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TV-Talkshow Markus Lanz Flüchtlinge

Was Lehrkräfte täglich leisten müssen

Simone Fleischmanns Auftritt bei der ZDF-Talkshow Markus Lanz hat eine Flut an Reaktionen ausgelöst. Die BLLV-Präsidentin schilderte, wie es im Schulalltag wirklich zugeht, was es bedeutet, geflüchtete Kinder zu integrieren und woran das Schulsystem krankt.

„Nachdem ich die Sendung auf meinem Facebook-Account gepostet hatte, habe ich hunderte schriftliche Feedbacks darauf bekommen“, berichtet Fleischmann. Mit ihren Aussagen traf sie offenbar die Stimmung vieler Lehrkräfte und Eltern. Via Mail und auf Facebook kommentierten Zuschauer und Freunde, wie sie den Auftritt empfanden. Die meisten waren begeistert und stimmten ihren Aussagen zu.

 

Die Sendung war am Mittwoch aufgezeichnet worden. Das ZDF strahlte sie am Donnerstag, 21. September, kurz vor Mitternacht aus. Als weitere Gäste hatte Moderator Markus Lanz die Spiegel-Journalisten Melanie Ammann, „ZDF heute journal“-Anchorman Claus Kleber und die österreichische Schauspielerin Adele Neuhauser (Tatort Wien) eingeladen. Die Sendung kann in der ZDF-Mediathek angesehen werden.

 

Thema: Integration von Geflüchteten an Schulen

Simone Fleischmann kam gleich zu Beginn der Sendung zu Wort. Eine viertel Stunde lang tauschten sich Moderator Lanz und sie miteinander aus. Thema war der die Integration von Schülerinnen und Schülern mit besonderem Förderbedarf wie Inklusionskinder oder Geflüchtete und vor welche Herausforderungen das Schulen und ihre Lehrkräfte stellt.

 

Fleischmann schilderte anhand eigener Erfahrungen, wie es an deutschen Schulen zugeht, wie mühsam und schwierig es ist, traumatisierte Kinder oder Schüler ohne Deutschkenntnisse zu unterrichten. Sie machte deutlich, dass es vorne und hinten an Personal fehlt, um all diese Aufgaben zu stemmen und Lehrkräfte an der Grenze ihrer Belastbarkeit angelangt sind.

 

Von den Fernsehzuschauern wurden ihre Statements überwiegend positiv aufgenommen. „Hervorragend. Ganz charmant hast Du gesagt, dass es so nicht weit geht und die Politik Geld in die Hand nehmen muss“, schrieb etwa ein BLLV-Mitglied per E-Mail. „ Es kam deutlich rüber, was wir leisten. Unser Image hast du damit weiter verbessert.“ Viele andere Freunde und Fans äußerten sich in ähnlicher Weise.

 

Sendung verpasst?
Die Sendung kann online in der ZDF-Mediathek angesehen werden.

 

Zitate und Wortwechsel aus der Sendung

Lanz zitiert Simone Fleischmann: „Wir haben ein Schulsystem aus dem 19. Jahrhundert.“

 

Simone Fleischmann: „Die Kolleginnen und Kollegen wollen Flüchtlinge integrieren, behinderte Kinder mitnehmen, digitale Konzepte entwickeln. Aber wir können das nicht alles on top machen."

 

Zur Integration von Geflüchteten Kinder an den Schulen:

Simone Fleischmann: „Es ist eine Vielfalt an der Schule eingekehrt, die für diese Kinder und Jugendlichen wunderbar ist. Wenn wir nicht an der Schule diese Vielfalt und Buntheit aufnehmen, wann sollen wir es dann machen? Die Kinder von heute sind die Generation von Morgen. Sie wollen diese Vielfalt. Und jetzt ist es an uns Lehrerinnen und Lehrern, Vorbild zu sein. Wir halten das aber unter diesen Bedingungen nicht durch.“

 

Lanz zitiert einen Satz von Fleischmann: „,Da kommen Kinder, die kennen zum Teil Toiletten nicht. Die wissen nicht, was das ist.‘“ Lanz weiter: „Das heißt, Sie fangen wirklich bei Adam und Eva an.“

Fleischmann:  „Schön, wenn Sie das so sagen. Wir haben manchmal den Eindruck, das versteht die Gesellschaft nicht, das versteht die Politik nicht. Wir wollen diese Kinder integrieren, wir wollen ihnen unsere Kultur beibringen, wir wollen, dass sie sich miteinander verständigen.“

 

Fleischmann: „Als  ich ein Flüchtlingskind in die Klasse bringen wollte, hatte ich diese E-Mail auf der Kiste: ,Könnten sie nicht das Mädchen in die 3c bringen, bei uns der 3b  laufen schon genug Schwierigkeiten herum.“ Da zieht es dir als Pädagoge die Schuhe aus, weil du spürst, dass die Eltern für Ihr Kind kämpfen.“

Lanz: „ Ist das nicht legitim?“

Fleischmann: „Ja, klar, das ist legitim. Aber verstehen sie auch meine Rolle als Lehrer … “

Lanz: „Ich weiß. Das ist ja kein Zustand, dass sie diesen Konflikt aushalten müssen. Die Eltern werden auf der anderen Seite auch alleingelassen in diesem Dilemma. Positioniere ich mich klar, gerate ich sofort in den Verdacht, ein Rassist zu sein, lasse ich das aber so laufen, sehe ich möglicherweise zu wie die die Leistungskurve in einer solchen Klasse allmählich nicht mehr so ist, wie ich mir das vorstelle.“

Fleischmann: „Wir müssen die Sorgen der Eltern ernst nehmen. Wir dürfen die Eltern nicht in eine Ecke schieben. Wir müssen miteinander diskutieren. Das ist auch eine Chance. Wir können in der Schule gemeinsam das schaffen. Das ist manchmal ein schwieriges Elterngespräch. Aber da musst du als Schulleiter oder Lehrerin dich hinstellen und sagen ,Kommen Sie. Wie schaffen wir es miteinander?‘ Allerdings muss ich dazu schon sagen: Die eine Lehrerin mit 26 Schülern in der Klasse schafft es halt nicht. Da ist die Politik gefordert. Da brauchen wir die Kohle, einen zweiten Lehrer in der Klasse, multiprofessionelle Leute.“

 

Zur öffentlichen Debatte über die Integration von Geflüchteten:

Fleischmann: „Das ist mein Anliegen, das ich heute mitgebracht habe. Dass wir sensibel sind dafür, dass das, was in der Gesellschaft diskutiert wird, eins zu eins in der Schule ankommt. Deshalb möchte ich alle warnen, dass wir aufpassen, wie wir miteinander umgehen. Wie wir mit diesen geflüchteten Kindern und Menschen umgehen, was Politiker und Medien über sie sagen, das kommt in den Klassenzimmern an.“

 

Zu verhaltensauffälligen Kindern

Lanz: „Was heißt verhaltensoriginell? Was soll das sein?“

Fleischmann: "Ich finde den Begriff sehr schräg. Ein Kind das unter dem Tisch sitzt, das sich nicht konzentrieren kann, ein Kind, das ein anderes schlägt, hat ein Problem. Wenn man dazu originell sagt, könnte man schmunzeln darüber. Aber ich will nicht schmunzeln darüber, ich will dem Kind helfen, als Lehrerin, durch Psychologen an der Schule, durch Unterstützungsmaßnahmen. Es geht immer um das Gleiche. Wir brauchen ein Bildungssystem, das viele Professionen an dieser Schule vereint, weil Kinder mehr Bedarfe haben als früher.“