Elternratgeber: Streit

Konstruktiv Streiten – geht das?!

Streit ist wichtig! Unterschiedlicher Meinung zu sein und dies in angemessener Form vorzubringen und auszudiskutieren ist für den Aufbau einer stabilen Persönlichkeit unerlässlich.

„Es kommt aber darauf an, wie gestritten wird“, betont die Leiterin der Abteilung Schul- und Bildungspolitik im Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV), Birgit Dittmer-Glaubig. „Auch im größten Konflikt lohnt es sich, mit dem Gegenüber fair und respektvoll umzugehen. Auch wenn es schwer fällt, sollten sich die Konfliktparteien ausreden lassen und bereit sein, sich zu zuhören. Wenn das gelingt, verläuft der Streit konstruktiv und Lösungen lassen sich leichter finden.“

Doch das ist gar nicht so einfach. Richtig streiten will gelernt sein. An vielen Schulen wird genau das geübt - Heranwachsende lernen den respektvollen Umgang untereinander, üben sich auch in der Entwicklung einer gesunden Streitkultur. Schülerinnen und Schüler haben auch die Möglichkeit, sich zu Streitschlichtern und Mediatoren auszubilden. Sie sind dann Ansprechpartner für ihre Mitschüler, wenn es um das Lösen von Konflikten geht. Häufig können sie sich besser in die Streitsituation hineindenken, als die Lehrer. Ihre Hilfe wird eher angenommen, da sie im straf- und notenfreien Raum angeboten wird. Im Gespräch mit allen Beteiligten wird nach dem Prinzip der Win-Win Methode nach Kompromissen gesucht, die beide Parteien akzeptieren können. Hierbei gilt es die Perspektive des „Streitpartners“ einnehmen zu können, ihm zuzuhören und bereit sein, sich in seine Lage hinein zu denken. Auch im vorschulischen Bereich werden mit Hilfe bestimmter Rituale oder bestimmter Kommunikationsregeln erste Weichen für einen wertschätzenden Umgang miteinander gestellt.

Was in Schulen und Kitas geübt wird, sollte auch zu Hause gelten. Auch hier kommt es auf die Art und Weise an, wie Konflikte ausgetragen werden. „Wenn sich Eltern mit ihrem Kind streiten, sollten sie sich ihrer verbalen Überlegenheit bewusst sein und diese nicht ausnutzen“, erklärt Dittmer-Glaubig. Sie rät im Konfliktfall zur Sachlichkeit: „Eltern, die Verständnis signalisieren, ihrer Rolle aber treu bleiben, punkten. Denn: Kinder wünschen sich ein klares und standfestes Gegenüber. Eltern also, die ihnen ermöglichen, Konflikte auszutragen, an denen sie Widerstände ausprobieren können und dürfen.“

Es sei wichtig, das Kind ernst zu nehmen und ihm den notwendigen Halt zu geben. Bei Streitgesprächen sollte es immer um die „Sache“ gehen, die Eltern-Kind Beziehung sollte nicht in Frage gestellt werden. Wenn sich Eltern in den Haaren liegen, sollten sie sich ihrer Vorbildfunktion bewusst sein. Kinder lernen von den Eltern und ahmen ihr Verhalten nach. „Es macht also großen Sinn, sich immer wieder vor Augen zu führen, wie man sich selber im Konfliktfall verhält und wie wichtig konstruktives Streiten ist“, empfiehlt die BLLV-Expertin. „Wer sich über die eigenen Gefühle und Bedürfnisse klar wird und gleichzeitig die des anderen respektiert, formt seine Persönlichkeit.“ Richtiges Streiten schule viele soziale Fähigkeiten: neben dem Zuhören ist es das Senden von Ich-Botschaften statt Vorwürfen sowie die Entwicklung gesunder Empathie, die es erlaubt, sich in die Gefühle des Gegenüber hineinzuversetzen.