Die Regelschulen seien mit der Inklusion bis über die Grenzen hinaus belastet. Notwendig seien bessere Rahmenbedingungen und eine Stärkung der Regelschullehrer. Insbesondere sollten bei Bedarf zwei Pädagogen in einer Klasse eingesetzt werden. Dies war die zentrale Aussage einer Anhörung von Sachverständigen im Bildungsausschuss des Landtags. Nebeneinem zweiten Lehrer seien Sonderpädagogen und Heilpädagogen denkbar. Skepsis wurde dagegen gegenüber einem Ausbau der individuellen Schulbegleiter oder der Mobilen Sonderpädagogischen Dienste geäußert.
Thema der Anhörung war die Bildung von Schülern mit sozial-emotionalem Förderbedarf, deren Zahl starkgestiegen ist. Die sieben geladenen Experten formulierten mit hoher Übereinstimmung Erfolgsbedingungen, die letztlich für die Inklusion insgesamt gelten. Die große Einigkeit ist bedeutend, weil die Experten unter-schiedliche Professionen vertraten: Jugendamt, Ärzte, Förderzentren, Schulpsychologen und universitäre Lehrerbildung. Einig waren sie sich, dass die häufigere Förderdiagnose objektive Grundlagen habe. Sie zeige wachsende gesellschaftliche Probleme, etwa nachlassende Erziehungsleistungen der Eltern und zunehmende Armut. Zugleich zeige der Anstieg eine begrüßenswerte Sensibilisierung.
52 Prozent der Schüler mit sozial-emotionalem Förderbedarf würden an Regelschulen unterrichtet. Pädagogik-Professor Reinhard Markowetz verwies auf eine Pressemitteilung des BLLV, in der es zurecht heiße, die Regelschulen seien für die Inklusion nicht qualifiziert und deshalb überfordert. Lehrer an Grund- und Mittelschulen arbeiteten unter schlechteren Bedingungen als an Förderschulen. Die Experten forderten mehr Ganztagsangebote und kleinere Klassen. Die Lehrerbildung müsse generell sonderpädagogische Inhalte bieten, auch darin waren sich die Gäste einig. Außerdem brauche es eine klarere Aufgabendefinition der einzelnen Institutionen (Schule, Jugendamt, Ärzte) und eine systematische Zusammenarbeit.
Ohne ein Zwei-Pädagogen-System, das BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann beharrlich fordert, ginge es aber nicht, darin waren sich die Experten ebenfalls einig. Kinder suchten bei Problemen zunächst die Nähe zum Lehrer, formulierte Schulpsychologe Hans Röthlein. Die Stärkung der Erziehungskompetenz sei deshalb ein wichtiges Ziel. „Ein Lehrer alleinschafft das nicht“, war sein Resümee.