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Strafrechtliches Verhalten von Schülern Service

"Das Ding geht gleich hoch"

Wenn Polizeibeamte in die Schule kommen, dann meist für Verkehrserziehung oder Aufklärung im Rahmen der Prävention. Doch manchmal ist der Anlass eine Straftat oder ein Verdacht darauf. Wann sollte man nicht nur die Schulpsychologin rufen, sondern die 110? Kommen polizeiliche Vernehmungen von Schüler/innen in der Schule in Betracht?

Die Verwaltungsangestellte einer Mittelschule nimmt seit 7.30 Uhr Anrufe entgegen. Eltern entschuldigen ihre Kinder, die Gemeinde erkundigt sich, ob am kommenden Freitagnachmittag die Turnhalle frei wäre, das Schulamt braucht so schnell wie möglich eine Statistik. So weit, so normal. Doch dann ist die Schulsekretärin geschockt: Jemand ruft mit verzerrter Stimme ins Telefon, eine Bombe sei in der Schule deponiert worden, die werde "jeden Moment losgehen!"
Gut möglich, dass dieser Jemand zum einfachsten Mittel gegriffen hat, den Schulbetrieb zu stören und Angst zu verbreiten. Und trotzdem: Auch wenn die Verwaltungsangestellte einen schlechten Streich vermutet - was wenn doch ...?

Handy abnehmen erlaubt - aber ...

Für solche Situationen gibt es klare Regelungen und Konzepte. Nachzulesen in einer Anlage zur Allgemeinen Geschäftsordnung für die Behörden des Freistaates Bayern (und eine Schule gilt als Behörde). Darin wird auch der Fall der Schulsekretärin durchgespielt. Demnach wäre eine ganze Reihe von Dingen zu beachten: Ruhe bewahren, aufmerksam zuhören, den Anrufer nicht unterbrechen, auf Hintergrundgeräusche achten, Informationen und Zeit gewinnen, etwa indem man die Angaben des Anrufers falsch wiederholt. Und, wenn möglich, das Gespräch aufzeichnen. Sobald der Anrufer das Gespräch beendet hat, sollte die Sekretärin natürlich nicht etwa den Schulleiter im Haus suchen, damit der dann die Polizei benachrichtigt, sondern unverzüglich selbst die 110 wählen. Das gilt erst Recht bei einer Amoklage.

In anderen Situationen, bei denen ein Schüler Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten androht oder gar vollzieht, ist es nicht ganz so leicht zu entscheiden, ob man die Polizei einschaltet. Was ist etwa, wenn eine Schülerin mit dem Smartphone den Unterricht gefilmt hat. Sie hat damit gegen datenschutz- rechtliche Aspekte verstoßen bzw. in die Persönlichkeitsrechte der Lehrkraft und Mitschüler eingegriffen. Klare Sache: In so einem Fall kann die Schule selbstverständlich die Polizei rufen - das Filmen könnte einen Straftatbestand darstellen. Die Schule darf der Schülerin das Handy abnehmen, wenn es missbräuchlich genutzt wird. Schließlich gilt an bayerischen Schulen ein grundsätzliches Handyverbot. Die Daten auf dem Gerät sichten und auswerten, obliegt wiederum allein der Polizei. Was aber, wenn die Polizeidienststelle mitteilt, sie habe "Besseres zu tun, als einem Schüler das Handy abzunehmen?" Das wäre ein Verstoß gegen das Gebot der Amtshilfe, dagegen wäre eine Anzeige wegen Strafvereitelung möglich oder eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Polizeibeamten,
Art. 5 BayVwVfg
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Auch bei Drogendelikten wird es in der Regel nötig sein, die Polizei einzuschalten. Allerdings schränkt das KM ein, eine Anzeige sei nur dann geboten, "wenn es der Schutz der anderen Jugendlichen erfordert". Das ist etwa dann der Fall, wenn der Schule Erkenntnisse vorliegen, dass mit illegalen Drogen gehandelt wird, KMBek vom 23. September 2014.
Natürlich kommen an Schulen auch weitere Straftaten vor: Sexual- oder Raubdelikte, gefährliche Körperverletzung, Beleidigung, Erpressung, Bedrohung oder massive Sachbeschädigung. Die Schulleitung wird in all diesen Fällen abwägen müssen, ob es sich nachweislich um Straftaten handelt, oder ob nur ein Verdacht besteht, etwa aufgrund der Aussage anderer Schüler. Es sollten schon konkrete Tatsachen bekannt sein, die darauf deuten, dass eine Straftat vorliegt, bevor man die Polizei einschaltet.

Fingerspitzengefühl ist nötig, wenn eine Schülerin oder ein Schüler willkürlich einen Feueralarm ausgelöst, Pfefferspray versprüht oder wilde Drohungen ausgestoßen hat. Wenn die Schulleitung in solchen Fällen die Polizei benachrichtigt, muss sie auf alle Fälle sofort auch die Erziehungs- berechtigten informieren.

Verhör im Schulhaus

Polizeiliche Vernehmung von Schülern in der Schule wird nur in seltenen Ausnahmefällen in Betracht kommen. Und dazu bräuchte es eine richterliche Anordnung. Es müssen also ganz besondere Tatumstände vorliegen, dass in der Schule ermittelt werden kann. Die Schule sowie die Polizei müssen in einem solchen Fall die Betroffenen darüber aufklären, dass es ihnen frei steht, sich bei der Vernehmung zu äußern.

Anders verhält es sich nach Angaben des Kultusministeriums, wenn die Schule der Auffassung ist, dass eine minderjährige Schülerin oder ein minderjähriger Schüler "wegen mangelnder Verstandesreife von der Bedeutung des Verweigerungsrechts keine zutreffende Vorstellung hat", KMBek vom 23. September 2014. Darauf muss sie die vernehmenden Polizeibeamten dann hinweisen. Wenn möglich sollte sie auch die Erziehungsberechtigten zur Befragung hinzuziehen.

Bei Gefahr im Verzug: 110

Immer wieder mal kommt es vor, dass Schüler durchdrehen und dabei andere in ihrer Gesundheit erheblich gefährdet. Die Schulleitung hat dann die Option, solche Missetäter sofort vom Unterricht auszuschließen, wenn die Gefahr nicht anders abwendbar ist, Art. 87 BayEUG. Auch in solchen Fällen sind die Erziehungsberechtigten, Schulpsychologen, die Jugendhilfe, das Schulamt und gegebenen-falls auch die Polizei zu benachrichtigen.

Ebenfalls wenn eine minderjährige Schülerin oder ein minderjähriger Schüler die Schule während der Unterrichtspflichtzeit verlassen, sind die Eltern zu informieren; sollte die Befürchtung bestehen, dass Ihnen Unbill und/oder Gefahr drohen (z.B. durch regen Verkehr im Umfeld der Schule), ist auch die Polizei zu verständigen. Dies folgt aus der bestehenden Schulpflicht. Im Fall des sogenannten „Dauerschwänzens“ oder des häufiger auftretenden eigenmächtigen Verlassens des Schulgeländes kann die Schule überlegen, ob sie zum Mittel des Schulzwangs gemäß Art.118 BayEUG greift. Dieser Artikel sieht vor, dass die zuständige Kreisverwaltungsbehörde die zwangsweise Vorführung in die Schule durchsetzt, notfalls mit Hilfe der Polizei.

Sie einzuschalten, um Vorkommnisse zu klären oder Unterstützung anzufordern, ist aber glücklicherweise nicht die Regel an Bayerns Schulen. Wenn das Ausmaß der Verstöße von Schülerinnen und Schülern es jedoch erfordern, oder auch wenn unmittelbar Gefahr im Verzug ist, dann wird der Schulleitung nichts anderes übrig bleiben, und sie sollte nicht zögern: 110. / hpe

Die Rechtskolumne von Hans-Peter Etter erscheint regelmäßig in der bayerischen schule. Die nächste Ausgabe erscheint am 27. März 2019.