Haltung zeigen im Unterricht Startseite

Antisemitismus: Lehrer reagieren auch ohne Lehrplan

In Lehrplan und Schulbüchern steht nur geschichtlicher Antisemitismus, nicht das aktuelle Problem, beklagt die WELT. Auch BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann fordert Nachbesserung, stellt aber klar: Lehrkräfte behandeln das Thema auch ohne Vorgaben.

Gelbwesten beschimpfen einen jüdischen Intellektuellen, im Elsass schmieren Jugendliche Hakenkreuze auf jüdische Grabsteine und Englands Oppositionsführer Corbyn ermutigt indirekt antisemitische Schmierereien auf Postern in London: Das aktuelle Tagesgeschehen ist voll von antisemitischen Übergriffen, doch der Schulunterricht behandelt lediglich die Vergangenheit, analysiert die Zeitung „Die Welt“ und titelt: „Aktueller Antisemitismus spielt in Lehrplänen keine Rolle“.

Dabei bekämen Lehrer von ihren Schülern täglich höchst bedenkliche Äußerungen zu hören, konstatiert die Welt mit Blick auf eine Studie über Salafismus und Antisemitismus an Berliner Schulen. „Du Jude“, sei ein oft gebrauchtes Schimpfwort, Kinder würden Israel aus dem Erdkundeatlas streichen und brüsteten sich, „dem Treiben Israel ein Ende“ zu machen, wenn sie „erst in den richtigen Positionen dafür“ seien. Der Antisemitismus komme dabei aus rechts- wie linksextremen Kreisen und immer mehr von Schülern mit muslimischem Hintergrund.

„Wir gehen im Unterricht darauf ein!“

Auf der Suche nach Gründen kritisieren Wissenschaftler, dass Schüler bei der Lektüre von Unterrichtsmaterial den Eindruck bekommen könnten, Antisemitismus sei als Idee „plötzlich“ mit dem Nationalsozialismus aufgetaucht, und danach wieder verschwunden, sodass die Sensibilität im Umgang mit ähnlichen Vorgängen in der Gegenwart fehle. Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, sagt: „Es wird oftmals der fatale Eindruck erweckt, dass mit dem Ende der NS-Herrschaft der Antisemitismus in Deutschland der Vergangenheit angehört.“ Außerdem fehle ein positives Gegenbild, weil es kaum Berichte über jüdisches Leben in Deutschland gebe.

BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann sieht ebenfalls Defizite in den Lehrmitteln, stellt aber klar, dass Lehrerinnen und Lehrer darauf nicht angewiesen sind, um aktuelle Vorfälle wie die Demos nach den Vorfällen in Frankreich im Unterricht zu behandeln: „Wenn am Dienstag die Menschen in Frankreich gegen Antisemitismus auf die Straße gehen, wird es am Mittwoch Lehrer geben, die im Unterricht darauf eingehen. Wir Lehrer können nicht warten, bis die Schulbehörden Bücher und Lehrpläne anpassen.“

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Der BLLV hat mit seinem Manifest „Haltung zählt“ ein Zeichen gegen Hass und Hetze gesetzt und warnt vor den Auswirkungen insbesondere auf Kinder und Jugendliche: Die negative Gestaltungsmacht aggressiver, geringschätzender und diskriminierender Sprache dürfe nicht zu einer weiteren Verrohung des Umgangs führen, ob im Klassenzimmer, gesamtgesellschaftlich oder weltweit.

Mit seinem Projekt „Erinnern“, in dem Biografien jüdischer Lehrer rekonstruiert werden, versucht der BLLV jüdisches Leben in die Gegenwart heutiger Schüler zu heben und so ein aktuelles Bewusstsein für die Auswirkungen von Ausgrenzung, Verfolgung, Terror, Gewalt, Ghettoisierung und Rassismus auf das Leben eines einzelnen Menschen zu schaffen und zum Nachdenken über Werte wie Toleranz, Demokratie und Zivilcourage anzuregen.


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  • "Ich bin hier, weil ich in der Schule viel Unfug höre und viele Mitschüler nicht wissen, was der Holocaust war", sagt der 15-jährige Gymnasiast Mehdi, der sich an ein Absperrgitter drückt, als gerade der ehemalige sozialistische Premierminister Bernard Cazeneuve über den freigeräumten Teil des Platzes Spalier läuft und winkt. Mehdi winkt nicht zurück. Er findet, dass der Platz der Republik dem Volk gehört und man ihn nicht einfach absperren kann.


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