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Trotz Rückzug der Grippewelle viele Unterrichtsausfälle

In Niederbayern, Oberpfalz und Mittelfranken ist die Situation derzeit besonders schlimm / Weil es nicht genügend Lehrkräfte gibt, muss Unterricht ausfallen

München - Den Bayerischen Lehrer-und Lehrerinnenverband (BLLV) erreichen Hilferufe von Schulleitern und Lehrkräften, die nicht mehr wissen, wie sie den Unterricht aufrechterhalten sollen: Die Grippewelle legt ihre Schulen lahm. Besonders gravierend ist die Situation in Mittelfranken, Niederbayern und der Oberpfalz. „Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass dort so manche Kollegien am Ende sind“, sagte BLLV-Präsident Klaus Wenzel heute in München. Sie wüssten einfach nicht mehr, wie sie die Schüler wenigstens mit einem Notprogramm versorgen sollen. Von differenziertem Unterricht,  zusätzlichen Angeboten oder individueller Förderung rede ich gar nicht.“ Immer wieder erreicht der Unterrichtsausfall Spitzen, vor allem dann, wenn die Grippe grassiert und viele Lehrkräfte erkranken. Hinzu kommen übliche Fehlzeiten wegen Schwangerschaft oder anderen Ausfällen. „Die Mobilen Reserven reichen einfach nicht aus“, sagte Wenzel. „Sie sind meistens schon zu Beginn eines Schuljahres verplant.“ Er forderte das Kultusministerium auf, umgehend Maßnahmen einzuleiten und den betroffenen Schulen zu helfen. Aus seiner Sicht sind die regelmäßigen Unterrichtsausfälle an den Schulen der Beleg für die finanzielle Unterversorgung des bayerischen Schul- und Bildungswesens. Es werde zwar stets behauptet, Bildung hätte Priorität - „diesen Eindruck haben die Schulleiter und Lehrkräfte aber nicht“, kritisierte er.

 

„In verschiedenen Schulamtsbereichen Mittelfrankens ist die Situation im Moment sehr schwierig“, erklärt BLLV-Bezirksvorsitzender Gerhard Gronauer. Er hat vor wenigen Tagen abgefragt, wie es um die Unterrichtsversorgung an den mittelfränkischen Schulen steht. Ergebnis: „Es gibt Regionen, die haben das Schlimmste hinter sich, in einigen Gegenden brennt es aber noch.“ Gronauer nennt als Beispiele Schulen im Raum Erlangen und Roth. Dort falle seit Wochen Unterricht aus, weil es keine Mobilen Reserven gebe. Die Folgen seien Klassenzusammenlegungen, Kollegen führten noch andere Klassen mit oder aber Klassenteilungen. „Die Schulleiter sprechen von einer katastrophalen Lage“. Ein Schulamtsbezirk hätte berichtet, dass allein im ersten Schulhalbjahr 120 Stunden weggefallen seien. Man habe sie nur „minimal wiederbesetzen können“. Arbeitsgemeinschaften, profilbildende Stunden, Differenzierungsstunden für Jahrgangsmischungen fänden kaum noch statt. Die Mittelschulverbünde wurden alle an der „untersten zulässigen Grenze“ versorgt, Überstunden sammelten sich an. Der Frust sei  groß“, heißt es in einer der zahlreichen Mails, die Gronauer erreicht haben, wörtlich.

 

In Niederbayern ist die Situation ähnlich: Zwar flaue die Grippewelle allmählich ab, so die BLLV- Bezirksvorsitzende Judith Wenzl, aber an zahlreichen Schulen herrsche - wie im letzten Jahr auch - der Notstand. Auch seien die Mobilen Reserven längst aufgebraucht. Wenzl nennt ein Beispiel: Weil eine Grundschullehrerin derzeit auf Fortbildung sei, müsse eine andere ihre 28 Stunden vertreten. Sie halte nun in einer Woche 14 Stunden in Doppelführung - wobei in beiden Klassen 33 Schülerinnen und Schüler zu unterrichten seien. „Das ist leider kein Einzelfall“, sagt Wenzl. Im Landkreis Passau müssen aktuell Kollegien über 1200 Stunden ohne Ersatz vertreten.“

 

In der Oberpfalz ist die Situation vergleichbar: Dort war die Versorgung bereits zum Schuljahresbeginn so schlecht, dass an vielen Grundschulen gerade noch der Pflichtunterricht abgedeckt werden konnte. An vielen Mittelschulen können  kaum Arbeitsgemeinschaften eingerichtet werden. Fachlehrer müssen in Fächern unterrichten, die normalerweise von Hauptschullehrern abgedeckt werden, Förderlehrer werden zu vermehrten eigenverantwortlichen Stunden eingesetzt. „Viele Schulen wissen derzeit nicht mehr, wie sie den Pflichtunterricht aufrecht erhalten sollen“, erklärt die BLLV-Bezirksvorsitzende Ursula Schroll. „Beispielsweise mussten an einer einzigen Schule im Landkreis Cham  von November bis heute 400 Stunden von Kollegen ersatzlos vertreten werden.“ 

 

„Diese Beispiele zeigen, wie ernst es in manchen Regionen Bayerns derzeit ist“, so das Fazit von BLLV-Präsident Wenzel. Auch er bekomme Mails - die letzte aus Oberbayern/München. Eine Lehrerin habe ihm mitgeteilt, dass an ihrer Schule ca. 75% der Differenzierungsstunden nicht bei den Schülern ankommen würden. Sie müssten stattdessen als Vertretungsstunden eingesetzt werden. „Es kann nicht sein“, schreibt sie an Wenzel, „dass ein Großteil der Mobilen Reserve gleich von Anfang an für feste Einsätze abgezogen wird. Unterricht soll nicht ausfallen und trotzdem muss hier und da mit schlechtem Gewissen einfach abgesagt werden, um die anwesenden Kollegen nicht auch noch zu schwächen. Ich bin sicher, ich brauche Ihnen nicht mehr zu schreiben. Sie kennen die Misere. Wir alle kennen sie. Aber muss das ewig so weitergehen?“

 

„Eine berechtigte Frage“, findet Wenzel.  

 

Andrea Schwarz M.A. BLLV-Pressereferentin, Tel: 089/ 72 100 129, presse (at) bllv.de