Ministerium und Experten bei BLLV-Werkstattgespräch

Flüchtlingskinder: Die Nöte der Lehrkräfte

Interkulturelle Konflikte, sprachliche Hürden, traumatisierte Kinder: Die Integration von geflüchteten Schülern stellt Lehrerinnen und Lehrer vor große Herausforderungen. Beim BLLV-Werkstattgespräch "Flüchtlingskinder in meiner Klasse" suchten sie gemeinsam mit Migrations-Experten nach Lösungen und brachten ihre Nöte dem Kultusministerium vor.

Fast 100 Lehrerinnen und Lehrer waren auf Einladung des BLLV in die Landshuter Sparkassenakademie gekommen, um sich zu informieren und auszutauschen. Ebenfalls dabei war Ministerialrätin Dr. Gisela Stückl, im Kultusministerium für die Grund- und Mittelschulen zuständig.

Welche Mittel und Formen der Unterstützung gibt es, wie mache ich mich selbst kompetent für den Umgang mit Flüchtlingskindern in meiner Klasse? Das sind die drängenden Fragen der Lehrerinnen und Lehrer, wie BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann in den Nachmittag einführte. Für das Werkstattgespräch hatte der BLLV den Fokus auf den kollegialen Austausch gelegt.

Zu spüren, nicht allein zu sein, sich Kompetenzen anzueignen und sich im Dialog mit Kolleginnen und Kollegen zu stützen, waren Ziele dieser innovativen Konferenz. Fleischmann erlebe Kolleginnen und Kollegen als anpackend und engagiert, wie sie sagte. "Jammern war gestern, handeln ist heute", sei das Motto der Stunde.

Die BLLV-Präsidentin bewertete die Zusammenarbeit mit dem Kulturministerium als positiv. "Unsere Forderungen werden gehört und berücksichtigt", sagte sie. Sie wertete es als großen Erfolg für den BLLV, dass der Bayerische Landtag im Rahmen des Nachtragshaushalts statt der geforderten 125 Millionen Euro sogar 160 Millionen Euro bereitgestellt hat. Dennoch gebe es Grenzen, was Lehrerinnen und Lehrer im Alltag leisten könnten und Aufgabe des BLLV sei es, diese Grenzen zu benennen.

Interkulturelle Konflikte und Sprachbarrieren fordern Lehrkräfte

Wie Integration und Beschulung traumatisierter Flüchtlingskinder das pädagogische Geschick der Lehrerinnen und Lehrer herausfordern, zeigte sich beim anschließenden Austausch der Werkstatt-Teilnehmer. In Arbeitsgruppen besprachen sie ihre Fragen und Probleme mit Migrationsberatern, die ihnen Tipps mitgaben.

Was tun, wenn sich Eltern der anderen Kinder zu Wort melden: "Wir haben das Gefühl, die Klasse kommt in Mathe nicht weiter. Liegt das an den Flüchtlingskindern?" Wie geht man mit einem achtjährigen syrischen Jungen um, dessen Deutsch zwar immer besser wird, der aber im Unterricht ständig aufsteht und umherläuft? Ist Schwimm-Unterricht für muslimische Mädchen zumutbar? Wie kann ich als Lehrerin, als Lehrer Vorurteile aufbrechen? Was mache ich, wenn Konflikte, wie etwa die Kurdenfrage in der Türkei, bis ins Klassenzimmer hineinreichen? Mit diesen und anderen Fragen sehen sich Pädagoginnen und Pädagogen täglich konfrontiert.

Ein großes Problem für Lehrerinnen und Lehrer und Schulleiterinnen und Schulleiter ist der eingeschränkte Kontakt zu den Eltern der Flüchtlingskinder, Stichwort Sprachbarriere. Nicht immer finden sich Schüler oder Eltern, die bereits so gut Deutsch sprechen, dass sie als Übersetzer aushelfen könnten.

 

Kein Geld für Dolmetscher

Ohne Dolmetscher sei eine Verständigung schwierig, oft unmöglich, so ein Schulleiter aus dem Raum Landshut. "Wir haben für die Schuleinschreibung drei Dolmetscher engagiert, weil wir sonst nicht über die Runden gekommen wären." Bezahlt habe die Kommune, da es dafür vom Kultusministerium kein Geld gebe. Was aber, wenn eine Kommune hier nicht einspringe? Warum könne hier das Kultusministerium nicht weiterhelfen? Frau Dr. Stückl: "Wir sind ein Bildungsministerium und somit sollte Geld für die Bildung, nicht für Dolmetscher zur Verfügung gestellt werden."

"Unsere Lösungen müssen rechtlich sauber und pädagogisch sinnvoll sein", anwortetet Ministerialrätin Dr. Gisela Stückl darauf. Mancher Zuhörer hatte den Eindruck, dass genau dies schnelle und pragmatische Lösungen zuweilen verhindert. Präsidentin Fleischmann wiederholte daher mehrmals die Aussage von Ministerpräsident Seehofer, "kreative, regional passgenaue, unbürokratische Lösungen" seien jetzt gefragt.

Weitere Qualifikationsmaßnahmen geplant

Anerkennung bekam Stückl dafür, dass Bayern wie kein anderes Bundesland extra Geld für die Beschulung von Flüchtlingskindern zur Verfügung stellt. Da man mehr Lehrkräfte an Grund- und Mittelschulen bräuchte als verfügbar seien, stelle das Ministerium weitere zehn Millionen Euro zur Verfügung, aus denen Drittkräfte, zum Beispiel für Deutschsprachkurse, angeworben werden könnten.

Zudem werde man erneut "eine kleine dreistellige Zahl" an arbeitslosen Gymnasial- und Realschullehrkräften für die Mittelschule nachqualifizieren, stellte Stückl in Aussicht. Die Bitte, mehr junge und meist arbeitslose Kollegen aus dem Gymnasial- und Realschulbereich in eine Nachqualifikationsmaßnahme aufzunehmen, nahm sie gerne mit.