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Ängste ernstnehmen, Mythen enttarnen, Flüchtlinge aufnehmen

Was der Russland-Ukraine-Krieg mit Schülerinnen und Schülern macht, können Lehrkräfte pädagogisch sensibel begleiten, Wissen und Haltung vermitteln. Flüchtlingskinder brauchen besondere Zuwendung – trotz widriger Umstände.

„Wir Lehrerinnen und Lehrer spüren, das Schülerinnen und Schüler reden wollen – wie immer, wenn es gesellschaftliche Krisen gibt“, berichtet BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann gegenüber Vertretern bayerischer Radiosender vom derzeitigen Alltag an Schulen unter dem Eindruck der erschreckenden aktuellen Geschehnisse in der Ukraine.

„Jetzt haben wir eine kriegerische Auseinandersetzung in Europa – so nah wie nie, auch so beängstigend wie nie – unser Mitgefühl, unsere Solidarität und unsere Haltung als Lehrerinnen und Lehrer muss und soll dazu deutlich werden“, beschreibt Fleischmann den pädagogischen Auftrag, den Kolleginnen und Kollegen wahrnehmen und erfüllen, so wie ihm sich der BLLV in seinen Positionen zur Demokratiepädagogik und mit seinem Manifest HALTUNG ZÄHLT verschrieben hat: „Lehrerinnen und Lehrer nehmen diese Themen mehr als ernst“, betont die BLLV-Präsidentin entsprechend. „Wir haben einen Bildungs- und Erziehungsauftrag, das ist jetzt eine Kernaufgabe. Wir müssen das pädagogisch professionell und altersangemessen für die jeweiligen Schülerinnen und Schüler zum Thema machen.“

Einfühlen, kritische Medienkompetenz vermitteln, in Dialog treten

Dabei geht es aber um deutlich mehr als nur geeignetes Unterrichtsmaterial zu finden (das der BLLV in Auswahl hier bereitstellt), betont Simone Fleischmann: „Viel wichtiger ist es, Ängste und Sorgen ernstzunehmen – manchmal auch Mythen und Fake News erkennen zu helfen und geradezurücken. Es geht darum wahrzunehmen: Wo sind meine Schülerinnen und Schüler unterwegs? Der Dialog darüber ist wichtiger als das beste Material!“

Jede einzelne Schülerin und jeder einzelne Schüler muss dabei mit den jeweils unterschiedlichen Gedanken, Ängsten und Sorgen in den Blick genommen werden. Gerade jetzt ist schülerzentrierte Pädagogik von großer Bedeutung: „Wir müssen nah an den Schülerinnen und Schülern sein und das können wir – als Lehrerinnen und Lehrer wissen wir alle genau, wie wichtig unsere Haltung, unsere Beziehung zu den Schülerinnen und Schülern ist“, sagt Simone Fleischmann.

Begleiten aber nicht überfordern

Neben einer empathischen, individuellen Begleitung gilt es aber auch zu erkennen, in welchem Maß und in welcher Frequenz der Krieg thematisiert werden soll. „Das Thema muss definitiv in jede Klasse, in jedes Klassenzimmer – aber immer nur in der Tiefe, Breite und Betroffenheit, die diese Kinder jeweils brauchen“, betont die BLLV-Präsidentin. „Das einzuschätzen liegt im pädagogischen Geschick, in der pädagogischen Sensibilität von uns Lehrerinnen und Lehrern. Die haben wir und die leben wir.“

Sensibilität und Empathie werden erst recht entscheidend sein, wenn Kinder und Jugendliche, die vor Gewalt und Krieg geflüchtet sind, in bayerischen Schulen ankommen. „Was bedeutet es eigentlich für ein Kind, das jetzt mit der Mama und der Oma, aber ohne Vater, hier angekommen ist, und jetzt hier, beispielsweise in München, in die Schule geht – und noch nicht einmal weiß, ob es eigentlich hierbleiben wird?“, beschreibt Simone Fleischmann eine Gefühlslage, in die es sich zuerst einmal hineinzuversetzen gilt, bevor man über Schulstoff nachdenkt.

Großer Einsatz für Flüchtlingskinder

In Sachen Unterricht könne man dabei auf Erfahrungen zurückgreifen: „Jede Schule vor Ort wird sich überlegen, ob sie Formate und Unterrichtsangebote wählen können, die wir aus der Flüchtlingsbeschulung von 2015 kennen“, sagt Simone Fleischmann.

Allerdings habe sich die Situation an den Schulen seitdem deutlich verändert, und das leider nicht zum Guten. Gerade weil Solidarität, Mitgefühl und Haltung so wichtig sind, um geflüchteten Kindern und Jugendlichen zu begegnen, müsse das auch offen eingeräumt werden: „Es tut mir sehr leid das sagen zu müssen, aber es gehört zur Wahrheit und zur Ehrlichkeit: Wir leben noch in der Corona-Krise und wir haben leider auch noch den Lehrermangel an Grund-, Mittel- und Förderschulen“, stellt Simone Fleischmann klar und konkretisiert: „Es sind enorm erschwerte Bedingungen, diesen Kindern so zu begegnen, wie sie es bräuchten: mit Herzlichkeit und Offenheit. Denn, nein, unser Gesicht ist hinter der Maske, das Schul-Setting ist völlig abnormal, und dann auch noch mit zu wenig Lehrerinnen und Lehrern.“

Das Ziel von bayerischen Lehrkräften ist aber auch unter erschwerten Umständen ganz klar, betont die BLLV-Präsidentin: „Wir werden trotzdem alles geben – wieder und erneut – dass diese Kinder bei uns aufgenommen werden.“

Gesprächspartner waren unter anderem Radio Charivari, Radio Arabella, Radio Schwaben, extra-radio, Euroherz, RSA Radio, Radio Eins, extra-radio, Radio AWN

Mehr erfahren

BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann auf der Solidaritätskundgebung mit der Ukraine in München:
„Gemeinsam ein Zeichen setzen“ (Link zu Facebook.com)

Der Vositzendes des BLLV-Dachverbands VBE, Udo Beckmann, stellt klar, wie Schulen für das Aufnehmen von Flüchtlingen vorbereitet und ausgestatt werden müssen:
„Die Politik muss in einer Verantwortungsgemeinschaft aus Bund, Ländern und Kommunen schnellstmöglich geeignete Maßnahmen ergreifen und die Schulen in die Lage versetzen, Flüchtlingskinder aufzunehmen. Es braucht vor allem die kurzfristige Bereitstellung zusätzlicher Ressourcen, die die Schulen unbürokratisch abrufen können. Wir wissen, dass die vorhandenen Raumkapazitäten bereits jetzt kaum ausreichen und dass das pädagogische Personal in den Schulen durch Corona seit zwei Jahren über Gebühr belastet ist. Wir sind sicher, dass die Lehrkräfte trotzdem alles tun werden, um geflüchteten Kindern und Jugendlichen bestmögliche Bildungschancen zu ermöglichen. Bereits 2015 hat sich gezeigt, wie wichtig es ist, dass Lehrkräfte auf die Beschulung von Kindern vorbereitet werden, die vom Horror dessen, was derzeit in der Ukraine passiert, traumatisiert sind, die Familienmitglieder verloren haben und entwurzelt wurden. Hinzu kommt die Sprachbarriere. Für all dies benötigen die Schulen dringender denn je die Unterstützung durch multiprofessionelle Teams aus Schulpsychologinnen und -psychologen, Schulsozialarbeiterinnen und -arbeitern sowie Schulgesundheitsfachkräften. Besonders wichtig ist auch, dass genügend Lehrkräfte für Deutsch als Fremdsprache zur Verfügung stehen und die Schulen für die notwendige Kommunikation mit Eltern und Schülerinnen und Schülern flexibel auf Dolmetscherinnen und Dolmetscher zugreifen können.“
» Die Pressemitteilung des VBE

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