Wie gelingt Motivation im Schul- und Bildungsbereich? Und wie wecke ich Interesse bei jungen Menschen im schulischen Kontext? Zwei bedeutende Fragen, wenn es um die Qualität und den Ertrag bei menschlichen Lernprozessen geht. Und zwei zentrale Fragen, die das wissenschaftliche Wirken des Erziehungswissenschaftlers Hans Schiefele über Jahrzehnte bestimmt haben. Wer, wie ich, Anfang der 70er Jahre sein Lehramtsstudium absolvierte, kam an Hans Schiefele nicht vorbei. Und zwar nicht nur in Bayern, sondern in der gesamten Bundesrepublik.
„Motivation und Unterricht“, „Schule von heute – Schule von morgen?“ oder „Lernmotivation und Motivlernen“ gehörten deutschlandweit zu den Standardwerken im Bereich der Pädagogik und der Psychologie. Als Forscher beeinflusste er die Empirische Pädagogik und die Pädagogische Psychologie im deutschsprachigen Raum. Als Hochschullehrer beeindruckte und begeisterte er die Lehramtsstudenten. Das lag daran, dass er einerseits ein ausgewiesener Experte in den Erziehungswissenschaften war und andererseits das Innenleben der Schule aus eigener praktischer Lehrertätigkeit kannte.
Unmittelbar nach Kriegsende erwarb sich der Sohn eines Volksschullehrers an der Lehrerbildungsanstalt Weißenhorn wichtige Kompetenzen für die Ausübung des Lehrerberufs. Nach zwölf Jahren an überwiegend einzügigen Landschulen unterrichtete er zehn Jahre lang in München. Einen derart berufsfeldorientierten Durchblick bringen Lehrerbildner bis heute kaum mit. Neben der Praxis gehörte Schiefeles Interesse den Erziehungswissenschaften. Sein Zusatzstudium in Psychologie schloss er mit einem Diplom ab, anschließend folgte die Promotion zum Dr. phil. Das Thema seiner Habilitation ließ erahnen, womit er sich in Zukunft sehr intensiv beschäftigen wollte: „Motivation im Unterricht“.
BLLV-Mitglied seit fast 80 Jahren
Der damalige BLLV-Präsident Albin Dannhäuser würdigte Hans Schiefele anlässlich dessen 80.Geburtstages für seine „herausragenden Leistungen in der pädagogischen Wissenschaft und in der Lehrerbildung“. Schiefele habe unzählige Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer „nachhaltig geformt und im wahrsten Sinne gebildet“. Für diese Würdigung durch den BLLV-Präsidenten gab und gibt es viele Gründe. Schiefele ist nämlich nicht nur ein bedeutender Erziehungswissenschaftler. Er ist auch seit fast 80 Jahren Mitglied im BLLV.
1946 trat er dem Verband bei und war ein enger Freund des BLLV-Präsidenten Wilhelm Ebert. Er war auch Eberts zuverlässiger Berater und kompetenter Unterstützer. Es spricht einiges dafür, dass er dem damaligen BLLV-Präsidenten wertvolle Impulse gegeben und manche Vorlagen für große Reden geschrieben hat. Schiefele würde das nie für sich in Anspruch nehmen. In den Begegnungen, die ich mit ihm haben durfte, beeindruckte er mich durch seine vornehme Zurückhaltung und durch seine würdevolle Bescheidenheit. Dabei hat er Großes geleistet und ist auch mit vielen hohen und höchsten Auszeichnungen geehrt worden.
Die Talente des erfolgreichen und allseits geschätzten Hochschullehrers beschränken sich nicht nur auf den Bereich der Pädagogik und Psychologie. Ein Blick in die Liste seiner Publikationen zeigt neben ungezählten wissenschaftlichen Büchern und Aufsätzen auch einige literarische Texte. So schrieb er nach Eintritt in den Ruhestand das Buch „Am Russenweiher und andere Kindheitsgeschichten“ (1991) und „Mancherlei Leben im einzigen Dasein“ (2000). In dem Buch „Totenvogel Goldfasan“ beschreibt Schiefele das Leben eines Lehrers, der dem Führer blindlings folgt und als Leutnant seinen Dienst tut. Insofern nicht nur eine Chronik deutscher Schicksalsjahre in einem schwäbischen Dorf, sondern ein sehr politisches Buch, das an Aktualität nichts verloren hat.
Der Schalk im Nacken
Wer Hans Schiefele aufmerksam zuhört, erkennt bald, dass dem seriösen und sehr gewissenhaften Wissenschaftler ein ausgewachsener Schalk im Nacken sitzt. Dass dies nicht nur eine Vermutung ist, hat Schiefele schwarz auf weiß belegt. In dem Buch „Der Aktenbote, Innenansicht eines Ministeriums“ beschreibt er satirisch, wie Bürokratie funktioniert und was sie bewirkt. Protagonist ist der Amtsbote Josef Ickeder, der Tag für Tag ins Ministerium geht, um Akten von einem ins andere Amtszimmer zu transportieren. „Seine Verantwortung ist nicht groß“, heißt es an einer Stelle. „Er muss nur da sein, wenn man ihn braucht und tun, was man ihm sagt.“
Hans Schiefele war sich seiner großen Verantwortung immer bewusst. Er war und ist immer da, wenn man ihn braucht. Und er tut, was er für richtig hält. So soll es noch viele Jahre bleiben. Der BLLV gratuliert sehr herzlich zum 100. Geburtstag und wünscht gutes Gelingen beim Einstieg ins neue Jahrhundert.
<< Klaus Wenzel, Ehrenpräsident des BLLV
Prof. Dr. Dr. h.c. Hans Schiefele zum 100.
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Multitalent und Lehrerbildner mit Durchblick
BLLV-Ehrenpräsident Klaus Wenzel ehrt zum 100. Geburtstag den herausragenden Pädagogen und Lehrkräftebildungsexperten Hans Schiefele, der sich seit nunmehr fast 80 Jahren im BLLV engagiert.