"Familienfreundlichkeit entscheidend"

Kultusminister Bernd Sibler war selbst Lehrer an einem Gymnasium in Deggendorf und kennt Schule nicht nur von außen. In einer seiner jüngsten Reden erklärte er, dass Schule in Bayern „vielfältige Möglichkeiten für ganz persönliche Zukunftsentwürfe“ biete. Wir wollten wissen, ob das auch für Frauen im Lehrerberuf gilt. Für unser Webdossier stand er Rede und Antwort.

Familie und Beruf gut vereinbaren können - davon träumen die meisten Frauen. Auch die Lehrerinnen in Bayern. Wie ist die Realität?

Familienfreundlichkeit ist für mich ein entscheidender Punkt. Die Möglichkeit, in Teilzeit zu unterrichten, spielt dabei eine ganz wichtige Rolle. Diese nutzt auch über die Hälfte unserer Lehrerinnen. Mit unserem Gesetz zur weiteren Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf haben wir die Rahmenbedingungen seit 2015 noch weiter verbessern können. Einen weiteren Schritt in Richtung "mehr Familienfreundlichkeit" haben wir mit dem Angebot zur Zweitqualifizierung in familienpolitischer Teilzeit gemacht. In diese Richtung werden wir weiterarbeiten.

Stichwort Teilzeit: Viele Lehrerinnen fühlen sich finanziell benachteiligt. Sie kümmern sich neben den Job auch noch um die Familie - stehen im Alter aber mit deutlich weniger Geld da als ihre männlichen Kollegen. Finden Sie das gerecht?

Arbeit und Beruf können sicherlich eine Doppelbelastung darstellen - das trifft wohl auf alle Berufe zu. Dass Teilzeitbeschäftigte - das gilt für Frauen und Männer in gleicher Weise - beim Ruhegehalt andere Voraussetzungen mitbringen als Vollzeitbeschäftigte, kann man nicht wegdiskutieren. Aber dafür haben wir etwa mit dem Kindererziehungszuschlag oder dem Pflegezuschlag ein höheres Ruhegehalt von Teilzeitbeschäftigten ermöglicht. Herausstellen möchte ich dabei: Teilzeitmodelle können Frauen genauso wie Männer nutzen. Jede Familie entscheidet für sich nach ganz individuellen Überlegungen, wie Familienleben und Beruf am besten unter einen Hut gebracht werden können. Die Teilzeitbeschäftigung steht Männern ja genauso offen. Klar ist auch, dass die bayerische Beamtenversorgung und die gesetzliche Rentenversicherung nicht nach Geschlechtern unterscheiden.

Für Aufregung sorgen immer wieder die Dienstlichen Beurteilungen. Lehrerinnen, die Teilzeit beschäftigt sind, fühlen sich auch hier im Nachteil. Fakt ist, dass sie tatsächlich schlechter bewertet werden. Woran liegt das?

Beurteilungen erfolgen nach Eignung, Leistung und Befähigung. 2014 haben wir die Beurteilungsergebnisse ausgewertet. Dabei wurde deutlich, dass auch Teilzeitkräfte Spitzenprädikate erhalten. Wir machen auch deutlich, dass sich z.B. Teilzeit oder Beurlaubung nicht nachteilig auf die Beurteilung auswirken darf und die gleichen Grundsätze für die Beurteilung gelten wie für Vollzeitbeschäftigte. Im Sinne der Gleichbehandlung ist es natürlich so, dass Teilzeitkräfte die Qualitätskriterien genauso erfüllen müssen wie Vollzeitkräfte. Das kann für Teilzeitkräfte mit Familie auch eine Herausforderung sein.

Funktionsstellen sind für Frauen in Teilzeit quasi tabu - Familie und Schulleitung passen nicht unter einen Hut. Gleichzeitig wird es immer schwieriger, frei gewordene Stellen nach zu besetzen. Wie könnte nach gebessert werden?

Grundsätzlich gilt: Teilzeitbeschäftigung darf das berufliche Fortkommen nicht beeinträchtigen. Hierbei ist ausschließlich das Leistungsprinzip entscheidend. Die Möglichkeiten, Teilzeitarbeitsplätze zu schaffen - auch für Stellen mit Vorgesetzten- und Leitungsfunktion - sind gesetzlich ausdrücklich vorgesehen. Durch diese Regelungen wird der Weg für eine Verbesserung der Beförderungschancen für Teilzeitkräfte bereitet. Ich ermuntere im Gespräch mit Schulleitungen auch immer wieder dazu, dieses Thema in den Blick zu nehmen.

Der BLLV schlägt vor, Einsatzmöglichkeiten flexibler zu gestalten - wäre das eine Option für Sie?

Möglichkeiten für flexible Lösungen an den Schulen gibt es, wie bspw. einen unterrichtsfreien Tag für Teilzeitkräfte. Die Lehrerdienstordnung eröffnet Spielräume für die Organisation des Stundenplans vor Ort. Ein wichtiger Faktor ist schließlich die konkrete Situation an den einzelnen Schulen.

Welche Chancen sehen Sie diesbezüglich im Ganztag?

Sicherlich können sich im gebundenen Ganztag weitere Möglichkeiten ergeben. Auch hier können die Schulen entsprechend ihren individuellen Rahmenbedingungen vor Ort flexibel agieren.

Eine Gender-Befragung des BLLV hat u.a. ergeben, dass knapp 30% der befragten Lehrerinnen Erfahrungen mit sexueller Belästigung am Arbeitsplatz gemacht haben. Das Ergebnis hat uns selber negativ überrascht. Wie können sich Lehrerinnen schützen und was unt

Gewalt an unseren Schulen - egal welcher Art und egal gegen wen gerichtet - dulden wir nicht. Auch sexuelle Belästigung ist eine Form von Gewalt. Ich möchte alle Betroffenen ermutigen, die vorhandenen Unterstützungsangebote zu nutzen und sich vertrauensvoll an die Ansprechpartner zu wenden, bspw. an die unmittelbaren Vorgesetzten oder die Personalvertretung. Auch Schulpsychologinnen und -psychologen oder das Kriseninterventions- und Bewältigungsteam bayerischer Schulpsychologinnen und psychologen (KIBBS) können helfen. Mit Blick auf die möglicherweise als traumatisch erlebte Situation ist es absolut wichtig, dass Betroffene Hilfe finden und selbst entscheiden können, an wen sie sich wenden.

Das Interview führte Andrea Schwarz, Pressereferentin im BLLV.

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