Prof. Dr. Ludger Wößmann
Prof. Dr Ludger Wößmann erläuterte den Zusammenhang zwischen Bildungserfolg und Bildungsausgaben.
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Wie machen wir unsere Schüler fit für die Zukunft?

Deutschlands wirtschaftliche Zukunft hängt maßgeblich vom Bildungserfolg seiner Menschen ab. Müssen wir mehr Ressourcen in die Schulen stecken, um den Anschluss nicht zu verlieren? Der Bildungsökonom Prof. Dr. Ludger Wößmann liefert kontroverse Antworten.

Bildung bringt wirtschaftlichen Vorsprung – für den Einzelnen und für ganze Regionen und Nationen.  In protestantisch geprägten Regionen des 19. Jahrhunderts konnten nicht nur deutlich mehr Menschen lesen als in katholischen Gegenden. Diese Regionen waren auch wirtschaftlich erfolgreicher. Das besagt eine aufsehene erregende Studie aus dem Jahr 2008.

Dieser Zusammenhang lässt sich für Vergangenheit und für die Jetzt-Zeit feststellen, wie Ludger Wößmman beim Kamingespräch des BLLV erläuterte. Wößmann ist Professor für Bildungsökonomie an der Ludwig-Maximilians-Universität München und Autor der Eingangs zitierten Studie.

Das hohe Bildungsniveau der Bevölkerung begründet Deutschlands wirtschaftlichen Erfolg. Wie aber lässt sich dieser Vorsprung in Zeiten der Digitalisierung halten? Was bedeutet das für den Einzelnen - und für die Bildung? Müssen wir mehr in Bildung, in die Schulen investieren?

Antworten auf die Frage versucht der Münchner Bildungsökonom Prof. Dr. Ludger Wößmann mit den Mitteln der Statistik zu geben. Dazu analysierte der Volkswirt riesige Datenmengen. Seine Thesen trug er vor rund 90 Interessierten in der Landesgeschäftsstelle vor.

Digitalisierung erhöht den Druck zur Qualifizierung
Für Menschen mit geringer Qualifikation werden sich durch die Digitalisierung die Chancen auf dem Arbeitsmarkt weiter verschlechtern, so viel scheint klar. Routinetätigkeiten werden in Zukunft weiter automatisiert. Diese Entwicklung trifft auch Berufe im mittleren Qualifikationsbereich. Durch diese Entlastung können sich Arbeitskräfte künftig auf anspruchsvollere Aufgaben konzentrieren, prophezeit Wößmann. Zugleich steigen aber auch die Anforderungen.

Auf der anderen Seite bedeutet das, dass Schulen Kinder und Jugendliche einerseits besser ausbilden und mehr vor ihnen zu qualifizierten oder höheren Abschlüssen führen müssen. Aber wie können sie das schaffen? Die Antworten Wößmanns darauf dürften so manche Gewissheit ins Wanken gebracht haben – und provozierten bei den Zuhörern zum Teil deutlichen Widerspruch.

Seine Erkenntnis: Mehr Investitionen in die Schulen schlagen sich nicht automatisch in einem größeren Bildungserfolg nieder.

  • Ein Zusammenhang zwischen Bildungsausgaben und Bildungserfolg ist nicht nachweisbar: Bei den Pisa-Studien schneiden Länder mit im Durchschnitt größeren Klassen im Ländervergleich nicht schlechter ab als Länder mit kleinere Klassen.

  • Der Unterricht mit digitalen Medien wirkt sich nicht auf den Lernerfolg aus. Negative Effekte seien hingegen dann zu verzeichnen, wenn Computer zum Einüben eingesetzt würden. „Wir haben offenbar noch nicht gut verstanden, wie wir digitale Medien optimal einsetzen können“, folgerte Wößmann.

 

Wie aber lässt sich dann die der Bildungserfolg steigern? Die Bildungsökonomie gelangt zu folgenden Befunden:

  • Vergleichbare Prüfungen: Die Auswertung der Pisa-Daten der vergangene Jahre zeigt, dass Bundesländer mit zentrale Abschlussprüfungen bei Pisa wesentlich besser abschneiden. Hatten Länder auf zentrale Prüfungen umgestellt, verbesserten sich die Schülerleistungen ebenfalls. Als Grund nannte Wößmann unter anderem den gestiegenen Wert der Abschlussnoten auf dem Arbeitsmarkt, was für Schüler Anreize schaffe, sich mehr anzustrengen.

  • Autonomie der Schulen: Wird Schulen eine große Autonomie (z.B. bei der Personalauswahl) zugestanden und gibt es zentrale Abschlussprüfungen vor, wirkt sich das positiv auf den Bildungserfolg aus. „Die Schulen wissen am besten, welches Personal am besten zu ihnen passt und was ihre Schüler brauchen“, sagte Wößmann. Zugleich brauche es aber externe Standards, die als Leitplanken fungieren. Ansonsten wirkt sich Autonomie negativ aus.

  • Mehrgliedrigkeit: Eine frühe Verteilung von Schülern auf verschiedene Schularten erweist sich als negativ für den Bildungserfolg. Länder, die später aufteilen, erzielen bei Pisa leicht bessere Schülerleistungen. Die frühe Verteilung ist auch Gift für die Chancengleichheit: In Deutschland, und vor allem in Bayern, hängt der Bildungserfolg besonders stark von der Herkunft ab.

In der anschließenden Diskussion wurde aber auch deutlich, dass die Belastung der Lehrerinnen und Lehrer durch große und heterogene Klassen deutlich zunehme, was auch Auswirkungen auf Krankenstand und Frühpensionierungen hat. Insofern müsse die Klassengröße auch unter dem Aspekt der Belastung und der Gesundheit der Lehrerinnen und Lehrer gesehen werden. Wößmann räumte ein, dass dieser Aspekt nicht erhoben wurde.

Wenn also die Ressourcenausstattung keinen Einfluss auf den Bildungserfolg zeigt, lohnt es sich dann, in die Ausbildung der Lehrkräfte zu investieren? „Wir wissen nicht, was einen guten Lehrer ausmacht“, sagte Wößmann dazu. Die formale Ausbildung scheint offenbar kein Kriterium zu sein. Ob Lehrkräfte einen Bachelor oder Master vorweisen konnten, hatte einer Studie aus den USA zufolge keinen Einfluss auf den Bildungserfolg der Schüler. Wößmann konnte deshalb nur mutmaßen: „Wir müssen einfach die am besten Geeigneten für den Lehrerberuf begeistern.“

 

Zur Person
Prof. Dr. Ludger Wößmann (44) gilt als einer der einflussreichsten Bildungsforscher Deutschlands. Er betrachtet Bildung mit dem Blick eines Volkswirts und forscht mit den Mitteln der Statistik. Wößmann hat den „Aktionsrat Bildung“ mitbegründet, ein Gremium von angesehenen Wissenschaftlern. Es berät die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft und bezieht regelmäßig öffentlichkeitswirksam zu Bildungsthemen Stellung. Wößmann hat den Lehrstuhl für Bildungsökonomie an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) inne und leitet das Zentrum für Bildungsökonomik des ifo-Instituts an der LMU.

 

Über die Veranstaltungs-Reihe "Kamingespräch"
Der BLLV lädt regelmäßig Persönlichkeiten aus Gesellschaft, Politik und Wissenschaft ein, um über aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen zu referieren. Kamingespräch heißt diese Reihe, weil zu diesem Anlass der offene Kamin im Foyer der BLLV-Geschäftsstelle angeschürt wird. Als Gäste gaben sich zuletzt die Ehre: Prof. Dr. Ursula Münch (Akademie für politische Bildung Tutzing), Benjamin Idriz (Imam der islamischen Gemeinde Penzberg), Ulrich Wilhelm (Indendant des Bayerischen Rundfunks).



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