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Reihe "Digitale Impulse" der Deutschen Schulakademie Startseite
Leistungsrückmeldung Distanzunterricht

„Nichts ist aktueller als ganzheitliche Bildung“

Gerade jetzt wird spürbar, dass ein Lern- und Leistungsbegriff jenseits von Noten- und Auswahlfokussierung Not tut. Dafür spricht sich Simone Fleischmann beim Videoseminar der Deutschen Schulakademie zu "Learnings aus der Corona-Krise" aus.

Nichts war mehr so, wie es einmal war für Schulkinder und Lehrkräfte in den vergangenen Monaten. Heimischer Schreibtisch statt Klassenzimmer, Videokonferenz statt Live-Unterricht, digitale Kommunikation statt direkter Blickkontakt. Jetzt, wo schrittweise Schülerinnen und Schüler in den Live-Unterricht zurückkehren ist genau der richtige Zeitpunkt, um innezuhalten und nicht gleich wieder ins altbekannte System Schule zurückzukehren. Deswegen traf die Digitale-Impuls-Reihe der Deutschen Schulakademie zum Thema „Welchen Lern- und Leistungsbegriff braucht die Schule? Learnings aus der Corona-Krise“ den Nerv.

„Feedback ist für Schulkinder wichtig – gerade jetzt“

BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann (ab Minute 36:48) begrüßt in der Videosession die breite Diskussion, die durch die Verkündung ausgelöst wurde, dass in diesem Schuljahr kein Schulkind sitzenbleiben wird. „Denn jetzt stellen wir uns die Frage: Wieso lernen wir überhaupt, wenn es keine Noten gibt? Wieso lernen, wenn ich nicht sitzenbleibe?“ Fragen, die auf die Frage abzielen: Was ist eigentlich der Auftrag von Schule?

Fleischmann ist überzeugt: Ein ganzheitlicher Bildungsbegriff ist jetzt gefragter denn je. Für fatal hält sie die Meinung derer, die jetzt in den Schulen eine Konzentration auf die vermeintlich wesentlichen Fächer fordern und damit die Hauptfächer wie Mathe und Deutsch meinen. Auch für viele Lehrerinnen Lehrer seien Noten weiterhin ein Machtinstrument. Bei ihnen sei eine individualisierte Sicht auf Lernen und Leistung schwer vermittelbar. Um hier im Lern- und Leistungsbegriff neue Wege in der Schule zu beschreiten, rät Fleischmann zu einem geschlossenen Vorgehen einer Gemeinschaft.

Was die Deutsche Schulakademie macht:

Die Deutsche Schulakademie ist eine bundesweite Institution für Lehrkräftefortbildung und Schulentwicklung. Sie wurde 2015 gegründet und wird getragen von der Robert Bosch Stiftung und der Heidehof Stiftung. Diese beiden Stiftungen loben seit über einem Jahrzehnt den Deutschen Schulpreis aus. Die Deutsche Schulakademie will die guten Beispiele der Preisträgerschulen an möglichst viele andere Schulen weitertragen.
Jeden Dienstag von 16.30 bis 18h findet jetzt neu die neue Reihe "Digitale Impulse für Schulentwicklung in Zeiten von Corona" statt. Mehr Infos auf der Website der Schulakademie.


Fleischmann appelliert, dass Schülerinnen und Schüler unbedingt Feedback bekommen müssten, über das, was sie während der Schulschließungen erlernt hätten. Schülerinnen und Schüler sollen merken, dass das, was sie zuhause gelernt haben, wichtig war. Sie sollen ein Gefühl dafür bekommen, dass sie sich besonders in dieser Zeit entwickelt haben.
Ein ganz wichtiges Learning aus der Corona-Krise ist für Simone Fleischmann, dass Lehrkräfte ihre Schulkinder anleiten müssen, eigenständig und nachhaltig zu lernen. Denn eigenständig lernende Kinder kamen beim Lernen daheim gut durch im Gegensatz zu den Kindern, denen das schwer fällt.

Hunger nach Beziehungen ist spürbar

Eines sei während der langen Schulschließungen spürbar gewesen: der Hunger nach Beziehungen. Es sei auch spürbar gewesen, dass Lernen gut funktioniert, wenn Schulkinder in einer gesunden Beziehungen zu einer Lehrkraft stehen. Zwar hält Fleischmann das Vorschreiten in der Digitalisierung wichtig, ist aber auch überzeugt, dass ein digitales Endgerät nie eine Lehrkraft ersetzt. Laut Fleischmann ist durch Corona in der Vordergrund getreten, wie wichtig für guten Bildungserfolg die Zusammenarbeit von Lehrkraft, Eltern und Schulkindern ist.

Eine weitere Teilnehmerin der Videosession "Digitale Impulse", Dr. Petra Hoppe, Schulleiterin von der Integrierten Gesamtschule in Hannover, hatte ihre Schule schon vor Corona auf ein modernes Konzept umgestellt. Und das kam ihr während der Schulschließungen zugute:

  • TEAMSCHULE: Die IGS List ist organisiert als Teamschule auf allen Ebenen. Die Lehrkräfte sind in Jahrgangsteams, Fachbereichsteams und Jahrgangsfachteams zusammengeschlossen. Beim Lockdown konnten diese Teams gemeinsam den Lehrplan entschlacken und nur relevante Aufgaben an die Schüler verteilen. Die Lehrkräfte schnürten keine Arbeitsblatt-Pakete, sondern konzipierten komplexe, größere Aufgaben, die variabel in der Ausgestaltung angelegt waren (Plakat, Lernvideo, Vortrag etc.)
  • INTENSIVES LEHRKRAFT-SCHÜLER-VERHÄLTNIS: Lehrkräfte und Schülerinnen und Schüler lernen so lange wie möglich zusammen. So ist ein intensives Schüler-Lehrkraft-Verhältnis möglich, was sich in der Krise als besonders vorteilhaft erwies. So wussten Lehrkräfte um Besonderheiten ihrer einzelnen Schülerinnen und Schüler.
  • LAPTOPSCHULE: Die IGS List ist eine Laptopschule – alle Schüler von der 7. Jahrgangsstufe bis zur 10. haben einen eigenen Laptop. So war sichergestellt, dass diese Kinder ein digitales Endgerät besitzen!
  • DIGITALES LERNEN: Digitales Lernen war schon etabliert an der Schule. Lehrkräfte sowie Schülerinnen und Schüler waren bereits mit ihrer Plattform vertraut. Auf der Plattform wurden dann auch bei der Schulschließung weiter Aufgaben verteilt und Konferenzen abgehalten. Hier bildeten sich feste Lernteams.  
  • GEMEINSAM LERNEN AUCH DIGITAL: Für die unteren Jahrgänge wurden über die digitale Plattform auch virtuelle Stundenpläne angeboten: Über das Videotool wurde dann zusammen Mathe gelernt oder in der Musikstunde gemeinsam musiziert. „Das schlimmste ist, wenn man daheim vereinsamt und in eine Depression abrutscht“, so Hoppe.
  • PERSÖNLICHE ANSPRACHE: Für Kinder, die persönliche Ansprache brauchten, haben Lehrkräfte während der Schulschließung eine individuelle Sprechstunde in der Schule eingerichtet. Kinder mit besonderen Bedürfnissen haben entsprechend noch individuelle Begleitung von den Lehrkräften erhalten.
  • FEEDBACK-KULTUR: Eine ausgeprägte Feedbackkultur ist Standard an der IGS List und wurde während der Schulschließung sogar noch verbessert.


Angesichts der Corona-Krise sei ein "kollegiales, partizipartives Leistungsverständnis" wichtig, so Video-Session-Teilnehmerin Prof. Dr. Silvia Iris Beutel, Professorin für Schulpädagogik an der TU Dortmund. Für den Fall das weitere regionale Lockdowns kommen sollten, weist Beutel darauf hin, dass Schulen Konzepte mit anderen Bildungsträgern in ihrer Bildungregion entwickeln sollten. So sollten dann auch außerschulische Leistungen eingebracht werden können.

Da klassische Leistungsmessung zur Zeit nicht möglich sei, müssten Schulen nun eine neue Form der Evaluation entwickeln. Außerdem sei es nun wichtig, Lernprozesse zu entwickeln, die sich auch digital funktionieren. Corona hat laut Beutel gezeigt, dass aktuelle Themen wie die Corona-Pandemie auch in der Schule aufgegriffen werden müssen – und ein starres Büffeln nach Lehrplan nicht sinnvoll. Mehr denn je sei beim "home schooling" offensichtlich geworden: Wer nur wegen Notendruck und Kontrolle lern, bekommt Probleme. Gut kommen Schülerinnen und Schüler mit einem inneren Lernantrieb durch!

"Es ist enorm wichtig, die Schulen sichtbar zu machen, die einen anderen Begriff von Leistung und Leistungsbeurteilung leben. Ihre Vorbildfunktion müssen wir herausstellen. Wir müssen so den Denkimpuls verstärken, dass man Leistung auch ganz anders bewerten kann, als es bis jetzt getan wurde", so ein weiterer Teilnehmer der Video-Session, Professor Dr. Hans Anand Pant vom Institut für Erziehungswissenschaften von der Humboldt Universität Berlin.
 

>> Das komplette Video der Digitale-Impulse-Reihe der Deutschen Schulakademie zum Thema „Welchen Lern- und Leistungsbegriff braucht die Schule? Learnings aus der Corona-Krise“ zum anschauen!

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