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"Eltern sind keine Lehrer!"

Ein Fernseh-Tipp für die ganze Familie: In der Sendung "Hilfe, wir sind zuhause" von PUR+ nimmt BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann Lerndruck.

Die Schulen sind dicht und der Alltag in den Familien ist alles andere als normal. In einem 25minütigen Beitrag der KiKA-Sendung PUR+ erzählen Kinder aus verschiedenen deutschen Städten, wie sie mit der Coronakrise klar kommen und was sich in ihrem Leben verändert hat. Moderator Eric Mayer spricht per Videoschalte auch mit BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann (ab min 7:45). Von ihr holt er sich Tipps, wie der ungewohnte Schulalltag zuhause am besten gestaltet werden kann. „Sie war Lehrerin und  Schulleiterin und ist Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes – die Frau kennt sich aus“ – mit diesen Worten startet das Gespräch. Es wurde natürlich per Video aufgenommen.

Lernen Kinder denn jetzt weniger? – das ist seine erste Frage und Simone Fleischmann sagt, dass es die Kinder jetzt mit anderen Umständen zu tun hätten. Sie seien es ja sonst gewohnt gewesen, dass die Lehrerinnen und Lehrer für sie da sind. „In der Schule helfen wir ihnen, die Kinder können nachfragen. Sie sind es gewohnt, dass wir sie durch den Tag führen, den Tag strukturieren. Zu Hause ist das alles anders.“ Es gebe Kinder, die kämen ohne Probleme zurecht, aber auch solche, die es jetzt besonders schwer hätten. Lehrkräfte würden es außerdem nicht erwarten, dass Eltern jetzt ihre Rolle übernehmen würden. „Eltern sind keine Lehrer“, betont Simone Fleischmann. In einer Krise brauche es vielmehr Lebenskompetenz. Kinder müssten lernen, mit ihren Ängsten umzugehen. „Wir alle müssen sehen, dass das Leben nicht nur Lernen ist.“

Auch die Frage nach Noten und Zeugnisse brennt Eric Mayer auf den Nägeln. „Wie wird denn jetzt bewertet?“, wollte er wissen. Als Antwort bekommt er einen Appell von Simone Fleischmann: „Eltern sollten sich frei machen vor Vorstellung, mein Kind muss alles können.“ Fairness sei jetzt das höchste Gebot – und es beruhige sie, dass sie das auch vom Bayerischen Kultusminister gehört habe. „Wir werden das schon schaffen.“

Die Sendung ist anzuschauen in der ZDF mediathek (Interview mit Simone Fleischmann ab Minute 7.40).

Ähnlich äußert sich BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann in einem Rundschau-Beitrag (BR Fernsehen vom 3. April) 

Das Gespräch mit Eric Mayer war natürlich umfangreicher als im Fernsehen zu sehen. Hier noch ein paar spannende Fragen und Antworten - ihre Botschaft: "Die Kirche im Dorf lassen."

Mayer: Ist es möglich, zu Hause den gleichen Inhalt zu lernen?

Fleischmann: Im Idealfall sollten Kinder ein bisschen was trainieren und sich ein bisschen was Neues aneignen. Da gibt es tolle Ideen, wie z.B. Internetplattformen oder Videos, die man sich ansehen kann. Manche Kinder entdecken dann, dass sie das gut verstehen. Es gibt auch Lehrerinnen und Lehrer, die täglich skypen, sie sind in Kontakt mit „ihren“ Kindern und geben Feedbacks.

Mayer: Wäre das nicht auch ein Tipp an die Lehrkräfte, Digitales mehr zu nutzen?

Fleischmann: Das tun sie. Die Kolleginnen und Kollegen sind sehr firm. Es gibt welche, die Videokonferenzen mit den Kindern haben, sich mit Eltern in Chatrooms treffen, den Kindern über mediale Plattformen Rückmeldung geben. Es gibt aber auch Kolleginnen und Kollegen, die große  Umschläge packen, in denen individuelles Material für die Kinder ist oder ein kleiner Brief. Das machen meistens Grundschullehrkräfte so, weil die Kinder noch kleiner sind und digital noch nicht so fit sind wie die älteren.

Mayer: Was können Kinder machen, damit sie die Zeit nicht vertrödeln oder Stress mit den Eltern kriegen? 

Fleischmann: Man kann ja mal alle Vier grad sein lassen. Es ist ja auch in der Schule nicht so, dass alles 24 Kinder gleich motiviert und gleich effizient den Stoff durch gehen oder lernen. Wir  müssen hier die Kirche im Dorf lassen. Wenn einer keinen Bock mehr hat, muss er aufhören. Wenn ich spüre, dass mich das jetzt nervt, ich kann nicht mehr sitzen und ich will auch nicht mehr, ist es am besten, ich mache einen Break, geh in den Garten oder lese ein Buch. Wichtig ist, dass Kinder spüren, irgendwann sollte ich von den Aufgaben welche erledigt haben. Ich empfehle Elternkonferenzen, täglich, am besten abends, um zu reflektieren, was lief heute gut, was hast du geschafft, wo hängst du, willst du, dass ich helfe. Es ist auch Aufgabe der Eltern zu sagen: Pass auf, ich mache auch meinen Job. Ich kann auch zwei, drei Stunden abhängen, aber dann muss ich wieder ins Homeoffice. Ich erwarte von dir, dass du das auch erledigst, was dir der Lehrer nach Hause geschickt hat.

Die Eltern bleiben Eltern und sollen sich vor allem darum kümmern, als Familie gut durch diese Krise zu kommen.

Mayer: Welcher Lernort ist der beste?

Fleischmann: Das Kind bestimmt, wo und wie es sich hinsetzen will zum lernen. Es weiß, an welchem Ort es schnell und gut vorangekommen ist. Das können Eltern ja auch zum Beispiel mit dem Kind im Gespräch reflektieren. Gut ist, wenn das Kind unterschiedliche Positionen einnehmen kann: mal stehen kann, mal am Boden sitzt und so weiter. 

Mayer: Erwarten Lehrkräfte, dass Eltern eine Lehrerrolle übernehmen?

Fleischmann: Ganz klar: Nein! Die Eltern bleiben Eltern und sollen sich vor allem darum kümmern, als Familie gut durch diese Krise zu kommen. Eltern sollen die Ängste der Kinder auffangen. Die Lehrkräften kümmern sich dann schon darum, den Lernstoff aufzuholen, wenn die Schule wieder anfängt.

Mayer:  Was machen Schüler, wenn sie Aufgaben nicht verstehen?

Fleischmann: Wenn Schüler etwas nicht verstehen und vielleicht auch die Eltern nicht weiterhelfen können: Das Netzwerk um sich herumanzapfen - ältere Geschwister, Freunde oder auch Lehrerinnen und Lehrer. Wenn es Sprachbarrieren gibt, haben Lehrkräfte auch immer zweisprachige Materialien zur Hand.

Mayer: Viele Kinder machen sich Gedanken um Zeugnisse und Noten, wenn die Schule wieder anfängt - wie sehen Sie das?

Es werden faire Lösungen gefunden werden, da bin ich mir sicher. Aber: Worum geht es denn bei Schule? Geht es nur um Noten oder geht es darum, dass ich etwas dazulerne? Lehrerinnen und Lehrer sind Teil eines Leistungssystems Schule,  das sie auch nicht immer gut finden. Jetzt nach dieser tiefgreifenden Krise sofort mit Proben und Ähnlichem weiterzumachen wie vorher ist nicht möglich. Zusammen finden wir einen fairen, guten Mittelweg für die Schule danach. Ich bin mir ganz sicher: Jedes Kind wird trotz 3 oder 5 Wochen Unterrichtsausfall einen guten Beruf finden und ein glückliches Leben führen.



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