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Fachtag Fremdsprachen: Interessante Workshops mit ausgewählten ExpertInnen

Die diesjährige Landesfachtagung in Nürnberg eröffnete den teilnehmenden Lehrkräften eine Palette von hochkarätigen ReferentInnen und aktuellen Themen aus der Schulpraxis in der Primar- und der Sekundarstufe.

Der Landesfachgruppenleiter Dr. Christoph Vatter konnte zusammen mit BLLV Vizepräsident Tomi Neckov im Nürnberger NLLV-Heim viele KollegInnen begrüßen, die sich für je zwei Blöcke von parallel organisierten Vorträgen angemeldet hatten.

ReferentInnen des Vormittags waren:

  • Steffi Duske, tätig am ISB, Autorin, ehem. Fachberaterin Englisch MS in der Stadt Nürnberg
     
  • Dr. Werner Kieweg, Akademischer Direktor i.R. an der LMU und Mitherausgeber der Zeitschrift „Der Fremdsprachliche Unterricht Englisch“ beim Friedrich Verlag sowie Autor zahlreicher fachdidaktischer Veröffentlichungen.
     
  • Professorin Dr. Carola Surkamp, Lehrstuhlinhaberin an der Universität Göttingen (seit April 2023 an der Uni Regensburg), Leiterin der Englisch-Sektion der Klett-Akademie für Fremdsprachendidaktik, Mitherausgeberin der Zeitschrift „Der Fremdsprachliche Unterricht Englisch“ und Autorin vieler fachdidaktischer Werke.
     

Für die Lehrkräfte der Sekundarstufe hatte Dr. Kieweg unterrichtserprobte Verfahren zur Erweiterung der mündlichen Sprechkompetenz vorbereitet. Er zeigte an einem Modell drei wichtige Voraussetzungen für einen kompetenzorientierten Unterricht zur Generierung realsprachlicher Äußerungen auf:

  • Ein begleitendes Handlungskontinuum (z.B. sprechbegleitendes Tun)
  • Die Generierung per se über einen Fokusspeicher, die Konzeptualisierung, den Formulator, den Artikulator und die reaktive Antizipation
  • Die begleitenden nichtsprachlichen Komponenten (Mireme, Gesteme, Proxeme, Body Language, Kultureme, Behavioreme, usw.)

Eine Reihe von Beispielen aus der aktuellen Unterrichtspraxis wurde eindrucksvoll vorgestellt.

Eine wichtige Aussage im Zusammenhang mit dem Erlangen von Sprechkompetenz stellte er voran: „Wenn beim Sprechhandeln die Emotionen wegfallen, ist der Merkeffekt gleich Null“. Zur langfristigen Speicherung von Sprache empfiehlt er das Handeln mit Gegenständen (Verändern von z.B. Lage, Zustand, Farbe, usw.) und die notwendige Interaktion dazu. So entwickelt sich auch das „multisensorische Lernen“ mit den Aspekten – mimisch, haptisch, gustatorisch, olfaktorisch und artikulatorisch – orientiert. Das „Händische“ im Fremdsprachenunterricht in Verbindung mit intentionalem Sprechen ist nach Kieweg eine wichtige Maxime.

Für eine sprachliche Auseinandersetzung mit Gegenständen zeigte er ein „gadget“, das er aus China mitgebracht hatte. Eine lebhafte Diskussion um Sinn und Funktion des Teils simulierte ein dazu passendes Schülergespräch. Unvergesslich für die Teilnehmer war die Herstellung eines „Chinese coat hangers“ mittels zweier Plastikflaschen als Problemlösung für die vorhergehende Interaktion.

Als methodische Verfahren zur Förderung intentionalen Sprechens stellte er vor:

  • Autobiografisches Erzählen (CV, our house/flat/garden usw.)
  • Nichtlineare Texte zur Redemittelschulung (z.B. reasons for keeping pets)
  • Chatting, f.e. about clothes, sowie die Mediation dazu
  • Flow Charts zum Kontexttraining
  • Praxeogramme (Rollenbeschreibungen) zur offenen Gestaltung des Gesprächsverlaufs
  • Surveys – struktur- oder ergebnisorientiert (Bsp.: What would you do if you won…?)

Er betonte stets die wichtige Rolle von Emotionen beim Sprechen zur Verstärkung des episodischen Gedächtnisses in Lernszenarien, bei denen die emotionale Verarbeitung vor der sprachlichen erfolgen muss. Als Konsequenz daraus empfahl der erfahrene Hochschullehrer eine „Dramapädagogische Inszenierung“ von kontextuell bedeutenden Redemitteln mit Scaffolding-Angeboten im inhaltlichen, strategischen und sprachlichen Bereich.

Als Beispiel für Task Based Teaching als Mittel zur Erhöhung der mündliche Sprechfähigkeit führte er eine von Schülern vorbereitete Short Presentation zum Thema: „Mother forgot to set the alarm clock“ als Begründung für verspätetes Erscheinen vor.

Abschließend warnte er vor einer Trennung von Grammatik und Wortschatz bei entwickelten Übungssträngen, denn sie generiere zwangsläufig „Monoleximatiker“ und „syntaktische Aphasiker“.

FG-Vorsitzender Dr. Vatter sprach dem engagierten Referenten den Dank der begeisterten Zuhörer aus.

In der Parallelveranstaltung für Grundschullehrkräfte konnte die stv. Fachgruppenleiterin Manuela Rosner die Institutsrektorin Frau Steffi Duske willkommen heißen.

Frau Duske hatte ausführliche Informationen zu „LIS“, dem Lehrplaninformationssystem, anzubieten. Das LIS stellt den Nutzerinnen und Nutzern den LehrplanPLUS und zahlreiche Funktionen zum Lehrplan online zur Verfügung. So sind nicht nur für das Fach Englisch, sondern für alle Fächer und Jahrgangsstufen, aktuelle und kostenfreie illustrierende Unterrichtsbeispiele, Erläuterungen, Materialien und Mebis-Links enthalten. Den Lehrkräften werden dadurch anwendbare Ideen und Anregungen an die Hand gegeben, wie gewünschte Kompetenzen praktisch erreicht werden können.

Exemplarische Aufgaben für das Fach Englisch sind im Fachlehrplan Englisch und dem jeweiligen Kompetenzbereich unter dem Reiter Servicematerialien zu finden. Neben einer Beschreibung des geplanten Unterrichtsvorhabens sind dort ggf. auch weitere Materialien wie zum Beispiel Hörtexte oder digitale Lernangebote zu finden.

Frau Duske konnte die TeilnehmerInnen dazu motivieren, die vielen individuellen Aufgabenbeispiele zu verschiedenen Kompetenzbereichen auf der Homepage des ISB zu sichten und damit eigene Ideen sowie Tipps für digitale Inhalte, die problemlos verwendet werden dürfen, zur Umsetzung in der Praxis ihres Fremdsprachenunterrichts mitzunehmen.

Stv. Vorsitzende Rosner sprach der routinierten und engagierten Referentin den Dank aller TeilnehmerInnen für die praxisorientierten Informationen aus.


Mit etwas Verspätung – bedingt durch Probleme mit der Bahn - konnte Frau Professorin Dr. Carola Surkamp zu den erwartungsvollen Fachlehrkräften kommen. Deshalb versuchte sie in einer etwas schnelleren Gangart ihr hochinteressantes Thema zur Bedeutung des kulturellen Lernens auch in der Grundschule zu entwickeln.

Sie beleuchtete vier verschiedene Kulturkonzepte bzw. Ansätze kulturellen Lernens:

  • Landeskunde: Orientierungswissen über englischsprachige Länder wird vermittelt, vorwiegend durch exemplarisches Lernen
  • Interkulturelles Lernen/ Fremdverstehen: Vergleiche von eigenen und fremdem Eindrücken (Kennenlernen des Fremden, Förderung von Offenheit und Neugierde – Fähigkeit zum Perspektivenwechsel und Empathie – Anbahnen von Verständnis und Toleranz – Brücken bauen zwischen Kulturen, akzeptiertes Sprachverhalten)
  • Transkulturelles Lernen: Überwindung der statischen Unterscheidung von ‚eigen‘ und ‚fremd‘, Frage nach der eigenen (hybriden) Identität, Suche nach Gemeinsamkeiten (z.B. Wohnen, Familie, Schulweg usw.)
  • Kulturwissenschaftlich ausgerichtete Ansätze: den Kulturbegriff anders denken – nicht geografisch territorial und nicht national-sprachlich, sondern plural/ nicht homogen und statisch, sondern hybrid und dynamisch/ nicht objektiv gegeben, sondern diskursiv und performativ: Kultur als soziale Praxis!

Nach einem Blick in den Bayrischen LehrplanPLUS konnte sie an mehreren Beispielen exemplarisch aufzeigen, wie über die vorgeschlagenen Inhalte und Beispielaufgaben hinaus noch weiter sinnvoll verschiedene Kulturkonzepte im Unterricht realisiert werden können.

Neue Wege, die von der bloßen Kulturvermittlung hinführen zum Entdecken und Verstehen von Kultur beschrieb und kommentierte sie so:

Kulturvermittlung

  • suggeriert, dass Kultur etwas stabil Existierendes oder greifbar Vorhandenes ist
  • richtet den Fokus zu eng auf die Wissensdimension und nicht auf Fähigkeiten, Haltungen, Motivationen
  • führt zu Reduzierungen bei Bewertungen kultureller Kompetenzen (kognitiv, Wissensdimension steht im Vordergrund)

Kultur entdecken und verstehen bedeutet

  • verstehen lernen, was Kultur (alles) ist
  • Austausch über die individuellen Voraussetzungen der Lernenden, ihre Verstehensprozesse, und auch ihren Umgang mit dem Nicht-Verstehen

Aktive Teilhabe an Kultur entsteht durch

  • doing Culture“ im Sinne der aktiven Teilhabe an kulturellen Prozessen mit eigenen Äußerungen und Handlungen
  • Positionswechsel von Objekten zu Subjekten
  • einen Fokus auf alltagskulturelle Erfahrungen und Praktiken und die Konzeptualisierung von kulturellem Lernen als lebensweltliches Lernen
  • die Entwicklung von Methoden, die Lernenden ermöglichen, selbst kulturell und entdeckend tätig sein können

Als Methoden zur Entwicklung des kulturellen Lernens empfahl sie:

  • forschendes, ethnografisches Lernen: die Lernenden erkunden eigene und fremdsprachige Lebenswelten (beobachten, beschreiben, erklären)
  • kooperative Arbeitsformen
  • Inszenierungen von Dialogen, Verfassen von kurzen Nachrichten
  • Begegnungsprojekte
  • handlungsorientierte Arbeit mit literarischen Texten (Songs, Gedichte, Bilderbücher)

Die Potenziale von Literatur für das kulturelle Lernen sah sie vor allem durch

  • Einblicke in persönliche Geschichten hinter Fakten und Zahlen
  • Einbettung literarischer Texte in kulturelle Kontexte, Nutzen der ‚Erfahrungshaltigkeit‘ von Geschichten und der Funktion der Figuren als Stellvertreter
  • Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Perspektiven, Überschreitung eigener Sichtweisen
  • Förderung von Toleranz gegenüber Differenzen und Mehrdeutigkeiten
  • Entwicklung von Empathiefähigkeit
  • Ausbildung neuer Wahrnehmungs-, Denk- und Empfindungsweisen

Im Anschluss zu den wissenschaftlichen Eckpunkten zeigte sie aus der unterrichtspraktischen Zeitschrift vom Friedrich-Verlag eine Reihe von Best Practice Beispielen zur Umsetzung kulturellen Lernens in der Grundschule (s. vor allem die Themenhefte Food and Drink aus 2022 sowie das aktuelle Heft Spring aus dem Frühjahr 2023).

Am Ende des tollen Referats sprach ihr FG-Vorsitzender Dr. Vatter den Dank aller Anwesenden für ihre begeisternde Frische des hochaktuellen Vortrags aus.

Parallel dazu konnte stv. FG-Leiterin Manuela Rosner wieder Frau Steffi Duske (ISB) den zahlreichen MS-Lehrkräften vorstellen.

Nachdem die Lehrpläne PLUS für alle Jahrgangsstufen und für alle R- und M-Bereiche in alle Jahrgangsstufen der Mittelschule eingeführt wurden, konnte sie den Teilnehmern und Teilnehmerinnen nicht nur die mündlichen und schriftlichen Prüfungsteile der Abschlussprofile, sondern auch die vielen Beispielaufgaben zeigen, die auf der ISB-Homepage für die einzelnen Jahrgangsstufen als Downloads bereitstehen.

Ebenso konnte sie auf Musterprüfungen und Lösungen dazu sowie auf Bewertungshilfen und -skalen für Lehrkräfte verweisen, damit entsprechende Erwartungshorizonte zur Be- und Auswertung von Prüfungsaufgaben genutzt werden können.

Wichtige Tipps für die prüfenden Lehrkräfte gab sie in den Bereichen langfristige Vorbereitung auf QA und MSA, aber auch für die Organisation der Aufgabenverteilung von Erst- und Zweitprüfern im mündlichen Bereich und für die Erst- und Zweitkorrektoren im schriftlichen Bereich.

Das Interesse der Mittelschullehrkräfte an der Thematik war groß und stv. Vorsitzende Rosner bedankte sich bei Frau Duske für die wertvollen Informationen und Tipps.

Am Ende der gelungenen Veranstaltung (nach zwei Jahren wieder in Präsenz) konnte Vorsitzender Dr. Vatter den zahlreich erschienenen Lehrkräften ein großes Lob für ihre Fortbildungsbereitschaft aussprechen und den engagierten ReferentInnen für Ihre Vorträge und den unterstützenden Verlagen Westermann und Cornelsen für ihre breit gefächerten Ausstellungen danken.

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