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Fehlende Einigkeit der Länder macht Abitur noch ungerechter

In der Corona-Krise zeichnet sich an den Schulen in Deutschland ein großes Durcheinander ab. Ein Kommentar von Fritz Schäffer, Leiter der Abteilung Schul- und Bildungspolitik zum aktuellen Umgang mit den Abiturprüfungen.

1. Der Bildungsföderalismus droht im Moment aufgrund der fehlenden Einigkeit der Länder an die Wand zu fahren. Wenn die Kultusminister der Länder nicht in der Lage sind, sich vorab auf ein gemeinsames Vorgehen zu einigen, statt dass einzelne Länder vorpreschen, vertiefen sich die bereits heute bestehenden Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten beim Abitur zwischen den Ländern ins Absurde. 

2. Es ist nicht einzusehen, dass bereits jetzt in dieser Situation die Abiturprüfungen generell abgesagt werden. Es besteht noch keine Notwendigkeit, heute schon solche weitreichenden Entscheidungen zu treffen, ohne dass die weitere Entwicklung in der Corona-Krise abzusehen ist. 


3. Als erste Option muss auf alle Fälle geprüft werden, ob eine Durchführung der Prüfungen nicht doch möglich ist. Insbesondere die mündlichen Kolloquiumsprüfungen, bei denen lediglich drei Personen in einem Raum anwesend sein müssen, können wohl bei entsprechenden Maßnahmen durchgeführt werden. Auch schriftliche Prüfungen können, wenngleich auch mit erheblichem organisatorischen Mehraufwand, offensichtlich so durchgeführt werden, dass sie den Vorgaben der Gesundheitsbehörden problemlos genügen. Die Bundesländer Hessen und Rheinland-Pfalz haben dieses ja bereits in dieser Woche vorgeführt. 


4. Sollte durch die weitere Entwicklung der Corona Krise eine Durchführung der Abiturprüfungen tatsächlich nicht möglich sein, so müssen andere Lösungen gefunden werden, als die schriftlichen Klausuren in den Abiturfächern in den vier Halbjahren der Oberstufe einfach als schriftliche Abiturprüfung zählen zu lassen. Dies wäre den betroffenen Schülerinnen und Schülern gegenüber extrem unfair, da sie bei der Ablegung der Klausuren nicht davon ausgehen konnten, dass deren Gewichtung sich um den Faktor 200% erhöhen würde. Im Gegensatz zu Klausuren während der laufenden Schulzeit bereiten sich die Schülerinnen und Schüler auf die Abiturprüfungen in der Regel sehr gezielt und intensiv vor. Sie haben in den Wochen davor keinen Unterricht mehr und verwenden ihre Zeit nur für die Vorbereitung des Abiturs. Es gibt auch eine große Anzahl von schriftlichen Lernhilfen, die extra hierfür hergestellt und in großer Zahl gekauft werden. All das trifft für die laufenden Klausuren nicht zu. 


5. Schließlich müssten sich bei einer nicht termingerechten Anberaumung der schriftlichen Abiturprüfungen auch die abnehmenden Institutionen, also Betriebe und Hochschulen, auf diese Situation einstellen. Es wäre zu überlegen, ob und welche alternativen Wege es für die Zulassung zu beschränkten Studiengängen geben kann außer der Abiturnote. Hier ist bei den Hochschulen und Universitäten Flexibilität und Kreativität gefragt. Ganz grundsätzlich gilt, dass in der Regel eine aufnehmende Institution besser beurteilen kann, ob ein Aspirant für einen Bildungsgang geeignet ist als die abgebende. // Fritz Schäffer, Leiter der Abteilung Schul- und Bildungspolitik



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