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Münchner Merkur (19.01.2024): BLLV-Kreisvorsitzende Kerstin Rehm zur Teilzeit-Reduzierung Regionales

Lehrkräfte am Limit: "Ältere stehen Vollzeit oft nicht mehr durch!"

Mehr Deutschunterricht an Grundschulen findet BLLV-Kreisvorsitzende Kerstin Rehm ist eine gute Idee. Doch sie warnt im Interview mit dem Münchner Merkur, dass strengere Teilzeitregeln, die dienstälteren Kolleginnen und Kollegen nicht berücksichtigt.

Ministerpräsident Markus Söder will Teilzeitregelung an das Alter der Kinder koppeln. Je älter die Kinder, desto weniger sollte den Lehrkräften die Möglichkeit auf Teilzeit gegeben werden, so eine Idee. Bei der Debatte um die Teilzeit-Reduzierung stößt Kerstin Rehm eine Sache besonders auf: "Hier dürfen die dienstälteren Kolleginnen, die ja zum Teil schon erwachsene Kinder haben, nicht vergessen werden. Auch sie müssen die Möglichkeit haben, in verschiedenen Teilzeitoptionen zu arbeiten und ihr Stundenmaß von derzeit 24 Stunden gegebenenfalls auch zu reduzieren."

Was komplett außer acht gelassen werde, ist, dass viele Lehrerinnen und Lehrer jahrelang ihren Beruf bereits am Limit gearbeitet haben. Lehrkräfte sind besonders hohen Belastungen ausgesetzt und stehen Vollzeit körperlich und psychisch nicht durch. Und natürlich treffe diese Regelung vor allem Frauen: "Die verpflichtende Stundenanzahl der Älteren müsste zurückgefahren werden. Im Bezug auf die jüngeren Lehrkräfte – 87 Prozent des Kollegiums ist weiblich – muss die Möglichkeit von Teilzeit weiter behalten werden, um Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen. Wenn man auch jüngeren Frauen die Teilzeitoptionen drastisch streicht, wird dieser Beruf für Frauen unattraktiv. Deshalb muss das alles auf freiwilliger Basis bleiben," erklärt Rehm.

Höchste Unterrichtsverpflichtung mit schlechtester Bezahlung an Grundschulen

Die meisten Lehrkräfte fehlen an Grund- und Mittelschulen. Was aus Kerstin Rehms Sich unerlässlich ist: "Eine bessere Vergütung analog zu Realschul- und Gymnasiallehrern. Aktuell haben wir an den Grundschulen die höchste Unterrichtsverpflichtung und die schlechteste Bezahlung, bei zum Teil grauenvollen Arbeitsbedingungen wegen überbordender Aufgaben. Wenn der Beruf wieder machbar wird, dann wird es auch viel weniger Kolleginnen geben, die aus gesundheitlichen Gründen in Teilzeit arbeiten müssen.

Mehr Deutschunterricht an Grundschulen

Eine Stunde mehr Deutschunterricht an Grundschulen findet Kerstin Rehm, sei eine herovrragende Idee. Dabei sei vor allem wichtig, dass die Stundentafel nicht aufgestockt werde, sondern eine Stunde ersetzt wird. Auf die Nachfrage, welche Stunde dafür wegfallen könne, erklärte Kerstin Rehm: "Meiner Ansicht nach wäre das das Fach Englisch in der 3. und 4. Klasse. Das ist eine Angelegenheit für weiterführende Schulen. An den Grundschulen sollte es um die Basics gehen. In den ersten Klassen ist das einfacher. Die arbeiten nach dem Prinzip des Grundlegenden Unterrichts. Da kann die Lehrkraft die Schwerpunkte je nach Bedarf setzen. Wir würden aber mit unserer Forderung noch weitergehen und in den 3. und 4. Klassen die zweite Englischstunde ebenfalls eintauschen – gegen ein Fach, in dem interkulturelle Verständigung, Friedenserziehung, Stärkung des Europäischen Gedankens und der verschiedenen Feste in Europa Thema sind. Da müsste die Sprachkultur mit rein und auch, wie man sich anderen gegenüber verhält."

Die Lösungen um den Lehrkräftemangel anzugehen, sind nicht zielführend

Mit 3000 Euro Extrageld will Bayern Lehrkräfte aus anderen Bundeländern abwerben. "Die rettende Idee, dank derer wir vom aktuellen Lehrerschwund hin zu einer ausreichend großen Personaldecke kommen, ist das sicher nicht." so Rehm. Sie plädiere grundsätzlich das Ländertauschverfahren für Lehrerinnen und Lehrer zu erleichtern. "Dennoch ist es wichtig. Ich bin schon lange eine Verfechterin davon, das Ländertauschverfahren für Lehrkräfte zu erleichtern, sodass man leichter in ein anderes Bundesland wechseln kann. Es wäre der Beginn einer Reform in der Ausbildung der Lehrkräfte. Denn um das zu ermöglichen, müsste der Abschluss von Bachelor und Master bundesweit so modifiziert werden, dass es keine erheblichen Niveauunterschiede in den einzelnen Bundesländern mehr gibt."