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Die eigene Haltung hinterfragen, Belastungen reduzieren Service

Classroom Management: Als Lehrkraft in der Rolle des Erziehers

Der Umgang mit schwierigen Klassen kann sehr belastend sein. Das muss nicht sein. Die innere Haltung ist entscheidend: Lehrkräfte sollten die Rolle des Erziehers annehmen. Warum, erklärt im Interview Lehrer-Trainerin Michaela Huber*.

Was hat die Haltung einer Lehrkraft mit Classroom Management zu tun?

Michaela Huber: Ich glaube, die Haltung ist das Allerwichtigste. Man muss sich klar machen, dass man als Lehrer Erzieher ist und als Erzieher eine bestimmte Haltung einnehmen muss, egal in welcher Schulart man unterrichtet und wie alt die Schüler sind. Ich kann nur dann gut unterrichten, wenn ich gut erziehen kann.

Was bedeutet es, als Lehrkraft die Rolle des Erziehers anzunehmen?

Michaela Huber: Die Rolle des Erziehers besteht aus mehreren Aspekten. Der Erste und Wichtigste ist, eine professionelle Distanz einzunehmen. Ich habe in meiner Rolle als Erzieher Aufgaben wahrzunehmen, die mit mir als Person nichts zu tun haben. In der Erzieherrolle muss ich Grenzen setzen, auch mal Böse in den Augen eines Schülers sein und es in Kauf nehmen, nicht geliebt zu werden. Wenn ich möchte, dass mich die Schüler mögen, dann dreht sich die Hierarchie um, und ich bin ich abhängig von ihnen. Zweitens: Ich brauche Werte, die konsequent zu verfolgen ich bereit bin. Ein Beispiel: „Ich dulde nicht, dass in meiner Klasse jemand gemobbt wird, und werde alles in meiner Macht stehende tun, um das zu verhindern.“

Das heißt also, ich muss Regeln aufstellen.

Michaela Huber: Das wäre der zweite Schritt. Zuerst müssen mir meine Werte klar sein. Wenn es allerdings einer meiner Werte ist, dass mich die Schüler lieb haben müssen, kann ich keine Regeln mehr aufstellen.

Ich sitze dann in der Gemocht-werden-Falle?

Michaela Huber: Genau.

Wie kann ich meine Werte durchsetzen? Muss ich Regelverletzungen mit Strafen ahnden?

Michaela Huber: Die Haltung ist für mich das Elementare. Wenn ich mir meiner Werte und Prinzipien absolut sicher bin, kann ich diese auch überzeugend rüberbringen. Man muss klar kommunizieren, dass man ein bestimmtes Verhalten nicht dulden wird. Wie ich dann interveniere, sollte ich mir in Ruhe für jeden Schüler individuell überlegen und nicht im Affekt handeln. Strafen anzukündigen bringt nichts, denn das könnte in einem Machtkampf gipfeln.

Als Lehrkraft muss ich also vor allem beharrlich sein.

Michaela Huber: Genau. Wenn ich den Schüler bestrafe und ihn damit besiege, verliere ich ihn vielleicht. Ich muss ihm stattdessen verdeutlichen, dass ich ihn schätze, aber sein Verhalten nicht dulden werde. Ich beharre auf meinem Wert, ohne dass er sein Gesicht verliert. Das Ziel meiner späteren Intervention sollte nicht die Bestrafung des Schülers sein, sondern die Wiedergutmachung. Im Mittelpunkt steht die Frage, „Liebes Kind, was willst du tun, um das wieder in Ordnung zu bringen?“. Bei der Wiedergutmachung geht es darum, emotionale Blessuren wiedergutzumachen und unbelastet weiterzumachen.

Das wird aber ganz schwierige Schüler nicht immer beeindrucken.

Michaela Huber: In schwierigen Fällen müssen nicht nur alle Lehrer einer Klasse zusammenarbeiten. Vor allem müssen diejenigen Leute miteinbezogen werden, die Einfluss auf das Kind haben. Wenn das Kind nur noch auf den Fußballtrainer hört, muss ich den Trainer aktivieren. Wenn dieser seinem Schützling klar macht, dass er ihn beim nächsten Spiel nur dann aufstellen wird, wenn er sich in der Schule anständig verhält, hat das eine andere Wirkung als die Androhung einer Strafarbeit. Das sollte aber mit der Botschaft verbunden sein, dass Lehrer, Eltern und Trainer das Kind schätzen und alle drei wollen, dass es die Schule schafft.

 *Die Dozentin ist Schulpsychologin, Supervisorin und Fachseminarlehrerin für Schulpsychologie. Sie ist seit vielen Jahren in der Lehrerfortbildung tätig. Mehr zum Thema: » Neue Autorität ohne Gewalt nach Haim Omer