Aufbrechen - Lernen im 21. Jahrhundert

Wie modernes Lernen in Zukunft aussehen müsste

Unsere Gesellschaft ist im radikalen Umbruch. Die Welt, in der sich unsere Kinder bewegen, ist nicht mehr vergleichbar mit der Welt, die heutige Erwachsene vorgefunden haben. Neben die reale Welt ist eine virtuelle Welt getreten, die unser Leben radikal revolutioniert.

Was bedeuten diese Veränderungen für unsere Schulen, für uns Lehrerinnen und Lehrer, aber auch für die Familien und Eltern? Entspricht unser Unterricht den Prinzipien modernen Lernens, wie sie die neuen Forschungsergebnisse der Psychologie und der Hirnforschung definieren?

Als BLLV glauben wir, dass ein "Weiter so!" in der Schule nicht mehr möglich ist. Wir müssen Lernen neu definieren auf der Grundlage der modernen Hirnforschung und den Erkenntnissen der Lernpsychologie. In der Folge werden wir unsere Unterrichtsmethoden und Lerninhalte verändern müssen.

 

Wie sieht ein neuer Lernbegriff aus?

Lernen wurde in den vergangenen zwanzig Jahren zum Gegenstand intensiver neurobiologischer Forschung. Im Mittelpunkt effizienter Lernprozesse stehen Motivation und Anerkennung. Neurobiologen fordern ganz in diesem Sinne, dass Lernen in der Schule dringend neu gedacht werden muss mit dem Ziel, Motivation und individuelle Förderung zum Unterrichtsprinzip zu machen. Aus Sicht des BLLV sollte ein Lernbegriff für die Schule im 21. Jahrhundert sechs zentrale Erkenntnisse der Psychologie, der Pädagogik und der Neurobiologie berücksichtigen.

 

Lernen ist ein individueller Prozess

„Kinder lernen besser, wenn sie selbst lernen, als wenn man sie belehrt. Wir müssen also unsere Belehrungsanstalten zu Lernwerkstätten umbauen.“

Peter Struck, Erziehungswissenschaftler

Lernen beruht auf Beziehung

„Überall dort, wo Menschen mit Menschen zu tun haben, muss ein Umdenken passieren. Motivation und Teamgeist, Freude am Lernen und Kooperation gilt es zu fördern, um der Bildungsmisere zu begegnen.“

Joachim Bauer, Neurobiologe

Lernen ist ein kommunikativer Prozess

„Wer Kinder zu kompetenten, starken und selbstbewussten Persönlichkeiten erziehen will, muss in Beziehungen denken und in Beziehungsfähigkeit investieren. Das ist das Geheimnis einer Schulkultur, bei der niemand als Verlierer zurückgelassen wird.“

Gerald Hüther, Neurobiologe

Lernen basiert auf Motivation

„Zahlreiche Untersuchungen haben belegt, dass vorhandene Lernmotivation durch das Einengen von Spielräumen, das detaillierte Vorschreiben und massive Kontrollieren deutlich reduziert wird.“

Manfred Prenzel, Bildungsforscher

Lernen im 21. Jahrhundert ist anders

Das Prinzip des Förderns
In der Schule muss das Prinzip des Förderns ernst genommen werden. Es erfordert Differenzierungsstunden, modulare Förderstunden und diagnosegeleitete Lernbegleitung. Dazu bedarf es anderer Arbeitsbedingungen, vor allem mehr Zeit- und Finanzressourcen. Wir brauchen auch einen anderen Umgang mit Fehlern. Sie sollten nicht zu Degradierungen und Sanktionen wie Klassenwiederholungen führen, sondern sind Anlass für Fördermaßnahmen.

Offene Unterrichtsmethoden
Offene Unterrichtsmethoden müssen neben den gebundenen in allen Jahrgangsstufen und Schularten mehr an Bedeutung gewinnen. Dazu müssen die Lehrpläne drastisch reduziert und durch Rahmenlehrpläne ersetzt werden. Projekttage und Projektwochen müssen im Jahresverlauf fest eingeplant, Zeitfenster für Blockunterricht und klassenübergreifende Themen und Aktivitäten berücksichtigt werden.

Professioneller Austausch
Im Arbeitsfeld Schule arbeiten verschiedene Professionen mit unterschiedlichen Kompetenzen (Lehrer, Schulsozialarbeiter, Förderlehrer, Psychotherapeuten, Sonderpädagogen und weitere Experten) zusammen, die sich kontinuierlich austauschen sollten. Gemeinsam entwickeln sie ein Förderkonzept, das einer heterogenen Schülerschaft gerecht wird. Dazu bedarf es ausreichend Zeit für Teamsitzungen und Projektplanungen.

Was bedeutet ein neuer Lernbegriff für Lehrer?

Neues Verständnis von der eigenen Rolle
Ein neues Konzept von Lernen stellt für das Selbstverständnis des Lehrers eine Herausforderung dar. Lehrer müssen sich viel stärker als bisher als Lernbegleiter und Lerncoach verstehen. Sie müssen über ein breites didaktisches Repertoire verfügen, um verständnis- und kompetenzorientiertes Lernen zu ermöglichen. Lehrer werden in Zukunft verstärkt im Team arbeiten. Sie werden untereinander, mit anderen in der Schule tätigen Professionen und mit den Eltern kooperieren.

Neue Anforderungen und Kompetenzen
Neben fundierten Kenntnissen in den Fächern, die er studiert und unterrichtet, benötigt er künftig profunde Kenntnisse in der Diagnose von Lernprozessen, in der Gestaltung anspruchsvoller Lehr- und Lernumgebungen, in der Kommunikation und bei Evaluation und Reflektion. Er sollte das gemeinsame Lernen und Miteinander in der Klasse unterstützen. Dazu braucht er besondere Kommunikationskompetenzen und Kenntnisse in gruppendynamischen Prozessen.

 

>> Die BLLV-Broschüre "Lernen im 21. Jahrhundert" zum Download

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