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Hilfe gesucht, Hilfe verprellt Startseite
Ukraine Bürokratie Individuelle Förderung

Unterstützungskräfte bekommen teils monatelang kein Geld

Wer sich während Corona unterstützend an Schulen eingesetzt hat, wartet mitunter ein halbes Jahr auf Bezahlung – extrem kontraproduktiv, wenn akuter Personalmangel herrscht. BLLV-Experte Hans Rottbauer fordert bessere Personalpolitik und weniger Bürokratie.

„Derzeit haben wir mit drei Krisen zu kämpfen - dem allgemeinen Lehrermangel, mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie und den Folgen des Krieges in der Ukraine." So beschreibt Hans Rottbauer, Leiter der Abteilung Dienstrecht und Besoldung im BLLV, die angespannte Situation an den bayerischen Schulen gegenüber der Münchner Abendzeitung. Man sollte also meinen, dass sich die Verantwortlichen in Steuerung und Umsetzung sehr um die Menschen bemühen, die sich an Schulen trotz dieser Umstände für gelingende Bildung einsetzen.

Da nimmt es Wunder, dass sich auf Rottbauers Schreibtisch die Hilfsgesuche von engagierten Menschen häufen, die ein halbes Jahr kein Geld für ihren Einsatz gesehen haben: "Es ist tatsächlich so, dass wir Personen haben, die seit Schuljahresbeginn oder schon länger auf ihr Geld warten“, berichtet der Dienstrechts-Experte. "Zum Großteil sind es Unterstützungskräfte, die während der Corona-Pandemie hinzugekommen sind.“

Schulen sind auf Unterstützung angewiesen

Was für ein fatales Signal in einer Zeit, in der das Annehmen, Betreuen und Unterrichten von Kindern und Jugendlichen, die aus der Ukraine geflüchtet sind, maßgeblich davon abhängen wird, dass sich zusätzlich zum überlasteten Personal weitere Menschen an Schulen einbringen. „Das ist nur mit zusätzlichen Kräften möglich“, stellt Hans Rottbauer klar und fordert: "Personal aufstocken und Antragsverfahren vereinfachen." Denn der Bürokratieaufwand, um überhaupt an Schulen mithelfen zu können, ist schon im Vorfeld immens.

Das Kultusministerium lässt indes auf Anfrage aus dem Landtag verlauten: „Der überwiegende Großteil der fristgerecht eingereichten Vertragsunterlagen konnte auch zu einer Abwicklung und im Ergebnis zu einer Auszahlung führen.“ Manch Betroffener mag angesichts solcher Aussagen den Amtsschimmel wiehern hören.

Geht’s hier um Menschen oder um große Worte?

Welche Folgen das haben kann, schildert Dienstrechts-Experte Rottbauer so: „Mir sind Fälle bekannt, da ist es so weit gegangen, dass der Förderverein der jeweiligen Schule den Betroffenen quasi mit Krediten finanziell ausgeholfen hat, weil diese Leute Geld gebraucht haben."

Die von Kultusministerium, Staats- und Bundesregierung gerne vorgetragene Erzählung vom professionellen Umgang mit der Herausforderung, vor der Gesellschaft und Schulen mit der Integration ukrainischer Geflüchteter stehen, klingt angesichts solcher Vorgänge wenig glaubwürdig. Denn was nützen Task-Forces und innovative Konzepte, wenn den Menschen, die diese mit Leben füllen sollen und wollen, Pflastersteine in den Weg gelegt werden?

» zum Artikel der Abendzeitung München

Weitere Medienberichte zum Thema

„Das darf bei der Integration der Ukraine-Flüchtlinge nicht nochmal passieren!“

Auch in Franken vergeht viel Zeit, bis pädagogische Aushilfskräfte einen Lohn für ihren Einsatz sehen. „Ohne meine Eltern wäre ich am Arsch gewesen“, formuliert es eine angestellte Lehrerin einer Schule in Aschaffenburg deutlich, nachdem sie erst am 30. Dezember ihr erstes volles Gehalt erhielt. Angetreten hatte sie ihren Dienst bereits im September.

Betroffen sind vor allem Hilfskräfte, die sich im Rahmen der kultusministeriellen Initiative „gemeinsam.Brücken.bauen“ an Schulen engagiert haben, um Schülerinnen und Schüler bei coronabedingten Lernrückständen zu unterstützen. Ein ehrenwerter und dringend benötigter Einsatz also, der den Menschen aber leider alles andere als leicht gemacht wird. Die Verwaltung kommt mit der Flut von Anträgen und Verträgen, die auf den eigenen Vorgaben beruhen, schlicht nicht hinterher. In der Konsequenz warten manche Hilfskräfte in Franken immer noch auf ihr Geld.

„Würde so etwas in der Privatwirtschaft passieren, dann hätte der Arbeitgeber ein ziemliches Problem“, stellt Henrik Schödel, Vorsitzender des BLLV Oberfranken im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung dazu klar. Er fordert „Entbürokratisierung der Formulare und Anträge“ für Hilfskräfte und dass „Verträge mit guten Lehrkräften rechtzeitig verlängert werden“, damit diese bei Neuanträgen nicht ein weiteres Mal den bürokratischen Hürdenlauf absolvieren müssen.

Wenn Hilfsbereitschaft erstickt wird

Einige haben dazu ohnehin schon keine Lust mehr. Im Landtag ist von pensionierten Lehrkräften die Rede, die nach den Pannen um ihren Corona-Einsatz frustriert abwinken, wenn es nun um die Unterstützung der Schulen bei der Integration ukrainischer Kinder und Jugendlicher geht. „Wir müssen befürchten, dass das Gleiche wieder passieren wird“, warnt Markus Erlinger, Vorsitzender des BLLV Mittelfranken, vor einem erneuten Antrags-Chaos. Der Wille zu helfen sei zwar da, doch hätten viele Pädagogen schlechte Erfahrungen gemacht.

Ausbaden müssen das die Lehrerinnen und Lehrer, die an den Schulen weiter Dienst tun: Dort herrschte schon vor Corona Personalmangel, nun stehen sie mit der Aufnahme teils schwer traumatisierter Kinder aus der Ukraine erneut vor einer Mammutaufgabe. Während man sich nun also an den Schulen vor Ort mit viel Herz und Einsatz auf der letzten Rille um pragmatische Lösungen bemüht, lässt das Kultusministerium verlauten, es habe „bereits die notwendigen Verfahrensschritte und Unterlagen auf Verschlankung geprüft und diese entsprechend angepasst.“

Hoffentlich hilft es.

» zum Artikel auf sueddeutsche.de

Deutschlandfunk

"Aushilfskräfte an Schulen: Aufgeblähte Bürokratie und Warten auf Entlohnung"

Der Deutschlandfunk berichtet über eine Autorin und Moderatorin, die sich auch aufgrund eines früheren Studiums fürs Grundschullehramt in Nordschwaben zunächst in die Notbetreuung einbrachte und später im Programm „gemeinsam.Brücken.bauen“ sowie in der Sommerschule als Unterstützungskraft. Sie musste für jede Tätigkeit erneut seitenlange Anträge ausfüllen und kann bis heute nicht nachvollziehen, ob für jeden ihrer Einsätze das Geld eingegangen ist.

Jutta Bär, BLLV Kreisvorsitzende in Hof, berichtet von einer Lehrerin, die dieser Tage endlich einen Vertrag für eine Tätigkeit im Rahmen von „gemeinsam.Brücken.bauen“ erhalten hat. Gearbeitet hat sie seit 12. Mai 2021 – und Geld geht erst ein, wenn ein Vertrag vorliegt. Das ist die Regel, sagt Jutta Bär: „Es sind eher Einzelfälle, die ihren Vertrag schnell bekommen haben.“ Viele Kolleginnen und Kollegen wüssten bis heute noch nicht einmal, wie viel sie überhaupt verdienen – wenn dann irgendwann Geld ankommt.

27 Seiten Vertrag für eine Woche Unterstützung - Wer tut sich das an?

Henrik Schödel, Vorsitzender des BLLV Oberfranken, beschreibt den bürokratischen Aufwand so: „Das Problem ist natürlich, dass das sehr kurzfristige Verträge sind. Es kommt jemand in die Schulleitung, wir werden uns relativ schnell einig. Dann bekommt die Person zig Dateien – ich glaube, 27 Seiten sind es insgesamt – die sie ausfüllen muss.“ Das ist für eine beispielsweise einwöchige Zusammenarbeit natürlich ein völlig unverhältnismäßiger Aufwand.

Und der schreckt eben potenzielle Kandidaten in einer Zeit ab, in der die Schulen händeringend Hilfe suchen: „Es geht ja jetzt weiter mit den ukrainischen Willkommenskräften“, gibt Henrik Schödel zu bedenken. „Das läuft jetzt an, bayernweit kommen da schon 300 in Frage. Die müssen genauso bearbeitet werden.“

Die Versprechungen der Politik, man werde bei der Hilfe für ukrainische Flüchtlinge unbürokratisch und pragmatisch handeln, ist also bisher wenig zu spüren…

» Zum Beitrag im Deutschlandfunk