Reality Check

Was Horst Seehofer versprochen hat - und was passiert ist

In den Koalitionsvereinbarungen von CSU und FDP aus dem Jahr 2008 waren 10 von 71 Seiten der Bildung gewidmet. In der Regierungserklärung von Horst Seehofer vom 12. November 2013 im Bayerischen Landtag war Bildung nur noch einer von mehreren Unterpunkten unter dem Aspekt „zunehmende Internationalisierung“ – mit etwas mehr als drei von 28 Seiten. Der BLLV hat verglichen: was hat Seehofer vor fünf Jahren versprochen – was davon ist eingehalten worden.*

REFORMEN

 

Unsere Schulen sollen nach Jahren der ständigen Veränderungen jetzt in Ruhe arbeiten können. Deshalb wird es in den nächsten Jahren keine neuen Schulreformen geben.

 

Veränderungen gab es seit 2013 sicher viele, etwa die Umsetzung eines kompetenz-orientierten Lehrplans. Eine wirklich schulstrukturelle Reform stellt die Rückkehr zum G9 in Bayern dar. „In Ruhe arbeiten“ war bis zum endgültigen Beschluss jedoch schwierig. Die Einführung immer neuer Modelle, wie das Flexibilisierungsjahr oder die Mittelstufe Plus, sorgten eher für anhaltende Unruhe in den Gymnasien.


GRUNDSCHULGARANTIE

 

Jede rechtlich selbstständige Grundschule in Bayern bleibt bestehen, wo Eltern und Gemeinden dies wünschen. Das ist nicht nur gut für die Kinder, sondern auch für die Zukunft des ländlichen Raums.

 

Aus einer schriftlichen Anfrage an den Bayerischen Landtag (Drs. 17/7859) geht hervor, dass in den Jahren 2013 und 2014 einige Grundschulen in Bayern geschlossen wurden. Allerdings ist nicht ersichtlich, welchen Status die Schulen hatten. Die Grundschulgarantie erstreckt sich nämlich nicht auf rechtlich unselbständige Außenstellen. Generell besteht in Bayern immer noch das Problem der „Quersubventionierung“ kleiner und oftmals ländlicher Grundschulen bei der Lehrerstundenzuweisung. Dadurch wird zwar gewährleistet, dass kleinere Grundschulen zumindest den Pflichtunterricht anbieten können, allerdings auf Kosten größerer Schulen. Und es löst langfristig nicht die schulstrukturellen Herausforderungen vieler Grundschulstandorte.


GANZTAGSSCHULE

 

Ganztagsgarantie: Bis 2018 gibt es in allen Schularten für jede Schülerin und jeden Schüler bis 14 Jahre ein bedarfsgerechtes Ganztagsangebot.

 

Im Schuljahr 2017/18 hatten von rund 4.600 allgemeinbildenden Schulen im Freistaat knapp 1.100 die Möglichkeit gebundene Ganztagsangebote einzurichten. Darüber hinaus gab es 6.250 Gruppen im offenen Ganztag. 252.900 Schülerinnen und Schüler wurden im Schuljahr 2016/17 ganztags beschult, das entspricht 22,1% aller Kinder und Jugendlichen in den Schulen. Bundesweit liegt die Quote der Ganztagsbeschulung bei 42,5%. Dabei gibt es in Bayern große Unterschiede je nach Schulform: In der Grundschule wurden 24,6% aller Kinder ganztags beschult (deutschlandweit 40,1%), in der Mittelschule 29,8% (41,4%), in der Realschule 11,5% (20,6%), im Gymnasium 15,6% (33,2%) und in den Förderzentren 41,1% (56,3%). In Bayern sind lediglich 92.500 Schülerinnen und Schüler im gebundenen Ganztag (8% der Gesamtschülerschaft), die restlichen 160.400 im offenen Ganztag (gesamt 14%).


INKLUSION

 

Wir wollen die Inklusion von Kindern mit Behinderung. Die Eltern kennen ihr Kind mit seinen Fähigkeiten am besten. Deshalb soll ihnen das Wahlrecht zwischen Förderschule und allgemeiner Schule mit Inklusion zustehen.

In Bayern gab es 2017 rund 54.500 Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf an den Förderzentren und rund 19.400 an den allgemeinen Schulen. Insgesamt stieg die Zahl der Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf in den vergangenen zehn Jahren um etwa 5.000 an. Seit 2011, also zwei Jahre nach der Ratifizierung der UN-Konvention, gibt es in Bayern das Wahlrecht der Eltern zwischen Förderzentrum und allgemeiner Schule – zumindest theoretisch. Denn die Möglichkeiten der individuellen Förderung und Unterstützung sind kaum miteinander vergleichbar. Für allgemeine Schulen werden oftmals nicht die Rahmenbedingungen zur Verfügung gestellt, um Inklusion erfolgreich umsetzen zu können. Das sehen nicht nur die Lehrerinnen und Lehrer, sondern auch die Eltern. Das Wahlrecht steht damit eigentlich nur auf dem Papier.


DIGITALISIERUNG

Wir nutzen die neue Technik für den digitalen Unterricht, zum Beispiel mit einem virtuellen Bildungsmedienzentrum. Unsere rund 6.100 Schulen werden wir an ein zentrales Bildungsnetz anbinden. Unsere jungen Menschen sollen die Neuen Medien von Anfang an mit altersentsprechender Kompetenz und Fertigkeit benutzen können und nicht umgekehrt von den Medien beherrscht werden. Wir wollen sie in unseren Bildungseinrichtungen von Anfang an dafür fit machen und damit die Medienkompetenz der Schülerinnen und Schüler weiter ausbauen.

Das Thema Digitalisierung und Schule ist in den vergangenen Jahren viel diskutiert worden. 2014 hat das Kultusministerium das Internetportal „mebis“ gelauncht, im Jahr 2017 wurden im Masterplan Bayern Digital I Schlüsselinitiativen in drei Bereichen angestoßen. Dazu gehörte der Bereich Bildung nicht. Wie sich diese Tatsache auswirkt, hat eine große BLLV-Befragung zum Thema Digitalisierung und Schule Ende 2016 gezeigt. Viele Lehrkräfte gaben an, sie sähen Vorteile bei der Verwendung von digitalen Hilfsmitteln, allerdings stimmten die Rahmenbedingungen in Bayern nicht. Insbesondere forderten sie mehr Ressourcen für Systembetreuung, eine bessere Ausstattung der Schulen mit digitalen Medien und hochwertigere Fortbildungen waren drei zentrale Ergebnisse der Studie.

Der BLLV sieht deshalb für die neue Staatsregierung ab Oktober 2018 weiteren Handlungsbedarf in diesen zentralen Bereichen von Schule und Bildung.

Konkrete Lösungen des BLLV finden Sie hier

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* Dieser Beitrag ist der bayerischen schule 5/2018 entnommen