BLLV-Vorstand im Dialog mit Kultusministerium - 9.12.2015

Flüchtlinge: So will der Freistaat Schulen bei der Integration helfen

Schulen mit Flüchtlingen sollen für die Integration nicht nur zusätzliche Lehrkräfte, sondern auch Budgets für Drittkräfte bekommen. Allerdings setzt das Kultusministerium schwerpunktmäßig auf Übergangsklassen. Das könnte sich als problematisch erweisen.

Mit welchen Maßnahmen das Kultusministerium die Integration der Flüchtlinge an den Schulen unterstützen will, erläuterte jetzt der Leiter der Stabsstelle Flüchtlingsintegration im Bildungsbereich. Bei einem mehrstündigen intensiven Austausch mit dem BLLV-Landesvorstand präsentierte Dr. Robert Geiger aber nicht nur die vorläufigen Pläne. Er notierte interessiert jede Anregung, aber auch jede Kritik, die aus dem Gremium kam, und nahm diese als Hausaufgabe mit.

Laut Geiger stehen die im Zuge des Nachtragshaushalts genehmigten 160,7 Million Euro für folgende Integrationsmaßnahmen zur Verfügung:

  • Schaffung von 1.079 Planstellen (ab Januar 2016)

  • 10 Millionen Euro für den flexiblen Einsatz von Drittkräften

  • weitere Personalmittel für Grund-, Mittel- und Berufsschulen

  • Mittel zur Berufsorientierung von Flüchtlingen

  • Gastschulbeiträge für Landkreise und Kommunen

Den Schwerpunkt legt das Ministerium Geiger zufolge auf den Ausbau der Übergangsklassen von aktuell 532 auf bis zu 1600 im Kalenderjahr 2016, der Ausbau der Berufsintegrationsklassen von derzeit 448 auf bis zu 1200 zu Beginn des Schuljahres 2016/17. Ende September waren in Bayern mehr als 46.000 Kinder und Jugendliche mit Fluchthintergrund registriert, Tendenz weiter steigend.

Daneben will die Behörde die Sprachförderungsangebote an den weiterführenden Schulen und den Modellversuch Islamunterricht ausbauen. Weiterhin sollen Schulpsychologen verstärkt zum Einsatz kommen und Berufsorientierungsmodelle für Flüchtlinge entwickelt werden.

Herausforderung Personalgewinnung

Zentrale Herausforderung sei laut Geiger die Personalgewinnung, da kaum noch Grund- und Mittelschullehrkräfte verfügbar seien. Die jetzt geschaffenen 1.079 Stellen sollen nicht sofort, sondern nach und nach besetzt werden. Ein großer Teil davon ist für den Herbst 2016 reserviert. Geiger rechnet dann im Grund- und Mittelschulbereich mit Volleinstellungen.

Folgende Maßnahmen zur Personalgewinnung plant das Kultusministerium:

  • Bei Teilzeitkräften für die Aufstockung ihrer Arbeitszeit werben.

  • Lehrkräfte, die vor dem Ruhestand stehen oder pensioniert sind, reaktivieren.

  • Einsatz von Absolventen des 1. Staatsexamens.

  • Arbeitslosen Lehrerinnen und Lehrer am Gymnasium und Realschule Stellen an Grund- und Mittelschulen anbieten ebenso wie den Wartelistenbewerbern. Für diese Lehrergruppen werden begleitende Qualifizierungsangebote gemacht. Sie sollen überwiegend in Übergangsklassen zum Einsatz kommen.

  • Schulpsychologen, die als normale Lehrkräfte und nicht als Schulpsychologen arbeiten, aktivieren.

Um die vielen dringend benötigen Lehr- und Drittkräfte anzuwerben, will das Ministerium nach Aussagen Geigers schon bald eine Informationskampagne starten.

Beim Einsatz der Mittel für Drittkräfte ist es laut Geiger das Ziel, flexibel und unbürokratisch die Schulen zu unterstützen. Insbesondere seien die Geldet für die Ergänzung des Unterricht- und Sprachförderangebotes und der Durchführung von Alphabetisierungskursen gedacht.

In Einzelfällen könne damit der Einsatz von Dolmetschern für Elterngespräche wie auch die Ergänzung der interdisziplinären Teams durch Fachkräfte für Deutsch als Zweitsprache finanziert werden. Aus diesem Topf sollen auch Mittel für interkulturelle Projekte, Sport, Musik und Kunst als Einstieg in die gemeinsame Sprachbegegnung und Wertevermittlung zur Verfügung gestellt werden.

Zu wenig Unterstützung für Regelklassen

Präsidentin Simone Fleischmann forderte gegenüber Dr. Geiger, die Mittel schnell und unbürokratisch den Schulen zur Verfügung zu stellen. Die Belastungsgrenze der Lehrerinnen und Lehrer sei nicht unendlich dehnbar. Die Schüler-Lehrer-Relation in Übergangsklassen sollte auf 10:1 verringert werden.

Auch an eine personelle Verstärkung in den Regelklassen mit Flüchtlingskindern müsse dringend gedacht werden, mahnte Fleischmann an. Insbesondere in ländlichen Regionen werde es nicht möglich sein, Übergangsklassen zu bilden. Die Mittel für Regelklassen müssten deshalb nicht nur dringend aufgestockt werden, sie sollten auch flexibel einsetzbar sein, zum Beispiel für zusätzliche Fachkräfte. Hierzu gehöre auch, dass Drittkräfte Planungssicherheit bräuchten und möglichst bald über Umfang und Art der Tätigkeit informiert werden sollten.

Supervision für Lehrkräfte nötig

Fleischmann forderte auch, die Angebote für eine Supervision auszubauen, da die Lehrkräfte teilweise unter starker emotionaler Belastung stünden. Aus Sicht des BLLV ebenso geboten ist eine Entlastung von unnötiger Bürokratie. Der Verband schlägt vor, die externe Evaluation vorerst auf Eis zu legen, auf zu erstellenden Statistiken zu verzichten und die ASV-Fortbildungen auszusetzen.

Zum Abschluss der Diskussion betonte Präsidentin Simone Fleischmann die Bereitschaft des BLLV zu einem intensiven Austausch, um diese historische Herausforderung für die Gesellschaft und für die Schulen mit den Verantwortlichen in der Verwaltung erfolgreich bewältigen zu können. Alle wüssten, dass es in dieser Frage um mehr gehe als nur um ein organisatorisches Problem - es gehe auch darum, ob unsere Gesellschaft stabil und solidarisch bleibt.

 

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46.359 Flüchtlingskinder in Bayern

46.359 Kinder und Jugendliche mit Fluchthintergrund sind in Bayern bis Ende September 2015 laut Kultusministerium registriert worden. Davon sind 17.245 an Grund- und Mittelschulen und 29.114 an Berufsschulen zu beschulen. Zwischenzeitlich haben sich jedoch die Zahlen nochmals deutlich erhöht.

Unter den bis September registrierten Kindern und Jugendlichen befinden sich 13.428 unbegleitete Minderjährige, die ganz allein, ohne jede Begleitungen durch Eltern oder Verwandte, nach Deutschland gekommen sind.