Der lange Weg zum Islamunterricht

Mangels geeigneter Lehrkräfte, nicht vorhandenen Lehrplänen und fehlender Unterrichtsmittel wurden muslimische Kinder bis weit in die 80er Jahre für das Fach Ethik verpflichtet. Religiöse muslimische Bildung und Erziehung wurde bestenfalls neben der Schule angeboten. Seit 1999 fordert der BLLV deshalb, den Islamunterricht an die Schulen zu holen.

Beitrag von Manfred Schreiner*

Seit den 1960er Jahren befinden sich muslimische Schülerinnen und Schüler in unseren Schulen in Bayern. Auf eine religiöse Bildung und Erziehung für Muslime war das Schulwesen allerdings nicht vorbereitet. Die Zahl der betroffenen Muslime stieg von Jahr zu Jahr.

Mangels geeigneter Lehrkräfte, nicht vorhandenen Lehrplänen und fehlender Unterrichtsmittel wurden bis weit in die 80er Jahre muslimische Kinder mehr oder minder freiwillig, oft auch aus stundenplantechnischen Gründen, für das Fach Ethik verpflichtet. Religiöse muslimische Bildung und Erziehung wurde bestenfalls neben der Schule, d.h. ohne staatliche Schulaufsicht und ohne qualifizierte Lehrkräfte, von vermeintlich muslimischen Organisationen vor Ort in der Regel didaktisch hilflos ohne interkulturelle Kompetenz und mit fragwürdigen Inhalten in so genannten "Koranschulen" angeboten.

Eine Antwort auf diese Problematik war die islamische religiöse Unterweisung in türkischer Sprache mit einem türkischen Lehrplan und gegeben von der Türkei entsandten Lehrkräften im muttersprachlichen Ergänzungsunterricht. Da die Inhalte dieser Unterweisung sehr nationalistisch geprägt waren und mehr oder minder auf eine Art "türkischen Staatsislam" abzielten und alle Muslime, die nicht türkisch sprachen, ausschloss, hatte diese Unterrichtsform mit den Jahren immer mehr an Akzeptanz verloren.

Mit dem BLLV Lehrpläne entwickelt

Anfang dieses Jahrhunderts wurde diese türkisch-islamische Unterweisung folgerichtig ersetzt durch eine "religiöse Unterweisung türkischer Schüler muslimischen Glaubens in türkischer Sprache" und eine "islamische Unterweisung in deutscher Sprache." Hierfür wurden mit Beteiligung des BLLV Lehrpläne entwickelt, welche die Glaubenswahrheiten des Islam ebenso vermittelten wie die Akzeptierung unserer demokratischen Grundord-nung und friedliches Zusammenleben der Religionen.

Seit 1999 fordert der BLLV einen Islamunterricht, der

  • mit den Vorgaben des Grundgesetzes (Art. 7 Abs. 3) und der Verfassung des Freistaates Bayern (Art. 136 f) korrespondiert,

  • in deutscher Sprache erteilt wird,

  • von qualifizierten Lehrkräften mit staatlicher Lehrbefähigung erteilt wird, die für diesen Unterricht an deutschen Universitäten im Rahmen des Lehramtsstudiums ausgebildet sind,

  • der deutschen, staatlichen Schulaufsicht unterliegt,

  • staatlich genehmigte Lehrpläne verwendet.
Das Erlanger Modell

Im Sommer 2002 wurde hierzu unter Federführung des BLLV eine entsprechende Petition zusammen mit den beiden Kirchen initiiert. Die Antwort der Staatsregierung war seit Schuljahr 2004/05 das Erlanger Modell, d.h. ein Islamunterricht, der den o.a. Forderungen des BLLV entsprach und, deutschlandweit erstmalig, Inhalte mit Muslimen vor Ort absprach. Wie bei allen Lehrplänen vorher, war auch hier der Integrationsbeauftragte des BLLV stellvertretender Vorsitzender der entsprechenden Fachkommissionen. Dieses Erlanger Modell wurde jährlich ausgeweitet, auch auf Realschule und Gymnasium. Daneben wurden aber weiterhin die zwei "islamischen Unterweisungen" angeboten.

Mit seiner Petition vom Januar 2009 "Religionsunterricht ist Verfassungsauftrag" hat der BLLV das Erlanger Modell flächendeckend durchgesetzt und die Einstellung der bisheri-gen Unterrichtsformen für islamische Unterweisung erreicht. Folgerichtig wurde im Schuljahr 2009/10 offiziell der Modellversuch "Islamischer Unterricht in deutscher Sprache" mit eigenen Fachlehrplänen fußend auf dem "Erlanger Modell" gestartet.

Schulversuch bis 2019 genehmigt

Dieser Schulversuch ist noch bis 2019 genehmigt und wurde im Schuljahr 2016/17 an 219 Grundschulen, 112 Mittelschulen, 4 Realschulen und 2 Gymnasien für insgesamt rund 15 000 Schülerinnen und Schüler angeboten. Wenn dieser Modellversuch aufgrund seiner Akzeptanz zwar von der Öffentlichkeit als Religionsunterricht für Muslime betrachtet wird, so handelt es sich doch nicht um einen gesetzeskonformen regulären Religionsunterricht. Hauptursache hierfür ist die Problematik des konfessionellen Ansprechpartners gem. Artikel 7 Grundgesetz.

Der BLLV fordert die Staatsregierung auf, die Voraussetzungen für die Überführung des Modellversuchs in ein Regelangebot zu schaffen und bietet hierfür seine Hilfe an.

 

*Zur Person

Manfred Schreiner, ehemaliger Schulleiter, leitete von 1987 bis 2009 das Amt für Volks- und Förderschulen der Stadt Nürnberg und ist seit 1980 Lehrbeauftragter für interkulturelle Pädagogik an der Universität Erlangen-Nürnberg.

Er ist Ehrenmitglied des BLLV und hat in seiner Eigenschaft als BLLV-Integrationsbeauftragter das Thema "Islamischer Unterricht" über Jahre hinweg betreut, und damit wesentlich zu dessen Etablierung an den bayerischen Schulen beigetragen.