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Gymnasiallehrer lehnen derzeitiges G8 ab

Ergebnis einer BLLV-Mitgliederbefragung zeigt: Lehrer wollen vor allem inhaltliche Veränderungen: Zeit für Förderung, ein Kurssystem in der Oberstufe und Kürzungen der Lehrplaninhalte

München - Gymnasiallehrkräfte haben sich in einer Befragung des Bayerischen-Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV) mehrheitlich dafür ausgesprochen, das G8 in seiner aktuellen Form abzuschaffen. An der Befragungmit dem Titel „Was muss sich am Gymnasium ändern?“ haben sich670 Lehrkräfte aus ganz Bayern beteiligt. Davon lehnen 93% das G8 ab. Siefordern vor allem strukturelle Veränderungen, wie zum Bespiel die Überwindungder Fächerzersplitterung: 73% wünschen sich eine Vermeidungeinstündiger Fächer. Über 85 % fordern, Inhalte in den Lehrplänen so zugestalten, dass sie tatsächlich fächerübergreifend bzw. in einem echtenFächerverbund behandelt werden können. Eine ähnlich breite Zustimmungfindet mit über 80 % die Forderung nach einer deutlichen Kürzung derLehrplaninhalte, um nachhaltiges Lernen und mehr Raum für das Einüben,Anwenden und Lernen in der Schule zu ermöglichen. Die befragten Lehrkräftewollen zudem deutlich mehr Möglichkeiten zur individuellen Förderungihrer Schüler (90% wollen ihre Schüler gezielt coachen) sowie eineReform der Oberstufe - fast 90 % stimmen einer Wiedereinführung desKurssystems mit Grund- und Leistungskursen zu.

 

Die BLLV-Befragung fand von Mitte März bis Anfang April statt. Initiiert wurde sievon den Leitern der Fachgruppe Gymnasium im Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverband(BLLV). Sie wollten von ihren Mitgliedern wissen, welche Vorstellungensie über die künftige Entwicklung des Gymnasiums haben. Über 670 Kolleginnenund Kollegen beteiligten sich an der Aktion, etwa ein Viertel von ihnensind noch Studierende des Lehramts Gymnasium. „Die Ergebnisse sind natürlichnicht repräsentativ, sie geben aber dennoch einen interessanten Einblick in dieStimmung an den Gymnasien“, erklärte BLLV-Präsident Klaus Wenzel heute in München.

Die Ablehnung des derzeitigen G8 ist mit 93% eindeutig. Doch auch die diskutiertenAlternativmodelle finden zumindest unter den im Dienst befindlichen Gymnasiallehrernkeine klaren Mehrheiten: Nur jeweils gut 40 % plädieren dafür, das G9in Zukunft zum Regelmodell zu machen. Das G8 soll es nach ihren Vorstellungennur als gebundene Ganztagsschule bzw. als Angebot für wenige, besonders begabte Schüler, geben. Der Vorschlag des Philologenverbandes, das G9 zur Regelschulezu machen, und die 10. Jahrgangsstufe dabei übersprungen werdenkann, wird von gut 42 % befürwortet, trifft jedoch auch auf die Ablehnung vonüber 57 %Das Gymnasium der Zukunft muss nach dem Willen der BLLV-Mitglieder deutlichstärker auf Förderung ausgerichtet sein. Während etwa 62 % eine Abschaffungder Intensivierungsstunden ablehnen, fordern über 71 % dass die hierfür aufgebrachtenRessourcen und Zeitkontingente für eine individuelle Leistungsdifferenzierungmittels Modularisierung der Wahlpflichtangebote eingesetzt werden. Fast90 % wollen, dass gezieltes Coaching für Schüler (Lernstrategien, Zeitmanagementusw.) integraler und praktizierter Bestandteil des Curriculums sein soll.Noch höher fällt die Zustimmung für eine systematische, qualifizierte und zusätzlicheSprachförderung für Kinder, insbesondere aus Migrantenfamilien, mit über92 % aus.Auch die Oberstufe muss laut Befragungsergebnis reformiert werden. Fast 90 %stimmen einer Wiedereinführung des Kurssystems mit Grund- und Leistungskursenzu. Dagegen treffen die verschärften Abituranforderungen auf weitgehendeAblehnung. Jeweils über 70% fordern, dass die Schülerinnen und Schüler wiefrüher lediglich in vier Abiturfächern geprüft werden sollten und wieder die Möglichkeiteröffnet werden sollte, aus Deutsch, Mathematik und einer Fremdsprachezwei verpflichtende Prüfungsfächer auswählen zu können. Lediglich die Seminarfächertreffen auf überwiegende Zustimmung. Jeweils fast 70 % sprechen sichfür deren Beibehaltung aus.„Die Befragung zeigt noch einmal drastisch auf, wie groß der Handlungsbedarfist“, sagte Wenzel. Er appellierte an die Staatsregierung, auf diejenigen zu hören,die die Reformen am Gymnasium umsetzen müssten: Die Lehrerinnen und Lehrer.Sie wüssten am besten, was ihren Schülern gut tue.