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Eigenverantwortung Lernplattform

Schulen brauchen Spielraum, aber auch Rückendeckung

Kultusminister Piazolo wirbt im Interview mit dem BR um Verständnis für Lehrkräfte in der Krisensituation. Er verteidigt seine Haltung, Schulen vor Ort Entscheidungsfreiheit zuzugestehen. Fritz Schäffer, Leiter der Abteilung Schul- und Bildungspolitik findet: Schulen können nur dann Entscheidungen vor Ort treffen, wenn sie nicht fürchten müssen, kleinlich zur Rechenschaft gezogen zu werden.

Vergiftet die Coronakrise und die Herausforderung des Lernens zu Hause das Verhältnis zwischen Lehrkräften und Eltern? Wer die Medien der vergangenen Wochen verfolgt hat, konnte diesen Eindruck gewinnen. Mehrere Schlagzeilen verwiesen darauf, dass sich Eltern über mangelndes Engagement und fehlende Professionalität von Lehrkräften während der Zeit der Schulschließung beklagen. Doch wer sich nicht nur über das Studium von Schlagzeilen mit diesem Thema auseinandersetzte, musste dieses Urteil schnell relativieren. Nicht nur, dass die offiziellen Elternvertreter ebenfalls darauf hingewiesen, dass sich die Mehrzahl der Eltern durchaus zufrieden mit der Situation geäußert haben, auch alle der unterschiedlichsten Umfragen und Studien, die zu diesem Thema kursieren, bestätigen diesen Eindruck.

Insgesamt lief angesichts der krisenhaften Umstände diese schwierige und bisher einmalige Phase relativ gut. Sicherlich gab es auch Probleme und bei einer bestimmten Anzahl von Eltern Unzufriedenheit. Dies mag zum einen an manchmal vielleicht überzogenen Erwartungen an die Lehrkräfte liegen, zum anderen sicherlich jedoch auch an vereinzelten Missständen und problematischen Verhaltensweisen. Aber kann irgend ein Mensch ernsthaft erwarten, dass bei 115.000 Lehrkräften in Bayern ausnahmslos alle einen perfekten Job machen in einer Situation, die für sie völlig neu und unbekannt ist, auf die sie nicht vorbereitet waren, die über Nacht auf sie zu gekommen ist und für die sie nur äußerst unzureichend Hilfestellungen erhalten haben?

Lehrkräfte, Eltern und Schulkinder müssen zusammenarbeiten

Nun hat auch Kultusminister Piazolo im BR-Interview dankenswerterweise für Verständnis für die Lehrkräfte geworben: "Das ganz Entscheidende ist die Kommunikation untereinander. Und wenn es nicht funktioniert, sollte man aufeinander zugehen. Auch mal telefonieren, entweder von den Lehrerinnen und Lehrern an die Eltern oder umgekehrt. Dann kann man solche Dinge auch wieder ausräumen."

Sehr viele der aufgetretenen Probleme sind allein schon der fehlenden technischen Ausstattung und der Überlastung der Plattform mebis geschuldet. Wer sich umschaut, kann nur staunen, welche Kreativität und wie viel Engagement zahlreiche Lehrerinnen und Lehrer aufgewandt haben, um diese Missstände in den Griff zu bekommen. Unterschiedlichste alternative Plattformen wurden ausprobiert, man arbeitete sich in verschiedenste Systeme ein und nutzte alle möglichen Kanäle. Dass dies Eltern auch zuweilen überfordern kann, wenn zu viele verschiedene Kanäle und Plattformen genutzt werden, ist klar. Deshalb ist es auch richtig, dass man hier für die Zukunft mehr Einheitlichkeit zumindest innerhalb einer Schule anstrebt. Aber auch hier hat sich im Laufe der Wochen viel getan. Nicht nur Schülerinnen und Schüler, sondern vor allen Dingen auch Lehrerinnen und Lehrer und auch manche Eltern haben in dieser Zeit viel dazugelernt. So lief auch am Ende vieles bereits deutlich besser als am Anfang. Wie sollte es auch anders sein?

Schuldzuweisungen sind jetzt nicht angebracht

Nichts soll schön geredet werden an den vergangenen zwei Monaten und sicherlich ist es sinnvoll, Bilanz zu ziehen und zu fragen, welche Konsequenzen aus den Erfahrungen für die Zukunft gezogen werden müssen. Aber ebenso sicher ist, dass solche Krisenzeiten nicht dazu geeignet sind, sich gegenseitig mit Schuldzuweisungen und Vorwürfen zu konfrontieren. Sicher hätte das Kultusministerium früher Hilfestellungen und Orientierung geben können und transparenter und klarer kommunizieren können.

Piazolo weist in dem Interview darauf hin, dass es klare Ansagen aus dem Ministerium gegeben habe, aber auch Eigenverantwortlichkeit vor Ort. Zwar kann man bezweifeln, ob diese Aussagen wirklich immer so klar waren. Dafür kamen sie häufig zu spät, zu unkoordiniert und enthielten viel zu viele Redundanzen. Dennoch war es meiner Ansicht nach grundsätzlich der vollkommen richtige Weg, sich auf die Vorgabe von Leitplanken zu beschränken und den Schulen und Lehrkräften vor Ort möglichst viel Freiheit und Flexibilität bei der Umsetzung einzuräumen. Piazolo hat schon relativ früh betont, die Lehrer seien dafür zuständig, auf die jeweilige Situation einzugehen. Wenn er darauf verweist, dass die Unterschiede im Land groß, hat er zweifellos recht. Insofern braucht es auch nach Ansicht des BLLV diesen Spielraum. Dieser Spielraum wäre jedoch sicherlich noch beherzter genutzt worden, wenn unser Schulsystem auch schon vorher stärker auf Eigenverantwortung vor Ort gesetzt hätte. Klar ist, wer vor Ort flexibel entscheiden soll, braucht hierfür die Rückendeckung von oben. Wer Angst hat, für seine Entscheidungen im Nachhinein kleinlich zur Rechenschaft gezogen zu werden, wird kaum mutig handeln.

 In einer solchen Krisensituation können nicht alle Erwartungen erfüllt werden, häufig heißt zu entscheiden, zwischen unterschiedlichen Nachteilen abzuwägen. Die Kompetenz für diesen Abwägungsprozess liegt am besten vor Ort in der Profession der Lehrkräfte und Schulleitungen. Dies war von Anfang an die Position des BLLV, auch wenn es dagegen Widerstände gab. Selbstverständlich werden auch Fehler gemacht. Doch statt sich gegenseitig Vorwürfe zu machen, braucht es, nebenbei bemerkt nicht nur in so außergewöhnlichen Zeiten wie diesen, auch ein gewisses Maß an Gelassenheit im Umgang mit Fehlern. Besser als lähmende Furcht vor Fehlern sind Lernbereitschaft und die Fähigkeit, solche Fehler möglichst schnell wieder zu korrigieren.

Wenn sich eine solche Haltung durchsetzt, könnten wir alle auch gestärkt aus dieser Krise hervorgehen.

>> Autor: Fritz Schäffer, BLLV-Leiter der Abteilung Schul- und Bildungspolitik

>> Der br.de-Artikel "Piazolo: Eltern sollen unterstützen und keine Ersatzlehrer sein" zum Nachlesen



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