Die beiden Berufsgruppen müssen schnell entlastet werden“, forderte Wenzel. Dementsprechend lautet ihre Hauptforderung, deutlich mehr Zeit für die Beratungen zu haben. So verlangen fast alle Beratungslehrkräfte und Schulpsychologen die Erhöhung der Anrechnungsstunden für die Beratungen generell.

Ein großes Problem stellen strukturelle Unterschiede dar: Je nach Schulstandort und Schulart variieren Beratungsnachfrage und Zeitbudgets erheblich. So schwankt die Nachfrage zwischen 25 und 500 Fällen pro Jahr. Die Wartezeiten liegen dementsprechend zwischen Null und 15 Wochen. „Hier braucht es eine Ausstattung, die sich am Bedarf orientiert“, erklärte Wenzel.

 

Andrea Schwarz, M.A., BLLV-Pressereferentin, Tel. 089 72100129, <link>presse (at) bllv.de