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Pädagogisch sinnvoll lösen darf nicht zum Unterschätzen führen

Eine forsa-Umfrage belegt, dass Gewalt gegen Lehrkräfte stark zugenommen hat. Dass das Problem unterschätzt wird, kommt auch daher, dass den Beteiligten pädagogisch oft mit einer „stillen“ Lösung besser geholfen ist, stellt BLLV-Präsidentin Fleischmann klar.

Im Rahmen des Deutschen Schulleiterkongresses hat der BLLV-Dachverband VBE (Verband Bildung und Erziehung) neue Zahlen zur Berufszufriedenheit unter Lehrkräften vorgelegt, die regelmäßig vom Meinungsforschungsinstitut forsa bundesweit und bundeslandspezifisch erhoben werden. Der Fokus lag dieses Jahr auf dem Thema „Gewalt gegen Lehrkräfte“. Demnach kam es in der Hälfte der bayerischen Schulen in den letzten fünf Jahren zu Fällen psychischer Gewalt, an einem Drittel zu Fällen von Cyber-Mobbing und an einem Viertel der Schulen zu gewalttätigen körperlichen Angriffen auf Lehrkräfte oder Schulleitungen. Die Hälfte der Befragten in Bayern gab an, dass die Fallzahlen seit Beginn der Pandemie zugenommen haben.

Im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung schildert BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann Beispiele: "Eine Zweitklässlerin schlägt die Sportlehrerin mit dem Turnbeutel krankenhausreif, ein Drittklässler bricht der Lehrerin aus Frust den Arm." Fleischmann warnt: "Gewalt an Schulen in Bayern ist leider an der Tagesordnung und gleichzeitig immer noch ein Tabuthema."

Professionelles Konflikt- und Aggressionsmanagement braucht Personal und Zeit

Dagegen zeigt sich beispielsweise Walter Baier, Chef der Direktorenvereinigung der Gymnasien, überrascht, dass das bayerische Kultusministerium keine Zahlen zum Thema erfrage und sieht Gewalt nicht als großes Thema in seinem Verband.

Dass das Problem teils nicht als so gravierend erkannt wird, wie es faktisch ist, rührt aus Sicht des BLLV auch daher, dass Betroffene im Zweifel Pädagogik vor Transparenz stellen und den Konflikt häufig direkt vor Ort und auf Deeskalation bedacht befrieden, betont Simone Fleischmann: "Wenn die Polizei kommt, steht das in der Zeitung. Eine pädagogische Lösung hilft dem Kind, der Klasse und den Lehrern oft eher." Denn Priorität sei eben im Zweifel nicht die korrekte Erhebung von Fallzahlen und minutiöse Dokumentation: "Die Schulleiter brauchen keine weitere Abfrage des Ministeriums, die brauchen Hilfe", stellt Fleischmann klar und präzisiert: "Multiprofessionelle Teams, externe Experten, mehr Personal. Damit diese Kinder lernen, anders mit Konflikten und Aggression umzugehen."

Verschweigen und Verharmlosen hilft nicht weiter

Aus Sicht des BLLV ist klar: Pädagogische Lösungen sind für alle Beteiligten wichtig, dürfen aber nicht dazu führen, dass das Thema insgesamt verharmlost wird. Es braucht öffentlich einsehbare Statistiken und ein Strafrecht, das Übergriffe gegen Beschäftigte im öffentlichen Dienst deutlich sanktioniert, wie der BLLV bereits 2019 in seiner Resolution "Gewalt gegen Lehrkräfte" gefordert hat.

Ein klares Indiz, dass die Staatsregierung das Problem inzwischen erkannt hat, ist, dass das für Beamte zuständige Finanzministerium Ende 2020 mit dem BLLV-Dachverband bbb (Bayerischer Beamtenbund) ein Schutzprogramm entwickelt hat. Darüber hinaus wird auf Hinwirken des BLLV im Frühjahr eine 70-seitige Handreichung für Schulleitungen und Lehrkräfte erscheinen, die juristische Wege aufzeigt und Hinweise für den Umgang mit Gewalt gibt.

Simone Fleischmann betont: "Das ist eine Frage der Wertschätzung und des Respekts!"

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