Gesamtkonzept: Reformen der Einstimmiger Beschluss des BLLV-Landesausschusses am 16. März 2013 Positionen

Lehrerbildung 2020

Schulen und Hochschulen befinden sich in einem beispiellosen Umwälzungsprozess. Sie sind zentraler Teil der Veränderungen in der Gesellschaft. Dabei besitzen Bildungsfragen hohe Priorität. Diese Veränderungsprozesse müssen auch zu weiteren Reformen der Lehrerbildung führen.

Zieldefinition
Schulen und Hochschulen befinden sich in einem beispiellosen Umwälzungsprozess. Sie sind zentraler Teil der Veränderungen in der Gesellschaft. Dabei besitzen Bildungsfragen hohe Priorität. Diese Veränderungsprozesse müssen auch zu weiteren Reformen der Lehrerbildung führen.

Dabei sind folgende übergeordnete Ziele zu verfolgen:

  1. Das Studium der verschiedenen Lehrämter ist unabhängig von den jeweiligen Studieninhalten und Studienanteilen gleichwertig, Abschluss für alle Lehramtsstudie­renden ist ein universitärer Master. Das bedeutet für alle Lehrämter (Grundschule, Hauptschule, Realschule, Gymnasium, Berufsschule und Sonderschulpädagogik) die gleiche Studiendauer.

  2. Eine moderne Lehrerbildung bedarf einer klar definierten Eigenständigkeit. Diese muss vor allem in der universitären Struktur erkennbar werden: Lehrerbildung findet im Idealfall an sogenannten Professional Schools (Schools of Education) statt. Zwischenschritte über die Schaffung von Parallelstrukturen für die Lehrerbildung in Teilbereichen sind denkbar.

  3. Lehrerbildung benötigt bereits während des Studiums eine stärkere Berufsfeld­orientierung. Mangelnde Berufsfeldorientierung führt zu Dysfunktionalität zwischen Studium und späterem Beruf. Schulpraktische Studien, die mit Erziehungswissenschaften und Fachdidaktiken eng vernetzt sind, besitzen hier eine besondere Bedeutung.

  4. Die innere Einheit der Lehrerbildung muss strukturell und inhaltlich verbessert werden. Qualifizierte Lehrkräfte aller Schularten bedürfen ständiger Fort- und Weiterbildung. Erste, zweite und dritte Phase der Lehrerbildung müssen hierfür aufs engste kooperieren.

 

Vorbemerkungen
Der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) hat seit seiner Gründung im Jahr 1861 die Lehrerbildung in Bayern stets als die Grundlage für erfolgreiche Arbeit in den Schulen angesehen. Durch den BLLV wurden in den letzten 150 Jahren zahlreiche Reformen der Lehrerbildung in Bayern angestoßen, begleitet und nachhaltig beeinflusst. Der BLLV verfügt in Bayern über die längste historische Erfahrung und über eine umfassende fachliche Kompetenz. Deshalb fordert er eine Diskussion um eine Reform der Lehrerbildung ein und ist bereit, bei der Weiterentwicklung sich aktiv zu beteiligen.

Inhalte und Qualität der Lehrerbildung sind eine zentrale Grundlage für Effizienz und Leistungs­fähigkeit unserer Schulen. Die Lehrerbildung muss sich deshalb an einem leistungsfähigen Schulsystem und einem modernen Lernbegriff orientieren. Ebenso wie Medizin oder Jura existiert auch die Lehrerbildung nicht im praxisfreien Raum eines rein theoretischen Wissen­schaftsverständnisses. Sie muss sich stets eng an der Institution Schule ausrichten. Lehrer­bildung ist immer berufsfeldbezogen.

Deshalb berücksichtigt der BLLV in seinen Forderungen und in der Bewertung von Reformen der Lehrerbildung die Anforderungen an Schule als der wichtigsten gesellschaftlichen Institution der Bildungsvermittlung, die Erwartungen und Interessen der Personen, die Schule gestalten (Schüler, Lehrer und Eltern) und die Erkenntnisse der modernen Lernpsychologie. Auf der anderen Seite hat der BLLV Strukturen und innere Gegebenheiten der Hochschulen im Blick, die ja im Rahmen des Bologna-Prozesses eine erhebliche Modifizierung erfahren haben.

Eine erfolgreiche Reform der Lehrerbildung ist nur dann möglich, wenn sowohl die Anforde­rungen der Schulen als auch die Struktur der Hochschulen zugleich im Blick behalten werden. Dies ist oft sehr schwierig, weil beide Institutionen sehr unterschiedliche „Kulturen“ und Zielvor­stellungen besitzen. Daraus entstehen häufig Interessenskonflikte, die es zu erkennen, zu benennen und zu lösen gilt. Die notwendige Verquickung von erster, zweiter und dritter Phase im Bereich der Fort- und Weiterbildung stellt beide Institutionen vor bedeutsame Herausforderungen.

Der BLLV bedauert nach der flächendeckenden Einführung modularisierter Studiengänge in allen Lehrämtern, dass bei dieser umfassenden Neugestaltung bis jetzt die Chance zu umfang­reicheren und tiefer gehenden Reformen der Lehrerbildung kaum genutzt wurde. So wird zum Beispiel der zu geringe Berufsfeldbezug auch in einer neuen LPO I und einer stark formalisierten Studienstruktur kaum verbessert.

Dies ist eine fatale Fehlentwicklung, da nach Abschluss dieses Reformprozesses bis auf weiteres neue grundsätzliche Veränderungen in der Lehrerbildung nur noch schwer umzusetzen sein werden. Dieses Versäumnis im Hochschulbereich werden die Schulen, allerdings mit einer Verzögerung von sechs bis acht Jahren ebenfalls erfahren. Der BLLV bekräftigt trotz dieser schwierigen Situation seine Reformvorstellungen und drängt gegenüber der Politik, der Öffentlichkeit und gegenüber den zuständigen Ministerien weiter auf Veränderungen, die die bayerische Lehrerbildung den übergeordneten Zielen näher bringen.

 

Die Zielstellungen des BLLV

  1. Alle Lehrämter und Studieninhalte sind gleichwertig

    1. Ist-Situation
      Die LPO I sieht für die Lehramtsstudiengänge im Bereich von Grund-, Haupt- und Realschulen ein modularisiertes Studium mit 210 ECTS-Punkten in sieben Semestern und im Bereich von Gymnasium, Berufs- und Sonderschulpädagogik ein modularisiertes Studium mit 270 ECTS-Punkten in neun Semestern vor. 210 bzw. 270 ECTS-Punkte entsprechen damit einer Arbeitsbe­lastung von ca. 6300 bzw. 8100 Stunden. Nach Abschluss des Studiums ist ein Staatsexamen abzulegen. Dieses besteht in der Regel aus fünf bis sieben Klausuren. In die Festlegung der Gesamtnote des Staatsexamens gehen die Studienleistungen mit 40 %, die Ergebnisse des Staatsexamens selbst mit 60 % ein.

      Diese Aufteilung lässt ein erhebliches Ungleichgewicht erkennen und geht offenbar von der Vor­stellung aus, dass sämtliche Studienleistungen aus dem modularisierten Studium letztlich nur als Vorbereitung auf das Staatsexamen gesehen werden. An dieser Stelle wird am deutlichsten die Diskrepanz erkennbar, die zwischen einem voll modularisierten Studium und einem auf eine finale Prüfung (Staatsexamen) ausgerichteten Studiengang besteht.

      Für das Staatsexamen selbst sind keine ECTS-Punkte und in der Studienstruktur keine Zeit für die Vorbereitung des Staatsexamens vorgesehen. Das Verhältnis von 40% zu 60% ist unter diesen Umständen äußerst fragwürdig.

      Die schriftliche Hausarbeit in der neuen Lehrerbildung kann in der Regel durch eine Bachelor-Arbeit ersetzt werden. Diese Bachelorarbeit ist im modularisierten Studium nur mit zehn ECTS-Punkten veranschlagt, während sie im Staatsexamen ein Gewicht von mindestens 11 % hat. Damit wird die schriftliche Hausarbeit, die bisher in Umfang und Anforderungsniveau wissen­schaftlichen Ansprüchen gerecht werden konnte, häufig abgewertet zu einer bloßen erweiterten Seminararbeit. Die Abwertung einer solchen Leistung wird durch die neuesten Vorgaben von sehr begrenzten Bearbeitungszeiten für die schriftliche Hausarbeit noch verstärkt.

      In allen Lehramtsstudiengängen werden von der LPO I Leistungen gefordert, für die es keine ECTS-Punkte gibt. So haben zum Beispiel Studierende des Lehramts an Grundschulen neben ihrem verpflichtend zu studierenden musischen Fach in den beiden anderen musischen Fächern ebenfalls Basisqualifikationen nachzuweisen, letztere aber ohne Anrechnung von ECTS-Punkten. Ein ähnlich drastisches Beispiel findet sich im Bereich der Berufsschulen: Hier ist ein mehrmonatiges Berufspraktikum ohne entsprechende Anrechnung abzuleisten.

      Erweiterungsstudiengänge in allen Lehrämtern (z.B. Medienpädagogik, Ethik, Deutsch als Zweit­sprache, Ethik, Beratungslehrkraft, szenisches Spiel), die in der neuen LPO vorgesehen sind, passen in ihrer Grundstruktur nicht mehr in die neuen modularisierten Studiengänge, da für die dabei zu erbringenden Leistungen nur teilweise oder überhaupt keine ECTS-Punkte vorgesehen sind. Auch hier wird die bereits oben angesprochene Diskrepanz zwischen einem modularisier­ten Studium und einem Studiengang mit abschließendem Staatsexamen erkennbar.

      Das Konzept der Lehrerbildung geht fast in ganz Deutschland davon aus, dass vom Umfang der jeweiligen fachwissenschaftlichen Studien auch das Niveau und die Qualität des jeweiligen Lehramtes bestimmt werden. So haben derzeit in nahezu allen Lehramtsstudiengängen die Anteile von Erziehungswissenschaften und Fachdidaktiken in den Unterrichtsfächern unabhängig von der Schulart den gleichen Umfang. Der Unterschied besteht im Anteil an fachwissenschaftlichen Studien: Während sich Gymnasialstudierende mit über 180 ECTS- Punkten von insgesamt 270 ECTS-Punkten fast 70 % ihres gesamten Studiums mit Fachwissen­schaften beschäftigen, sind es bei Studierenden des Realschullehramtes etwa 55 % (120 von 210 ECTS-Punkten) und bei Studierenden für das Lehramt an Grund- und Hauptschule ganze 25 % (54 von 210 ECTS-Punkten).Die Erziehungswissenschaften nehmen mit 35 ECTS-Punkten bei den Gymnasialstudierenden 13 %, bei allen anderen Lehrämtern etwa 17 % ein. Die unterschiedliche Einstufung der Lehrämter wird neben der Studiendauer auch aus dem Anteil des fachwissenschaftlichen Studiums abgeleitet, obgleich es keinen nachvollziehbaren Grund hierfür gibt.

      Die Überzeugung des BLLV, dass alle Lehrämter gleichwertig sind, erfordert auch die Einstellung der bisherigen Fachlehrerausbildung und deren Akademisierung

    2. Forderung des BLLV
      Der BLLV fordert, dass alle Lehrämter mit einem Master abschließen. Damit ist die Studiendauer gleich lang, die verschiedenen Studieninhalte müssen gleiche Wertigkeit erhalten. Die derzeitige Ausbildung der Fachlehrer muss ebenfalls in dieses Gesamtsystem einbezogen werden.

      1. Master für alle Lehrämter/Beibehaltung des Staatsexamens
        Jeder Lehramtsstudierende muss 300 ECTS-Punkte erwerben, um so einen Master of Education als Abschluss seines Universitätsstudiums vorweisen zu können. Dies kann zum einen bedeuten, dass Studierende insgesamt zehn Semester an einer Universität verweilen und so die 300 ECTS-Punkte erwerben.

        Sowohl der BLLV als auch die bayerische Staatsregierung plädieren für eine Beibehaltung des zweijährigen Referendariats. Zusammen mit der Studienzeit von zehn Semestern würde dies eine Ausbildungsdauer von insgesamt sieben Jahren für alle Lehrämter bedeuten. Nachdem Bachelor- und Masterstudiengänge eingeführt wurden, um die Studienzeiten zu verkürzen, wäre eine Ausbildungsverlängerung jedoch kontraproduktiv.

        Der BLLV fordert deshalb folgende pragmatische Veränderung: Die Lehramtsstudierenden schließen an der Universität nach acht bzw. neun Semestern mit dem Staatsexamen ab, die für den Master fehlenden ECTS-Punkte können im Referendariat erbracht werden. Hierzu müssen Vertreter der Universität in enger Kooperation mit den Seminarleitern der zweiten Phase die Vergabe der noch fehlenden ECTS-Punkte vereinbaren. Die notwendige Masterarbeit, die in der Regel mit 30 ECTS-Punkten creditiert ist, kann dann als schriftliche Hausarbeit am Ende des Referendariats entstehen.

        Ein solches Konzept bedeutet eine intensive Verschränkung von erster und zweiter Phase, würde den Vertretern der ersten Phase ein höheres Maß an Berufsfeldorientierung ermöglichen sowie den Vertretern der zweiten Phase ermöglichen, an den jeweils neuesten Forschungsergebnissen teilzuhaben.

        Bei den bisherigen Erweiterungsstudiengängen sollte überlegt werden, inwieweit einige Inhalte aufgenommen werden können in das grundlegende Bachelorstudium und die nachfolgenden Masterstudien für bestimmte Lehrämter. Erweiterungsstudiengänge sollten aber daneben auch als eigenständige, konsekutive wie nicht konsekutive Master angeboten werden. Sie bieten sich vor allem dort an, wo mit ihrem Erwerb eine Zusatzqualifikation verbunden ist z.B. als Beratungslehrkraft.

        Eine generelle Abschaffung des 1.Staatsexamens lehnt der BLLV ab, solange nicht gesichert ist, dass die universitäre Lehre die dringend notwendige Berufsfeldorientierung nachweist und die Eigengesetzlichkeit der Lehrerbildung zu garantieren vermag. Dies ist derzeit noch nicht der Fall. Erst dann kann an eine Ablösung des 1. Staatsexamens durch einen alleinigen Master-Abschluss gedacht werden. Das 2. Staatsexamen muss auf Dauer erhalten werden, weil es durch seinen Wettbewerbscharakter die entscheidende Zulassungsvoraussetzung für die Verbeamtung der Lehrer darstellt.

      2. Gleichwertigkeit aller Studieninhalte
        Der unterschiedliche Umfang von Fachwissenschaft, Fachdidaktik, Erziehungswissenschaft und schulpraktischen Studien ist in den verschiedenen Lehramtsstudiengängen notwendig. Allerdings kann dies keinesfalls als Begründung für eine unterschiedliche Ausbildungsdauer und für einen unterschiedlichen Status der Lehrer herangezogen werden. Für Grundschullehrer ist heute die besondere Bedeutung der Grundschulpädagogik unbestritten, die Arbeit in den Haupt-/Mittelschulen erfordert vertiefte Kompetenzen im Bereich des pädagogischen und psychologischen Handelns.

        Konkret heißt dies z. B.: Es gibt keinen nachvollziehbaren Grund, warum Grundschuldidaktik oder Schulpädagogik nicht gleichwertig sein sollen mit Literaturgeschichte in Germanistik oder Anglistik, mit organischer oder anorganischer Chemie oder mit der Kunstgeschichte der Renaissance. Die Qualität eines Lehramtsstudiengangs kann im 21. Jahrhundert nicht mehr nach dem prozentualen Anteil an fachwissenschaftlichen Inhalten bewertet werden.

        Ein gelungenes Beispiel für die Gleichwertigkeit fachwissenschaftlicher und erziehungs­wissenschaftlicher Studieninhalte stellen alle sonderpädagogischen Studiengänge dar. Sie fordern beim Studienabschluss 270 ECTS- Punkte wie die gymnasialen Studiengänge, besitzen aber einen erheblich geringeren Anteil an fachwissenschaftlichen Studieninhalten als diese.

  2. Eigenständigkeit der Lehrerbildung

    1. Ist-Situation
      Mit der Einführung der modularisierten Studiengänge, deren Grundkonzept aus dem angloameri­kanischen Raum stammt, wurden auch andere Konzepte und Strukturen, wie sie sich vor allem an amerikanischen Universitäten finden, bei uns bekannt und setzen sich zunehmend durch. Im Bereich der Lehrerbildung ist dies vor allem das Modell der so genannten Schools of Education. An amerikanischen Universitäten studieren Mediziner an eigenen Schools of Medicine, Juristen an eigenen Schools of Law und Lehrer an Schools of Education. In Bayern hat die Technische Universität München als erste das Konzept einer eigenständigen Lehrerbildung in Form der TUM School of Education aufleben lassen, das derzeit intensiv diskutiert wird. Dieser Tradition steht in Deutschland bisher an den meisten Universitäten ein Konzept der Lehrerbildung gegenüber, bei dem die Lehramtsausbildung integriert wird in die Ausbildung der jeweiligen Fach- und Erziehungswissenschaftler. Dies bedeutet, dass darunter notwendigerweise die erforderliche Berufsfeldorientierung des Lehramtsstudiums mit einer Fülle unerwünschter Konsequenzen leidet.

      Ziel einer derartigen Institutionalisierung ist es, ein neues Selbstverständnis der Lehrerbildung zu erreichen und vor allem bei den Fachwissenschaften zu neuen wissenschaftstheoretisch interessanten Schwerpunktsetzungen zu führen. Beispiele einer solchen bedeutsamen Verände­rung zeigen die Sozialgeschichte und die Sozialgeographie, die in beiden Wissenschaften zu ganz neuen Sichtweisen, zu neuen Lehr- und Forschungsansätzen geführt haben und die gerade für die Fachdidaktik dieser Fächer von erheblicher Bedeutung waren und sind.

      Auch angesichts der starken Kritik von Studierenden und Referendaren an der derzeitigen universitären Lehramtsausbildung erscheint es dringend geboten, hier Veränderungen auch in anderen Fächern herbeizuführen.

      Dabei ist man derzeit bundesweit bemüht, sich der geforderten Eigenständigkeit der Lehrerbildung dadurch anzunähern, indem man an nahezu allen deutschen Universitäten Lehrerbildungszentren geschaffen hat, die die Interessen der Lehrerbildung in dem vielfältigen Kanon von Fächern und Fakultäten vertreten sollen. An ihren Erfolgen kann abgelesen werden, welchen Stellenwert die jeweilige Universität der Lehrerbildung zuzugestehen bereit ist.

    2. Forderungen des BLLV
      Der BLLV fordert, der Lehrerbildung von Seiten der Universitäten und des Gesetzgebers eine größere Eigenständigkeit zuzugestehen.
      Auf dem Weg zu einer vollständigen Eigenständigkeit der Lehrerbildung, wie Sie eine School of Education darstellt, sollten die Hochschulleitungen und Lehrerbildungszentren die Einrichtung von Parallelstrukturen (Doppel- Bachelor einerseits, Lehrerbildung andererseits), vor allem in den Fachwissenschaften betreiben. Auf diese Weise könnte die Eigenständigkeit der Lehrerbildung in kleineren Schritten vorangetrieben werden. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass man den Lehrerbildungszentren mehr Einfluss zugesteht.

      Konkret würde dies bedeuten, dass man zumindest Teile des Lehramtsstudiums ausgliedert mit dem Ziel, am Ende des Entwicklungsprozesses in einer School of Education alle Lehrveran­staltungen, die für die Ausbildung von Lehrern notwendig sind, in einer eigenen Fakultät zu vereinen. Hier finden sich dann Zielgruppen, die sich ausschließlich aus Lehramtsstudierenden zusammensetzen. Auf diese Weise können sich sowohl die universitäre Lehre wie auch die Forschung stärker als bisher am späteren Berufsfeld der Lehramtsstudierenden ausrichten. Zugleich kann so eine höhere Motivation und ein größeres Engagement der Studierenden angebahnt werden: „Studierende kommen in der Lehre vor“ und fühlen sich nicht mehr wie bisher fremd in falschen Veranstaltungen. Darüber hinaus trägt die gemeinsame Ausbildung von Lehramtsstudierenden aller Schularten auch dazu bei, eine berufsspezifische, professionelle Identität auszubilden.

  3. Berufsfeldorientierung der Lehrerbildung

    1. Ist-Situation
      An den meisten bayerischen und auch deutschen Universitäten findet Lehrerbildung in der Regel integriert in andere Bachelor- und Master-Studiengänge statt. Dabei besuchen die Lehramts­studierenden in den Erziehungswissenschaften die gleichen Veranstaltungen zusammen mit späteren Hauptfachpädagogen, mit Studierenden, die später im Bereich von Kinder- und Jugendeinrichtungen oder im Bereich der Erwachsenenbildung tätig werden.

      In den Fachwissenschaften sind Lehramtsstudierende integriert in Studiengängen, in denen in der Regel zwei Fachwissenschaften zum Erwerb eines Bachelors bzw. eines Masters studiert werden. Lediglich in den Fachdidaktiken sind Lehramtsstudierende als homogene Zielgruppe angesprochen. Die Heterogenität der Zuhörerschaft in Erziehungs- und Fachwissenschaften erklärt, weshalb die Profession des Lehrers und sein beruflicher Alltag nicht den Stellenwert in der universitären Ausbildung besitzen, der Ihnen eigentlich zukommen müsste.

      Lehrer, die in ihrem späteren Beruf Experten für Unterricht und Erziehung sind, benötigen dafür die entsprechende Ausbildung. Solange Lehramtsstudierende gemeinsam mit Kommilitonen, die völlig andere Berufsziele verfolgen, durchweg die gleichen Veranstaltungen besuchen, können nicht die notwendige Spezifizierung und Professionalität erreicht werden, die im Lehrberuf unabdingbar notwendig sind.

    2. Forderungen des BLLV
      Der BLLV fordert, dass sich die universitäre Lehre und Forschung in ihren Fragestellungen und Konkretisierungen stärker am Berufsfeld Schule ausrichten. Dazu gehört auch, dass erfolgreiche Schulerfahrung eine Voraussetzung für die Berufung von Hochschullehrern im Bereich der Lehrerbildung ist. Im Rahmen eines solchen Professionalisierungsprozesses muss auch die Bedeutung der schulpraktischen Studien der ersten Phase wie der theoretisch reflektierten Schulpraxis der zweiten Phase stärker herausgearbeitet werden.

      Universitäre Forschung wird häufig als Grundlagenforschung angesehen, während angewandte Forschung eher Aufgabe der Hochschulen für angewandte Wissenschaften (frühere Fachhoch­schulen) sind. Berufsfeldbezug wird im gleichen Atemzug mit geringerer Wissenschaftlichkeit und einem Verzicht auf qualifizierte Forschung gleichgesetzt. Auch der Einwand gegen eine stärkere Berufsfeldorientierung der ersten Phase, dass derlei Inhalte und Kompetenzen ohnehin in der zweiten Phase, dem Referendariat vermittelt würden, kann die fehlende Berufsfeld­orien­tierung des Studiums nicht legitimieren. Hinzu kommt, dass die gelungene berufsfeldbezogene Arbeit der zweiten Phase im Universitätsbereich nicht die Anerkennung erfährt, die ihr zusteht. Die Verquickung beider Phasen im Rahmen des angestrebten Masterstudiums kann hier sicher Abhilfe schaffen.

      Die Lehrerbildung in allen Lehrämtern befindet sich im Forschungsbereich in einem besonderen Dilemma: Eine berufsfeldorientierte Forschung hat fast immer ihren Ausgangspunkt in Proble­men und Fragen der konkret vorgefundenen beruflichen Wirklichkeit. Versucht sie, den im Beruf befindlichen Praktikern Antworten auf Ihre Fragen und Hilfestellungen in Problemsituationen zu geben, so riskiert sie sehr rasch den Vorwurf, zu sehr auf Verwendbarkeit und Anwendbarkeit zu schielen und somit Ihrem akademischen Anspruch auf unabhängige Forschung nicht mehr gerecht zu werden. Dieses Dilemma darf nicht zu einer Verleugnung des Berufsfeldbezugs in der ersten Phase der Lehrerbildung führen. Eine wichtige Aufgabe haben hier die schulpraktischen Studien zu erfüllen, die den Zusammenhang zwischen Theorie und der Berufspraxis zu vermitteln haben. Darüber hinaus müssen Lehrkräfte gewonnen werden, die bereit sind, zur Stärkung des Berufsfeldbezugs in der Lehrerbildung sowie zur Vernetzung der Lehrerbildungsphasen an die Universität zu wechseln. Sollte dieser Wechsel zeitlich befristet sein, so dürfen bei einer Rückkehr in den Schuldienst keine dienstrechtlichen Nachteile entstehen. Auf diese Weise wird es auch möglich sein, bei der Berufung von Hochschullehrern im Bereich der Lehrerbildung das Kriterium einer erfolgreichen Schulerfahrung als wesentliche Voraussetzung aufrecht zu erhalten und juristisch zu verankern.

      In den Erziehungswissenschaften bedeutet Berufsfeldorientierung eine sehr viel stärkere Ausrichtung und Orientierung an den schulischen und unterrichtlichen Gegebenheiten unserer Schulen. Der BLLV fordert deshalb einen engeren Zusammenschluss von universitärer Lehre und Forschung einerseits und der professionellen Wirklichkeit von Lehrern aller Schularten andererseits.

      Dabei müssen sich die Fachdidaktiken in erhöhtem Maße ihrer Funktion als Vermittlungs­wissen­schaften bewusst werden. Es muss gelingen, dass Fachwissenschaft und jeweilige Fachdidaktik in Lehre und Forschung intensiver kooperieren. Auf diese Weise können beide Bereiche ihr wissenschaftstheoretisches Selbstverständnis weiter entwickeln. Für die Fachdidaktiken bedeutet das u. a., dass sie sich auch mit aktuellen Fragen der Schulpraxis auseinandersetzen, wie z. B. der Diagnose von Lernhemmungen im jeweiligen Fach, Fragen der Inklusion und des Umgangs mit der gewachsenen Heterogenität der Schülerinnen und Schüler. Zugleich können und müssen die Fachdidaktiken sich darum bemühen, den Lehrkräften aller Schularten verstärkt neueste und für die konkrete Schularbeit relevante Forschungsergebnisse zu vermitteln, was im Moment noch zu selten erfolgt.

      Der BLLV fordert, dass alle Hochschullehrer, die sich um eine Professur im Bereich der Schulpädagogik und der Fachdidaktiken bewerben, nach der Ablegung ihres 2. Staatsexamens mindestens drei Jahre Berufserfahrung in einem der Lehrämter nachweisen. Diese Bedingung muss auch Eingang finden in die gesetzlichen Vorgaben, wie sie sich im Bayerischen Hochschullehrergesetz finden.

      Die Berufsfeldorientierung muss durch einen Transfer von Schule und Universität gestärkt werden.

  4. Die innere Einheit der Lehrerbildung

    1. Ist-Situation
      Derzeit stehen in Bayern in der Lehrerbildung die erste Phase mit der Ausbildung an der Universität, die zweite Phase mit dem zweijährigen Referendariat und die dritte Phase mit der Lehrerfort- und -weiterbildung relativ unkoordiniert nebeneinander. Eine Ursache dafür ist, dass die Zuständigkeiten für jede der drei Phasen in ganz unterschiedlichen Händen liegen. Während die erste Phase in hohem Maße durch die Universitäten bestimmt wird und in Bayern nur durch das Bestehen der LPO I und des geforderten ersten Staatsexamens enger mit den Maßgaben des Kultusministerium verbunden ist, steht die zweite Phase in der ausschließlichen Zuständigkeit der jeweiligen Seminarleiter, die wiederum der Schulabteilung der jeweiligen Bezirksregierung bzw. im Bereich von Gymnasium und Realschule den Ministerialbeauftragten unterstellt sind. Die Zuständigkeit für die Fort- und Weiterbildung in der dritten Phase liegt dagegen bei der Akademie für Lehrerfortbildung und Personalführung in Dillingen, den jeweiligen Ministerialbeauftragten sowie den Schulabteilungen der Mittelbehörden und den einzelnen Schulämtern und Schulen.

      Es finden bereits an vielen Stellen in diesem Bereich Formen der Kooperation statt, allerdings noch nicht in dem Maße, wie es wünschenswert wäre. Durch die Umstellung auf das Bachelor-/Master-System tritt vor allem im Bereich der Weiterbildung immer stärker die Frage nach ent­sprechenden Masterstudiengängen auf, die die Weiterqualifizierung von Lehrkräften verknüpfen mit dem Erwerb einer zusätzlichen akademischen Qualifikation in Form eines Masters. Nachdem die Vergabe des Mastertitels nur durch Hochschulen erfolgen kann, müssen im Bereich der Weiterbildung die Universitäten und die Hochschulen für angewandte Wissenschaften wesentlich stärker einbezogen werden. Dabei ist es auch nötig, dass bei diesen Weiterbildungen die Experten der 2.und 3. Phase der Lehrerbildung berücksichtigt werden.

    2. Forderungen des BLLV
      Der BLLV fordert, dass in der Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften neben der Akademie für Lehrerfortbildung und Personalführung in Dillingen und den verantwortlichen Institutionen im Schulbereich die Universitäten und Hochschulen für angewandte Wissenschaften stärker einbezogen werden. Auf diese Weise soll auch die Entwicklung und Etablierung von lehramtsspezifischen Masterstudiengängen vorangetrieben werden.

      Dabei muss es gelingen, ein Gesamtkonzept der gesamten Fort- und Weiterbildung im Bereich aller Schularten in Form eines gemeinsamen Curriculums und eines entsprechenden Katalogs von Kompetenzen in allen Bereichen des Lehramts zu entwickeln. An der Entwicklung dieses Konzepts müssen alle Institutionen sowie die Adressaten in den Schulen beteiligt werden. Nur so lässt sich die notwendige Effizienz und Effektivität schaffen, nur so kann eine erfolgreiche Strukturierung und Koordinierung aller Fortbildungsangebote erreicht werden.

      Für die universitäre Lehrerbildung bedeutet eine solche stärkere Verschränkung mit der zweiten und dritten Phase, dass sie intensiv an den Entwicklungen im schulischen Alltag beteiligt wird und dass so auch eine ständige Korrektur möglicher Fehlentwicklungen erreicht wird. Zugleich kann so auch die Professionalisierung des Lehrerberufs durch die ständige Anbindung an wissenschaftliche Forschung optimiert werden.

      Die Frage, inwieweit die Vergabe von Funktionsstellen im Schulbereich abhängig gemacht werden soll vom Erwerb von Masterabschlüssen (z.B. Master of Educational leadership), ist aus Sicht des BLLV noch nicht abschließend zu bewerten.