"Wir brauchen mehr Frauen in den vorderen Reihen"

Gerd Nitschke ist Vizepräsident des BLLV. Als zuständiges Präsidiums-mitglied für die Abteilung Dienstrecht und Besoldung (ADB) berät er Frauen seit 20 Jahren zum Thema Mutterschutz und Elternzeit. Auch als Vorstands-mitglied des Hauptpersonalrats kennt er viele Einzelfallgeschichten aus der Arbeitswelt „Schule“.

Man nennt Sie den Frauenversteher, Herr Nitschke. Wie kommt das?

Ich glaube, mit dem Begriff „Frauenversteher“ will man mich ein wenig aufziehen. Ich bin seit 20 Jahren im Bereich Schwangerschaft, Teilzeit, Elternzeit, Beurlaubung beratend aktiv. In der Regel ist es so, dass jede Kollegin, die sich in dieser Phase befindet und sich an den BLLV wendet, von mir beraten wird. Ich nehme diese Gespräche sehr ernst und versuche auch persönlich einen Draht zu den Frauen aufzubauen.

Mit welchen Anliegen wenden sich die Frauen an Sie?

Da haben wir die ganze Bandbreite - von der ersten Schwangerschaft bis zum Pensionseintritt als Mutter mit Kindern in der Ausbildung. Mich rufen Frauen an, die noch nicht schwanger sind und die Elternzeit planen. Dann rufen Frauen an, die gerade erst erfahren haben, dass sie schwanger sind. Manchmal weiß sogar der eigene Ehemann noch gar nicht davon. Immer geht es dabei um die Frage, wie richte ich mir die bevorstehende Lebensphase so ein, dass ich Familie und Beruf gut vereinbaren kann.

Was brennt besonders unter den Nägeln?

Gegenstand der Beratungsgespräche sind nicht nur Zeitpunkt und Organisation der Elternzeit, Teilzeit oder Beurlaubung. Noch drängender ist oft der finanzielle Aspekt dahinter. Wichtig ist, dass die Kolleginnen mit ihrem Geld auch in diesen Zeiten zurecht kommen.

Frauen nehmen sehr häufig Teilzeit. Sobald sie ihr erstes Kind haben, wechseln die meisten von der Voll- in die Teilzeit. Manche kehren bis zur Ruhestandsversetzung nie wieder auf eine Vollzeitstelle zurück. Das birgt natürlich Gefahren. Nicht nur, dass die Betroffenen weniger verdienen, noch während sie arbeiten, sondern auch, dass sie für später weniger in ihre Pensionskasse einzahlen und mit einem geringeren Ruhegehalt rechnen müssen. Für diese Frauen kann es schwierig werden, den Lebensstandard im Alter zu halten. Oft ist den Frauen das zu spät bewusst, nämlich erst dann, wenn der Ruhestand naht.

Als Mitarbeiter der ADB erstelle ich auch die Ruhestandsberechnungen für BLLV-Mitglieder. Frauen kommen im Schnitt nur auf 50 bis 60 Prozent des Ruhegehalts. Der „Vollzeit“-Mann kann dagegen immer mit dem Höchstruhegehalt rechnen.

Finden Sie, dass es gerecht zugeht bei der Dienstlichen Beurteilung und den damit verbundenen Aufstiegsmöglichkeiten für Frauen?

Das ist eine sehr gute Frage. In unserer BLLV-Gender-Umfrage waren die Frauen größtenteils mit ihren Ergebnissen in der Dienstlichen Beurteilung zufrieden. Wenn man aber die Statistik anschaut, die der BLLV alle vier Jahre erhebt, zeigt sich: Wer Frau ist und in Teilzeit arbeitet, ist doppelt benachteiligt. Die Umfrage zeigt deutlich: Es handelt sich hier um 10 Prozent Unterschied zwischen Männern und Frauen und zwischen Voll- und Teilzeit. Das heißt, Teilzeitfrauen sind benachteiligt. Die Statistik zeigt das eindeutig. Dass die Frauen das nicht so empfinden, verstehe ich nicht ganz.

Vielleicht sind Frauen zufrieden mit der reinen Lehrtätigkeit. Frauen, die mehr Verantwortung wollen, stoßen leider auch im Lehrerberuf an eine gläserne Decke, oder?

Sobald es um Verantwortung in der Schulorganisation geht, hat man es als Frau mit Familie oder Teilzeit sicher schwerer. Eine Schulleiterin darf höchstens drei Stunden auf Teilzeit reduzieren. Doch wie will die Kollegin drei Kinder, Mann und Familie unter einen Hut bringen, wenn sie in Vollzeit – und als Schulleiterin wahrscheinlich noch über die festgelegte Vollarbeitszeit hinaus – arbeiten muss?

Eine Funktionsstelle mit Elternzeit zu koppeln und danach wieder voll einsteigen ist schwer zu organisieren. Der BLLV verzeichnet in diesem Punkt kleinere Erfolge mit Teilzeit in Elternzeit für Rektorinnen und Konrektorinnen. Aber es gab auf Fälle, wo die betroffenen Mütter überredet wurden, ihr Funktionsamt abzugeben, weil man sie als Teilzeitkraft nicht brauchen könne. Jobsharing und ähnliches gibt es leider noch nicht im Lehrerbereich.

Sie sind ja selbst Schulleiter. Würden Sie sagen, dass man diese Aufgabe in Teilzeit bewältigen kann?

Es kommt auf das Schulleitungsteam an. Das Team besteht aus Rektor, Konrektor und Verwaltungsangestellte. Unser Team kann sich vorstellen, eine erweiterte Führungsebene einzuführen. Die Aufgaben, die sich daraus ergeben, könnte man sicher auch in Teilzeit anbieten. Das wäre dann ein Beispiel für Jobsharing. Dazu gab es sogar schon eine Landtagsanfrage. Wieso könnten sich nicht zwei Rektorinnen eine Stelle teilen? Das ist im Beamtenrecht ein bisschen schwieriger, aber man könnte Wege finden, das zu regeln. Die Anfrage ist damals leider abgelehnt worden.

Was fordern Sie persönlich für Frauen im Lehrerberuf?

Im BLLV liegen wir aktuell bei 80 Prozent Frauen als Mitgliedern, in Oberbayerin sogar bei knapp 90 Prozent. Den meisten Frauen, die ich hier betreue, geht’s darum, Familie und Beruf zu vereinbaren. Das eine Ziel ist also die Beibehaltung der Teilzeitbeurlaubung, die wir schon erreicht haben. Das andere ist die finanzielle Regelung, verbunden mit flexibleren Einsatzmöglichkeiten.

In der mobilen Reserve arbeiten wir schon mit Lehrertandems. Das sind Teilzeitkräfte mit 10 oder 8 Unterrichtsstunden, die man zu einer kompletten Einsatzkraft koppeln kann.

Ein weiteres Handlungsfeld: Frauen mit Kindern müssen feste Betreuungszeiten in der Kita buchen, also bräuchten sie auch feste Stundenpläne an den Schulen. Darin könnte man ihnen von Seiten der Schulleitung noch öfter entgegenkommen, in dem man deren Unterrichtsstunden nur auf zwei oder drei feste Tage verteilt. Viele Mütter sind auch bereit, nachmittags in der Schule vor Ort zu sein. Diese Frauen wären also auch im Ganztag einzusetzbar.

Haben Männer eigentlich andere Probleme als Frauen?

Pauschal würde ich nie zwischen Männern und Frauen unterscheiden. Ich glaube, dass jede Altersgruppe unterschiedliche Probleme hat. Insgesamt sind wir alle Lehrer. Wenn man meinen Bereich anschaut - Elternzeit und Mutterschutz - dann sind das eben hauptsächlich immer noch Frauenthemen. Doch auch immer mehr Männer entdecken die Elternzeit für sich.

Wie erleben Sie die Rolle der Frauen im BLLV?

(Schmunzelt) Ich hab eine Präsidentin, ich hab eine Bezirkspersonalratsvorsitzende – mit „meinen“ Frauen im BLLV arbeite ich sehr gern zusammen. Wir haben in unseren Reihen tolle Frauen mit beeindruckenden Lebensläufen, die großartige Arbeit leisten.

Hier zeichnet sich aber auch ein Schwachpunkt in der Verbandsarbeit des BLLV ab. Unter den Mandatsträgern haben wir mehr als 50 Prozent Männer. Frauen sind hier seltener vertreten. Auch da ist es so, dass sich Männer und Frauen ohne Kinder leichter tun, im BLLV aktiv mitzuarbeiten und Führungspositionen zu bekleiden.

Deshalb ist es mir wichtig, junge Frauen für die aktive Mitarbeit im BLLV aufzubauen. Wer kleine Kinder hat, fällt vielleicht mal vorübergehend aus. Doch wer einmal im BLLV aktiv war, steigt später gerne wieder ein. Zu deren Unterstützung stellt der BLLV bei diversen Anlässen Kinderbetreuung sicher oder ermunter Mütter, ihre Kinder einfach mitzubringen.

Das Interview führte Stefanie Hattel, Leiterin der Online-Redaktion im BLLV

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