Portraitaufnahme Dr. Fritz Schäffer
Kommentar zum Startchancen-Programm für Schulen mit Förderbedarf Startseite Topmeldung

"Und sie bewegt sich doch!"

Für mehrere Tausend Schulen im Land, die besonders viele Schüler mit Förderbedarf haben, soll es mehr Geld und zusätzliche Sozialarbeiter geben. Wie die Verteilung der Mittel geregelt werden könnte, darüber haben sich die Kultusminister der Länder nun verständigt. Bei ihrer Konferenz (KMK) vereinbarten sie ein Finanzierungskonzept für das von der Ampel-Koalition geplante Startchancen-Programm. Dr. Fritz Schäffer, Leiter der Abteilung Schul- und Bildungspolitik im BLLV, kommentiert:

"Wer gedacht hat, dass der Bildungsföderalismus gar keine Fortschritte mehr zulässt, sieht sich zumindest einmal angenehm getäuscht. Die Kultusministerkonferenz hat sich endlich dazu durchgerungen, auch ihren Beitrag zur Finanzierung des von der Ampelkoalition auf den Weg gebrachten Startchancenprogramms zu leisten. Dieses Programm soll dazu beitragen, dass künftig der Bildungserfolg nicht mehr so stark von der sozialen Herkunft abhängt. Denn Bildungsungerechtigkeit ist ein seit Jahren ungelöstes Problem deutscher Bildungspolitik. Der IQB Bildungstrend im Herbst des vergangenen Jahres hat noch einmal deutlich gemacht, dass der Anteil der Schülerinnen und Schüler, die nicht einmal die Basiskompetenzen erreichen, weiter wächst und dass die Schere zwischen Kindern aus bildungsnahen Elternhäusern und denen mit sozial prekärem Hintergrund immer weiter auseinander geht.

Zwei Milliarden Euro: Etwa jede zehnte Schule wird gefördert

Mit zwei Milliarden Euro jährlich sollen Schulen «in besonders schwierigem Umfeld» mit einer Laufzeit von zehn Jahren gefördert werden. Das Geld wird verteilt auf etwa 4000 Schulen, also rund jede zehnte Schule in Deutschland. Neben mehr und besserer Infrastruktur sollen bis zu 4000 Stellen für Schulsozialarbeit und eine bessere Ausstattung finanziert werden.

BLLV fordert schon lange Schaffung eines Sozialindex als Grundlage der Budgetierung

Dieses Programm geht genau in die richtige Richtung. Schulen in herausfordernden Lagen benötigen Unterstützung von außen, da sie bei den Problemen vor Ort häufig an ihre Grenzen stoßen. Hierzu braucht es genau solche Förderprogramme. In anderen Bundesländern existieren ähnliche Projekte bereits seit einiger Zeit. Dort werden Schulen beispielsweise sowohl erhebliche zusätzliche Ressourcen als auch professionelle Strukturen der Schulentwicklungsberatung und -begleitung zur Verfügung gestellt. Es wird Zeit, dass derartige Programme auch für die Schulen in Bayern geschaffen werden. Nicht nur die am stärksten betroffenen Schulen benötigen eine Unterstützung, wie sie das Startchancen Programm jetzt vorsieht, sondern alle Schulen sollten schulscharf nach ihren jeweiligen Voraussetzungen mit Ressourcen bedacht werden. Der BLLV fordert schon lange die Schaffung eines Sozialindex als Grundlage der Budgetierung. Andere Bundesländer praktizieren dies bereits seit vielen Jahren mit Erfolg.

Es braucht noch mehr für mehr Bildungsgerechtigkeit

Neben der gezielten Förderung von Schulen in herausfordernden Lagen braucht es für mehr Bildungsgerechtigkeit noch mehr. Insbesondere muss die frühkindliche Bildung gestärkt werden, denn keine Förderung trägt so viele Früchte wie die in den ersten Lebensjahren. Schließlich darf auch nicht vergessen werden, dass die hohe soziale Selektivität eine der Hauptursachen für Bildungsungerechtigkeit darstellt. Kinder benötigen neben stabilen sozialen Beziehungen vor allem positive Selbstwirksamkeitserfahrungen und Erfolgserlebnisse. Eine längere gemeinsame Schulzeit würde die strukturelle Diskriminierung sozial Benachteiligter durch das gegliederte Schulwesen beseitigen.