Portraitaufnahme Simone Fleischmann
Aktuelle Studie der Bertelsmann Stiftung Startseite Topmeldung

Jeder Jugendliche ohne Schulabschluss ist einer zu viel

Die besorgniserregenden Ergebnisse der aktuellen Studie der Bertelsmann Stiftung „Jugendliche ohne Hauptschulabschluss“ zeigen auf, dass 2021 in ganz Deutschland 47.500 junge Menschen ohne Abschluss die Schule verlassen haben. Bundesweit hat fast die Hälfte der Jugendlichen ohne Abschluss Förderschulen besucht.

BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann macht deutlich, dass es so nicht weitergehen darf: „Mit Blick auf den Lehrkräftemangel und die anhaltenden Auswirkungen der Covid-19-Pandemie ist die Sorge groß, dass Bildungsarmut im jungen Erwachsenenalter zukünftig weiter zunimmt. Dabei geht es nicht nur um formale, schulische und berufliche Qualifikationen. Wir müssen uns klar machen, dass unzureichende Bildung und mangelnde berufliche Perspektiven auch dazu führen können, dass sich junge Menschen nicht als Teil der Gesellschaft erleben und wertgeschätzt fühlen. Die Zahlen der Jugendlichen, die ohne Abschluss die Schule verlassen, bleiben seit Jahren weitestgehend stabil. Das zeigt, dass das bayerische Schulsystem nicht gut aufgestellt ist. Hier muss dringend etwas passieren.“

Regionale Unterschiede zwischen den Bundesländern

Zwischen den Bundesländern lassen sich starke regionale Unterschiede feststellen. In Bayern sind es mehr als 6.000 Schülerinnen und Schüler, die 2021 die allgemeinbildende Schule ohne Abschluss verlassen. Das entspricht einem Anteil von rund 5 Prozent und somit 2 Prozentpunkten mehr als im Jahr zuvor. In Bremen sind es sogar 10 Prozent.

Die Studie macht deutlich, dass mehr Jungen als Mädchen ohne Schulabschluss von der Schule gehen. Im Bundesdurchschnitt sind 2020 lediglich 38 Prozent der jungen Menschen ohne Schulabschluss weiblich. Die Ergebnisse zeigen auch, dass deutlich mehr Schülerinnen und Schüler mit nicht-deutscher Staatsangehörigkeit 2020 ohne Schulabschluss die Schule verlassen haben. Auch wenn die Studie keine Hinweise auf den Migrationshintergrund geben kann, ist die Datenlage eindeutig. Während 3,8 Prozent der jungen Menschen in Bayern ohne Schulabschluss die deutsche Staatsangehörigkeit haben, sind es bei Jugendlichen nicht-deutscher Staatsangehörigkeit mit 15,4 Prozent rund vier Mal so viele.

Knapp die Hälfte der Schülerinnen und Schüler ohne Abschluss haben Förderschulen besucht

Ein Großteil der Schülerinnen und Schüler, die 2020 eine bayerische Schule ohne Abschluss verlassen haben, haben Förderschulen besucht (49,6 %). 42,3 Prozent sind an Hauptschulen und 4,9 Prozent der Jugendlichen sind an Realschulen in Bayern beschult worden. Der Autor der Studie, Klaus Klemm, stellt fest: „Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf in inklusiven Lernsettings sind im Vergleich seltener dem Risiko ausgesetzt, ihre Schulzeit ohne Schulabschluss zu beenden als gleichaltrige Schülerinnen und Schüler an Förderschulen“ (Klemm 2023: 16). Er plädiert dafür, die konsequente Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (2009) konsequent voranzutreiben, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass mehr jungen Menschen mit sonderpädagogischem Förderbedarf einen qualifizierten Schulabschluss erlangen.

Ähnlich wie auch im Vergleich der Bundesländer lassen sich auch innerhalb Bayerns deutliche regionale Unterschiede ausmachen. Die Tabelle zeigt die konkreten Zahlen:


Die Studienergebnisse machen sichtbar, dass es lernförderliche Strukturen braucht, die alle Schülerinnen und Schüler einbinden und die Bedürfnisse aller berücksichtigen. Dies setzt entsprechende finanzielle und personelle Ressourcen sowie eine exzellente Lehrerbildung voraus. Die aktuellen Studienergebnisse machen einmal mehr deutlich, dass es einen anderen Lern- und Leistungsbegriff braucht, der Bildungsprozesse ganzheitlich – mit Herz, Kopf und Hand – denkt.

BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann stellt klar: „Jeder, der ohne Abschluss die Schule verlässt, ist einer zu viel. Wir wissen als professionelle Pädagoginnen und Pädagogen genau, wie Schülerinnen und Schüler individuell gefördert werden könnten – und das sind nicht zuletzt infolge der Corona-Pandemie immer mehr. Leider herrscht aber akuter Lehrermangel, sodass an die nötigen differenzierten Angebote oft schlicht nicht mehr zu denken ist, weil man schon froh sein muss, wenn überhaupt eine Person vor der Klasse steht. Wir brauchen daher dringend mehr grundständig ausgebildete Lehrkräfte sowie und Expertinnen und Experten aller Professionen an bayerischen Schulen, um zu verhindern, dass in Zukunft noch mehr Jugendliche in unserem Schulsystem abgehängt werden.“

 




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