Artenvielfalt und Klimaschutz stehen bei der Projektwoche im Mittelpunkt. (Foto: GS Blutenburgstraße)
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Umweltschutz

Grundschule an der Blutenburgstraße wird „Umweltschule“

Jährlich zeichnet der Landesbund für Vogelschutz e. V. (LBV) im Auftrag des Kultusministeriums „Umweltschulen“ aus, die sich besonders im Bereich Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) engagieren. In diesem Schuljahr erhielten drei Grundschulen, vier Realschulen, fünf Gymnasien und etliche Privatschulen im Münchner Stadtgebiet den Titel – leider keine Mittelschule. Die Auszeichnung ist in drei Stufen gestaffelt, um Schulen den Einstieg möglichst leicht zu machen. Die Grundschule an der Blutenburgstraße ist diesmal ganz neu dabei. Im Interview erläutern Rektorin Ingrid Ruhhammer und Umweltbeauftragte Lisa Ohneberg (GSB), wie alles begann.

Herzlichen Glückwunsch Ihnen und Ihrem Team zur Auszeichnung als „Umweltschule“!

Rektorin Ingrid Ruhhammer und Umweltbeauftragte Lisa Ohneberg (Grundschule an der Blutenburgstraße): Vielen Dank! Wir sind sehr stolz, in diesem Jahr zum ersten Mal ausgezeichnet worden zu sein. Aber die Schule ist natürlich fest entschlossen und motiviert, fortan auch dabei zu bleiben!

Was macht Ihre Schule zur „Umweltschule“? Handelt es sich dabei um zeitlich begrenzte Projekte oder um dauerhafte Veränderungen in der ganzen Schule?

Ganz klar Beides. Es gab im letzten Schuljahr verschiedene Projekte in den einzelnen Klassen, die im Zuge einer Umweltwoche durchgeführt und abgeschlossen wurden. So setzten sich die Kinder mit den Forderungen der fridays-for-future-Bewegung auseinander, lernten die Möglichkeit kennen, plastikfrei und regional im Unverpacktladen einzukaufen, führten Interviews zum Volksbegehren „Artenvielfalt“ durch, gestalteten Insektenhotels oder fertigten Neues aus Müll durch Upcycling, z. B. Handyhalterungen aus leeren Shampooflaschen. Auch unser Schülerrat beschäftigte sich intensiv mit der Sauberkeit auf dem angrenzenden Spielplatz und trat damit sogar im Kinder- und Jugendforum der Stadt München auf. Letztlich konnten unsere Schülervertreter*innen mit Hilfe der Stadt selbst designte Schilder zur Müllvermeidung auf dem Spielplatz aufstellen.

Unser Ziel ist es aber, nicht nur punktuell Umweltaktionen umzusetzen, sondern langfristig eine umweltbewusste Schule zu etablieren. Hierfür braucht es nachhaltige Strukturen und Projekte, die stets weiterentwickelt werden können. Auf Grund dessen gründeten wir zu Beginn des letzten Schuljahres eine Umwelt-AG, in welcher Maßnahmen für eine umweltfreundliche Schule gemeinsam mit den Schülern*innen auf lange Sicht geplant und umgesetzt werden können. Und bereits im ersten Jahr gelang es den Kindern der Umwelt-AG, eigenständig einen Schulgarten zu finanzieren und aufzubauen. Sie gestalteten einen „Klima-Kalender“, auf welchem für jeden Monat ein Klimaschutz-Tipp zu finden war. Mit dem Verkauf erwirtschaftete man genug Geld, um zwei große Hochbeete zu kaufen und zudem zahlreiche Pflanzenkübel mit Wild- und Wiesenblumen für Insekten zu bepflanzen. In diesem Schuljahr werden die Schüler*innen dann ihr erstes eigenes Gemüse anbauen.

Um die einzelnen Vorhaben transparent zu machen, informiert eine eigens dafür bereit gestellte Ausstellungsfläche im Eingangsbereich über aktuelle Projekte der Klassen oder der AG zum Thema Umweltschutz/ Nachhaltigkeit an der Schule. Diese wird von der ganzen Schulfamilie in Absprache gestaltet. Als weitere Neuerung sollen die Mitglieder der Umwelt-AG künftig als „Umwelt-Scouts“ fungieren und ihre jeweiligen Klassen stets über neueste Aktionen informieren, um möglichst viele Mitstreiter zu gewinnen. Von der Agenda 2030 (Umweltschutzprogramm) inspiriert, setzten wir für das aktuelle Schuljahr folgende drei Schwerpunkte: Wir sind Kinder einer Welt – Fit für‘s Leben, Maßnahmen zum Klimaschutz und die biologische Vielfalt in der Schulumgebung als Basis. Darauf aufbauend entwickelt die Grundschule an der Blutenburgstraße gerade ein Konzept, das die Ideen der Schüler*innen (Befragung), des Schülerrates, der Lehrkräfte sowie der Eltern/ des Elternbeirats und der an der Schule tätigen Institutionen wie Hort und Mittagsbetreuung impliziert. Nachhaltiges Agieren sowie Klima- und Umweltschutz fängt bei jedem Einzelnen an. „Jeder kleine Schritt in die richtige Richtung zählt“, muss die Maxime sein. Dieses Konzept soll jedoch auch „gelebt“ werden und das ist dann von Erfolg gekrönt, wenn man von Anfang an alle Beteiligten ins Boot holt.

Plakate informieren über BNE an der Schule (Fotos: GS Blutenburgstraße)

Wie kam es dazu, dass Sie sich auf den Weg zur „Umweltschule“ gemacht haben?

Es waren sicherlich mehrere Faktoren, die uns dazu bewegt haben, „Umweltschule“ werden zu wollen. Zum einen ist das Thema Klimakrise/ Umweltschutz präsenter, aktueller und dringlicher denn je, so dass man dieses, unserer Ansicht nach, als Schule nicht einfach ignorieren kann. Wie man an der fridays-for-future-Bewegung sieht, hat die junge Generation den Willen, fortschrittlich in eine umweltbewusstere Zukunft zu starten. Ihn haben wir auch deutlich an unserer Schule verspürt und aufgegriffen. Diesen Ehrgeiz wollen wir fördern und unterstützen. Zum anderen haben wir auch eine sehr motivierte Lehrerschaft an unserer Schule, welche die neue Herausforderung bereitwillig annahm und sich über den normalen Schulalltag hinaus engagierte. Den Startschuss bildete sicherlich auch der erfolgreiche zweite Platz beim Wettbewerb „Der Schatz unter meinen Füßen“ zum Trinkwasserschutz der Regierung von Oberbayern im Schuljahr 17/18. Von diesem Erfolg angespornt war allen klar: Wir machen weiter und wollen noch viel mehr über Naturschutz erfahren und aktiv daran mitwirken.

Wer an Ihrer Schule trägt die „Umweltschule“ mit?

Das ganze Kollegium trägt dazu bei, dass wir den Titel „Umweltschule“ tragen und mit Leben füllen. Jeder auf seine Art und Weise und jeder mit dem, was er einbringen kann und möchte. Das Prinzip Freiwilligkeit ist bei uns eine sehr Erfolg versprechende Komponente. Viele Projekte erwachsen direkt durch gezielte Schwerpunktsetzung aus dem aktuellen Lehrplan+, der im Schulleben fest etablierten Projektwoche oder dem aktuellen Jahresthema. Auch haben wir bei uns sehr engagierte Umweltbeauftragte, die unser Schulleben diesbezüglich durch innovative Impulse bereichern. So leisten wir alle einen Beitrag dazu, dass Kinder ihr Leben selbstbestimmt und verantwortungsbewusst in die Hand nehmen und eine ganzheitliche Bildung durch Lebenswelt- und Praxisbezug erfahren.

Werden Sie auch von externen Partnern oder Experten unterstützt?

Als externe Partner können wir das „Spielhaus an der Sophienstraße“ nennen, das für unsere 4. Jahrgangsstufe einen Thementag zum Umweltschutz und nachhaltigem Handeln anbietet. Auch die Organisation „green city“ ist bei uns regelmäßig Gast, um sehr praxisorientiert Kinder für den Klimaschutz, erneuerbare Energien… zu sensibilisieren. Für das Schuljahr 19/20 gewannen wir erfreulicherweise das Ökoprojekt MobilSpiel e. V. für unsere inhaltlichen Schwerpunkte als Experten. Angebote gibt es reichlich. Die Kunst besteht jedoch darin, die Partner zu finden, die passgenaue Angebote für die eigene schulische Situation bereitstellen.

Wie schaffen Sie es, angesichts der vielfältigen Herausforderungen, die der Schulalltag mit sich bringt, knapper Lehrerstunden und zugleich zeitaufwändiger Vorgaben „von oben“ (Digitalisierung etc.), nachhaltige Schulentwicklung im Bereich Umweltbildung umzusetzen?

Viele Aspekte der Umweltbildung sind ohnehin im Lehrplan+ wie z. B. „Alltagskompetenz und Lebensökonomie erwerben“ oder in Themeninhalten des HSU-Unterrichts der einzelnen Jahrgangsstufen verankert. Aufgabe der Jahrgangsstufenteams ist es hier vordringlich, örtliche Gegebenheiten und die Anliegen der Schulgemeinschaft mit zu berücksichtigen.

Die Umwelt-AG schafft zusätzliche Stunden in der Woche. Umwelt-Scouts und der Schülerrat sollen dann künftig die Ergebnisse für den Rest der Schülerschaft transparent machen und entlasten somit die Klassenlehrkräfte. Als besonders effektiv hat sich die bereits genannte Projektwoche für die Umsetzung solcher Ziele erwiesen. Die Präsentation ihrer Ergebnisse findet als fester Bestandteil immer als krönender Abschluss beim alljährlichen Schulfest statt. Diese erfolgt zum Beispiel in Form einer Galerie. Die Schüler*innen fungieren dabei als Experten und stehen kompetent für Fragen von interessierten Besuchern zur Verfügung.

Was raten Sie anderen Schulen, die sich auch gerne auf den Weg machen möchten?

Einfach loslegen! Das Wichtigste ist, mit viel Freude und Motivation an die Sache heranzugehen. Die „Umweltschule Europa“ legt das Augenmerk ganz bewusst auch auf die langfristige Entwicklung der Schulen und bietet ihnen neben einer breiten Auswahl von alternativen Themenfeldern auch die Möglichkeit, einen eigenen Schwerpunkt zu setzen. Es muss nicht von Beginn an ein durch und durch strukturiertes Konzept stehen; dieses darf und soll sich entwickeln. Erleichternd ist es sicherlich, sich Anregungen von anderen Umweltschulen zu holen. Hat sich eine Schule unter der Homepage https://www.lbv.de/umweltbildung/fuer-schulen/umweltschule-in-europa/ registriert, findet man dort zahlreiche Ideen.

Vielen Dank für dieses informative Interview. Hut ab davor, was an Ihrer „Umweltschule“ so kurze Zeit nach dem Start schon alles läuft! Ich wünsche Ihnen und Ihrem Team alles Gute auf dem weiteren Weg!

Das Interview führte Martin Göb-Fuchsberger, Leiter der Abteilung Schul- und Bildungspolitik des MLLV. (Der Artikel erschien ursprünglich in der MLZ.)

Der BLLV zu Bildung für nachhaltige Entwicklung

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