Was wurde in Bayern bisher erreicht?
Dieses Positionspapier beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit der schulischen Inklusion. Selbstverständlich ist Inklusion in allen Bildungseinrichtungen umzusetzen. Für den Schulbereich wurde im Jahr 2011 im Bayerischen Erziehungs- und Unterrichtsgesetz (BayEUG) eine gesetzliche Grundlage für die gemeinsame Beschulung von Kindern mit und ohne Beeinträchtigungen geschaffen.
Schüler/innen mit Beeinträchtigungen besuchen Partnerklassen, Kooperationsklassen, Profilschulen und Regelklassen. Es wurden Schulen mit dem Schulprofil "Inklusion" (Art. 30b) geschaffen, etwas später die flexible Eingangsstufe der Grundschule, die als beispielhaft anzusehen ist. Einzelne Schulen oder Regionen entwickeln gute inklusive Konzepte.
Die Änderung des BayEUG hatte nach den eigenen Erklärungen der Bayerischen Staatsregierung nur den Rang eines Zwischenschritts auf dem Weg zur Inklusion. Die notwendige inhaltliche Weiterentwicklung ist jedoch derzeit aus Sicht des Forum Bildungspolitik in Bayern nicht erkennbar.
Folgende Probleme sind aus Sicht des Forum Bildungspolitik in Bayern zutage getreten:
- Partnerklassen, Kooperationsklassen und Profilschulen bündeln weiterhin Kinder mit Beeinträchtigungen und befinden sich zumeist – wie auch aufnehmende Regelklassen – nicht am Wohnort des betroffenen Kindes.
- Die Zahl der Schülerinnen und Schüler an Förderschulen hat im Verhältnis zur Gesamtzahl der Schülerinnen und Schüler nicht abgenommen.
- Die Zahl der Schülerinnen und Schüler mit Beeinträchtigungen hat insgesamt stark zugenommen.
- Die Zahl der Schülerinnen und Schüler mit Beeinträchtigungen an weiterführenden Schulen ist äußerst gering.
- Durch die stark unterschiedliche Ausstattung der Angebote haben Eltern keine wirklich freie Wahl zwischen Förderschule und allgemeiner Schule.
- Den allgemeinen Schulen fehlen unterstützende pädagogisch qualifizierte Kräfte.
- Lehrerfortbildungen im Schnellverfahren greifen zu kurz.
- Die Vermittlung inklusiver Kompetenzen in der Lehrerbildung, insbesondere an den Universitäten, verläuft schleppend, es gibt weder Standards noch Kontrollen. Inklusionsanforderungen der LPO werden offenbar nicht eingehalten.
- Von öffentlicher Seite werden Eltern bei der Organisation eines inklusiven Schulbesuchs nicht ausreichend unterstützt und genehmigt Hilfen nur restriktiv. Dies stellt Eltern vor hohe bürokratische Hürden und benachteiligt sie.
- Eltern, die Inklusion wählen, haben bei Therapie, medizinischer Versorgung, Pflege sowie der Betreuung von Geschwisterkindern höchste organisatorische Hürden zu bewältigen. Dies bedeutet eine große familiäre Belastung.
- Eltern werden über ihre Rechte und die Rechte ihrer Kinder nicht ausreichend aufgeklärt.
- Die Zusammenarbeit zwischen Lehrkräften und Eltern ist zu oft unbefriedigend und genügt zu selten den Anforderungen der hier erforderlichen Partnerschaft.
- Die Kooperation von Bildungs- und Sozialbereich genügt nicht. Außerhalb von Sondereinrichtungen sind viele Ressourcen schwer oder gar nicht zu bekommen. Beispiel 1: Kinder mit Beeinträchtigungen werden durch Verweigerung von Assistenzkräften von nicht verpflichtenden Nachmittagsangeboten ausgeschlossen. Beispiel 2: Beförderung und notwendige Begleitung von Kindern zu inklusiven Angeboten müssen häufig erst auf dem Rechtsweg durchgesetzt werden, oder Eltern müssen selbst in die Bresche springen.
- Kinder mit Beeinträchtigungen werden in allgemeinen Schulen häufig nicht nach dem individuellen Förderplan gem. BayEUG Art. 30 a, sondern weiter nach Lehrplänen der Förderschule unterrichtet. Dies stellt keinen inklusiven Unterricht dar.
- Der Grundgedanke, dass Inklusion alle Schülerinnen und Schüler betrifft – und nicht nur jene mit Beeinträchtigungen – ist zu wenig verbreitet. So stehen pädagogische Förderangebote für Kinder mit Beeinträchtigungen (z.B. individuelle Leistungsbeschreibung anstelle von Noten) anderen Schülerinnen und Schülern nicht zur Verfügung. Derartige Sonderrechte befördern zwar die Integration, echte Inklusion wird dadurch jedoch nicht erreicht.
- Ein gegliedertes Schulwesen mit Zugangsbeschränkungen ist für die Inklusion nicht förderlich steht der Inklusion grundsätzlich im Weg.