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Lehrplan Plus Grundschule

Stellungnahme des BLLV vom 14.2.2014 zum 1. Entwurf

Die Stellungnahme des BLLV gliedert sich in folgende sieben Punkte:

  1. Der LehrplanPLUS: ein Quantensprung 
  2. Der Lern- und Leistungsbegriff: eine Einheit 
  3. Der Aufbau: eine Gesamtkonzeption 
  4. Das LIS: eine innovative Kommunikationsplattform 
  5. Die Querschnittsaufgaben: Inklusion und mehr 
  6. Die Implementierung: Zeit und Evaluation 
  7. Das Fazit: eine kritische Zusammenfassung 

Anlage: Die Kompetenzen: Inhalte und Fachprofile

 

1.            Der LehrplanPLUS: ein Quantensprung

Der neue <link http: www.lehrplanplus.bayern.de schulart grundschule>LehrplanPLUS wird von Bildungs- und Wissenschaftsminister Dr. Ludwig Spaenle als „Quantensprung“ tituliert. Ein Quantensprung in der Schule verspricht eine Neuorientierung und einen gänzliche Veränderung des Unterrichts. Der BLLV ist der Ansicht, dass der LehrplanPLUS eine echte Chance bekommen soll, sich in der schulischen Realität zu bewähren. Ob die Umsetzung unter den aktuellen Rahmenbedingungen möglich sein wird, ist aber die Frage.

Der grundlegende Lernbegriff des Konstruktivismus und die grundsätzliche Kompetenz­orientierung des neuen Lehrplans werden vom BLLV ausdrücklich begrüßt. Der vom BLLV favorisierte Lernbegriff des Verständnisintensiven Lernens nach Fauser entspricht prinzipiell dem konstruktiven Lernbegriff. Unterricht nach diesen Grundsätzen ist gänzlich anders, als Unterricht, der sich an Lernzielen orientiert. Individuell Wissen konstruieren, Kompetenzen auf dem individuellen Erfahrungshintergrund des Lernenden aufbauen, Wissen in handlungs­orientierten Situationen anwenden, Lerninhalte vertiefen, ganzheitliche Lernarrangements erleben, Gelerntes reflektieren und soziales, kommunikatives Lernen zulassen, heißt, auf die Denkweisen der Schüler eingehen und sie da abholen, wo sie gedanklich stehen.

Dies erlaubt der neue Lehrplan. Deswegen ist ihm nach Ansicht des BLLV unbedingt eine Chance zu geben. Inwieweit die aktuellen Rahmenbedingungen und die gleichbleibende Stundentafel eine sinnvolle Umsetzung erlauben, muss die Realität zeigen. Der BLLV weist darauf hin, dass Stundenkürzungen in den letzten Jahren hingenommen wurden und es bis dato keine Rückführung dieser Stunden gegeben hat. Die Breite der Kompetenzen in den einzelnen Fächern muss demnach im aktuell existierenden zeitlichen Umfang „geschafft“ werden. Ein Quantensprung soll deutliche Veränderungen bringen. Qualitative Veränderungen brauchen Zeit. Lehrerinnen und Lehrer, als auch Schülerinnen und Schüler brauchen Zeit, um neue Impulse effektiv und professionell umzusetzen und aufzunehmen.

Inwieweit diese Veränderungen im jetzigen Zeitkorsett zu schaffen sind, wird vom BLLV in Frage gestellt. Nachdem aber keine Zeit zur Erprobung gegeben wird, sondern der neue Lehrplan gleich nächstes Schuljahr verbindlich in zwei Jahrgangsstufen umgesetzt wird, kann die Frage der ausreichenden oder mangelnden zeitlichen Ressourcen zum jetzigen Zeitpunkt nicht beantwortet werden. Die Erfahrungen werden zeige, wie die Lehrerinnen und Lehrer dies zeitlich stemmen können. Widerstände wird es geben und „Lust“ den neuen Lehrplan umzusetzen: beides aber ist die Realität in den Schulen. Um mit vorhandenen Widerständen trotzdem eine gute Implementierung des neuen Lehrplans an den Schulen vor Ort hin zu bekommen braucht es Zeit.

Der BLLV wird dies in den nächsten Jahren kritisch begleiten und dann beurteilen, ob die Kompetenzbereiche der einzelnen Fächer in den jeweiligen Jahrgangsstufen umzusetzen sind oder nicht.

Kritisch sieht der BLLV, dass die Rolle der Schulleitungen bei der Implementierung des neuen Lehrplans nicht in den Blick genommen wurde. Die Schulleitungen und die Schulräte haben zum gleichen Zeitpunkt, wie die Lehrkräfte die identischen Informationen bekommen. Die Schul­leitungen sind dafür verantwortlich, dass im Unterricht der neue Lehrplan umgesetzt wird. Es wäre notwendig gewesen, die Implementierung auch mit ihnen zu besprechen und zu begleiten. Veränderungsprozesse können nur gemanagt werden, wenn die Schulleitungen mitgenommen und explizit drauf vorbereitet werden.

Für einen Quantensprung im Bildungssystem müssen die Lehrerinnen und Lehrer bereit sein. Inwieweit die aktuellen Bedürfnisse und Rahmenbedingungen an den Schulen die Motivation und Bereitschaft für eine grundlegende Neuausrichtung schaffen, ist unklar. Der BLLV sieht, dass viele Kolleginnen und Kollegen mit den Aufgaben der Inklusion, der Integration von Kindern mit Migrationshintergrund und Kinder von Asylbewerber/innen, der individuellen Förderung und dem Anspruch auch verhaltensauffälligen, psychisch kranken und vernachlässigten Kindern gerecht zu werden, allein gelassen werden. Der Widerspruch diese Aufgaben bewältigen zu wollen, es aber aufgrund der schlechten Rahmenbedingungen nicht schultern zu können, hemmt die Motivation und Innovationslust.

Neue Lernformen, moderne Lernarrangements und konstruktive Lernprozesse brauchen Teamteaching-Formate, Tandem-Unterricht, Kollegiales Unterrichten, Förderstunden, mehr Förderlehrer, eine neue Feedbackkultur und vielfältige, professionsübergreifende Unterstützungssysteme. Nur solche Formate erlauben einen Quantensprung in der Lernkultur an unseren Schulen. Ein neuer Lehrplan ist nur die eine Seite der Medaille. Die notwendigen Unterstützungssysteme sind die andere Seite. Beides zusammen erst bildet die Grundlage für verändertes Lernen und ein nachhaltige Bildung.

 

2.            Der Lern- und Leistungsbegriff: eine Einheit

Weniger Faktenwissen, mehr Wiederholung und Vertiefung: so beschreibt der Minister das Leitmotiv des neuen Lehrplans. Ein Drittel der Unterrichtszeit soll für Wiederholung und Vertiefung reserviert werden. Die Zahl der Wochenstunden bleibt gleich und zwischen den einzelnen Fächern gibt es keine Verschiebungen.

Der BLLV sieht hierin einen deutlichen Widerspruch. Mehr Tiefgang beim Lernen braucht selbstverständlich mehr Lernzeit. Wenn es keine Ausweitung der Stundentafel gibt, dann müssen die Lerninhalte in den einzelnen Fächern deutlich fokussiert bzw. reduziert werden. Da dies im Großen und Ganzen nicht der Fall ist (Kompetenzen in den einzelnen Fächern sind ähnlich umfassend wie die ehemaligen Lernziele) werden Kompetenzen nicht vertieft und der konstruktive Lernbegriff kaum umzusetzen sein. Der BLLV sieht dies als die entscheidende Schwachstelle des neuen Lehrplans: ein sehr zu begrüßendes Lernkonzept kann aufgrund der fehlenden zeitlichen Ressourcen nicht in die Realität umgesetzt werden. Der BLLV wird genau beobachten, wie die Umsetzung unter diesen Rahmenbedingungen vorangeht.

Der BLLV begrüßt die Aufnahme der Bayerischen Leitlinien für die Bildung und Erziehung von Kindern bis zum Ende der Grundschulzeit in den neuen Lehrplan. Die Entwicklung von Kindern als Kontinuum zu sehen, ist für den BLLV eine grundsätzliche Forderung. Inwieweit die Aufnah­me der Leitlinien dann auch in der schulischen Realität abgebildet wird, wird abzuwarten sein.

Der neue Lehrplan sieht die Entwicklung des einzelnen Kindes im Mittelpunkt und geht von einem konstruktiven Lernbegriff aus. Das bestehende Notensystem in der Grundschule steht diesem Lernbegriff im Grundsatz entgegen. Die Kolleginnen und Kollegen fragen sich, wie ein so innovativer, moderner und auf die individuellen Lernfortschritte der Schüler eingehender Lernbegriff mit einem sehr restriktiven und stark normierten Leistungssystem zusammen werden kann. Der BLLV begrüßt es, dass hierzu eine Arbeitsgruppe gegründet wurde, kritisiert aber, dass das eine (Lernbegriff des neuen Lehrplans) vor dem anderen (neues Leistungssystem) eingeführt wurde.

Lernen kann nur dann den Grundlagen der Kompetenzorientierung und des Konstruktivismus gerecht werden, wenn sich die Leistungsmessung an den individuellen Lernfortschritten des einzelnen Kindes orientiert. Das eine vor dem anderen einzuführen macht keinen Sinn und wird so an den realen Bedingungen scheitern.

Lehrerinnen und Lehrer haben immer mehr diagnostische Kompetenzen, werden dann aber allein gelassen werden, was die Förderung der Schwächen der einzelnen Schülerinnen und Schüler angeht. Ein konstruktiver Lernbegriff stellt die Lernprozesse des einzelnen Kindes in den Mittelpunkt und verlangt eine Analyse der individuellen Stärken und Schwächen eines Kindes, um daraus eine passgenaue Intervention und Förderung abzuleiten. Nach der Analyse kommt die Intervention bzw. Förderung. Etwa ¾ der Kolleginnen und Kollegen, die sich an einer Umfrage des BLLV beteiligt haben, geben an, dass der Widerspruch zwischen Feststellen der individuellen Schwächen und Möglichkeiten der individuellen Förderung eklatant sei. Konstruk­tive Lernprozesse bei Kindern müssen begleitet werden. Hierzu können innere Differenzierungs­maßnahmen herangezogen werden. Diese reichen oftmals nicht aus, weswegen zusätzliche Förderansätze nötig sind.

Wenn nun der neue Lehrplan die Anforderungen an die Kolleginnen und Kollegen der konstruk­tiven Lernprozessbegleitung stellt, dann können sie dabei nicht alleine gelassen werden. Der BLLV warnt davor, dass es dann die Kompetenz, die Lust oder der Arbeitseinsatz des einzelnen Lehrers sein soll, der allein dafür verantwortlich gemacht wird, ob das konstruktive Lernen gelingt oder nicht. Die Rahmenbedingungen müssen ebenso gesehen und verbessert werden. Der BLLV wird hier immer wieder den Finger in die Wunde legen und die Kolleginnen und Kollegen nicht alleine lassen.

Der Druck, der von den Kindern in den Jahrgangsstufen 3 und 4 aufgrund des anstehenden Übertritts erlebt wird und der scheinbare Objektivitätswahn bei den Leistungserhebungen steht einem kompetenzorientierten Vorgehen deutlich im Wege. Etwa ¾ der Befragten einer vom BLLV durchgeführten Umfrage zu diesem Thema geben an, dass die Auslese der Kinder am Ende der Grundschule einer erfolgreichen Kompetenzförderung widerspreche.

Ein moderner und innovativer Lernbegriff steht somit einem antiquierten Leistungsbegriff und einem hohen Noten- und Zeitdruck gegenüber. Um echte Bildungsprozesse anzustoßen sind Transfer und Reflexion notwendig. Ob diese Ebenen des Lernens mit dem neuen Lehrplan zu erreichen sind, werden die nächsten Jahre zeigen. Der BLLV fordert im Rahmen der Umsetzung des neuen Lehrplans dringend die Orientierungszahl der in der 4. Jahrgangsstufe zu schreiben­den Proben aufzuheben, den Übertritt mit konkreten Durchschnitten zu überdenken und generell die Ausrichtung des Leistungsbegriffs zu reformieren. Dem BLLV ist es ein besonderes Anliegen, dass der Lernbegriff, der nun in der Grundschule neu grundgelegt wird, in den weiterführenden Schularten weitergetragen wird. Ein erklärtes Ziel in allen Fachbeiratssitzungen war es, dass die Übergänge optimal gestaltet werden. Demnach ist es für die Bildungsbiographie eines Kindes sehr entscheidend, die in der Grundschule grundgelegten Lernarrangements auch weiterhin zu erleben.

Ein Bruch in der Lernphilosophie (wie aktuell oftmals erlebt) schadet dem Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler und führt oft dazu, dass erlebte Stärken auf einmal einbrechen. Auch im Bereich der Verfahrensdiskussionen (z.B. beim Abziehen) ist ein optimales Übergangsmanagement notwendig. Geschulte Verfahren aus der Grundschule müssen in den weiterführenden Schulen aufgenommen und weiterentwickelt werden.

 

3.            Der Aufbau: eine Gesamtkonzeption

Der Umfang des neuen Lehrplans beträgt ca. 300 Seiten. Dabei entfallen ca. 170 Seiten auf Fachlehrpläne und die restlichen 130 Seiten auf grundlegende Aussagen. Der BLLV sieht diese Aufteilung als Herausforderung für die Implementierung, da die Realität des Unterrichts sich an den Fachlehrplänen orientiert und die Inhaltsdominanz damit überwiegt.

Gerade die Tatsache, dass über 40% des Lehrplans sich auf dessen Philosophie beziehen, verlangt einige Anstrengung, damit die Ko-Konstruktion, die Kompetenzorientierung und der neuer Lernbegriff umgesetzt werden können. Zu beobachten ist, ob sich die Lehrplanumsetzung und somit die schulische Realität nicht nur auf den Fachlehrplanteil bezieht.

Die Lehrer werden den Umfang erstmal quantitativ deuten und so feststellen, dass der neue Lehrplan keinesfalls dünner ist, als der alte. Dieser augenscheinliche Eindruck wird bestimmt (vorschnelle) Rückschlüsse auf die Inhalte auslösen.

Kompetenzorientierung bedeutet Fokussierung auf die wesentlichen Kompetenzen und das auch deswegen, weil Tiefgang bei den Lernprozessen (im gleichen zeitlichen Umfang wie aktuell) nur dann zu erreichen ist, wenn weniger Inhalte zu erlernen sind. So hörte man bei den Fortbildungen sehr häufig, dass ja wohl doch wieder nicht weniger drin steht, keine deutliche Fokussierung stattgefunden hat und so wieder nicht alles zu schaffen ist und schon gar nicht mit tiefgreifenden Lernprozessen.

Sofern eine Druckversion aufgelegt wird, sollte diese ein Inhaltsverzeichnis aufweisen.

Den eher traditionellen Aufbau (wie auch im LP 2000) sieht der BLLV kritisch. Ein Quanten­sprung hätte auch eine gänzlich andere Aufmachung des neuen Lehrplans erfordert. Kritisch wird die Trennung der fächerübergreifenden Bildungs- und Erziehungsziele, der Fachprofile, der grundlegenden Kompetenzen und dann der Fachlehrpläne gesehen. Integrative Lehrpläne kämen hier dem ganzheitlichen Lernbegriff näher. Aufsplitterungen führen oftmals dazu, dass die dahinter liegende Philosophie vergessen wird bzw. sich nicht in den schulischen Alltag integriert. Wenn die vorderen Kapitel sich nicht im Unterricht niederschlagen, dann wird sich keine große Änderung, im Sinne eines Quantensprungs erfolgen.

Eine veränderte Unterrichtsphilosophie muss sich ganz konkret in den Kompetenzerwartungen und den daraus entwickelten Lernarrangements zeigen.

Der BLLV mahnt an, dass die Publikationen diesen veränderten Blick auf Unterricht und Lernen uneingeschränkt abbilden müssen. Die schon sehr früh aufgelegten Werke zeigen aber zu wenig Änderungen im Hinblick auf kompetenzorientiertes und konstruktives Lernen. Viele Kolleginnen und Kollegen orientieren sich gerade am Anfang der Implementierung an diesen Werken, so dass die Gefahr besteht, dass ein neuer „Esprit“ nicht Einzug hält.

Die in manchen Fällen deutliche Ähnlichkeit bei den Formulierungen der Kompetenzen zu den bisherigen Lernzielen, birgt die Gefahr, dass echte Veränderungen und grundlegende andere Lernarrangements nicht immer Realität werden. Ein Beispiel hierzu ist die Kompetenz des neuen Lehrplans M1/2 Lernbereich: 2 Raum und Form mit M1/2, 2.1 Sich im Raum orientieren und das Lernziel 1.1.1 Raumerfahrung und Raumvorstellung.

In den Fortbildungen hat man öfter gehört, „dass sich ja eh nicht viel geändert hat“. Positiv ist einerseits, dass die Kolleginnen und Kollegen nicht den Eindruck haben, alles neu machen zu müssen. Andererseits wird dadurch ein gänzlich anderes Herangehen an den Erwerb von Kompetenzen verhindert. Die Auswirkungen dieses Widerspruchs werden zu beobachten sein.

Zudem ist eine deutliche Differenzierung zwischen ursprünglicher Lernzieldefinition und jetziger Kompetenzerwartung in den Fachlehrplänen nicht immer offensichtlich.

Ganz wesentlich für den BLLV wäre es, wenn der Lehrer die Möglichkeit hätte, sich öfter zwischen Kompetenzen und angebotenen Lerninhalten zu entscheiden. An welchen Lern­inhalten beschriebene Kompetenzen erlernt werden, sollte in einem größtmöglichen Maß den professionellen Lehrerinnen und Lehrern überlassen bleiben.

Die Freiheit des Lehrers, seine Entscheidungs- und Gestaltungskompetenz würde dazu führen, dass die Inhalte eigenverantwortlich auf die jeweilige Situation der Klasse übertragen werden würde. Jede auf der Grundlage von allgemeingültigen und basalen Kompetenzen basierende individuelle Passung ist besser, als ein einheitliches Ausrichten auf Einzelkompetenzen.

 

4.            Das LIS: eine innovative Kommunikationsplattform

Lehrer sollen auf einem unkomplizierten Weg Zugriff auf Unterrichtsmaterialien haben, so die Ankündigung zum LIS. Genau das würde der BLLV ausdrücklich begrüßen. Eine echte Kommunikationsplattform und einen guten Service für das tägliche Unterrichten, das wünschen sich die Kolleginnen und Kollegen.

Den Lehrplan auf der Plattform digital zur Verfügung zu haben, ist sicherlich ein Vorteil und auch der Zugriff für Eltern auf LIS ist sinnvoll, dennoch darf sich dieses sehr aufwendige und teure Format nicht darauf beschränken.

Teamteaching, Kollegiale Beratungen und Kollegiale Unterrichtsgestaltung sind lange üblich. Das Einzelkämpfertum des Lehrers ist nicht mehr die Regel und damit ist eine internetgestützte Materialbörse, wie bei LIS geplant, sehr zu begrüßen. Lehrerinnen und Lehrer nutzen vielfältige Medien und Online-Börsen zur Gestaltung ihres Unterrichts. Wenn sie dabei auf die Plattform des ISB zum neuen Lehrplan zurückgreifen können, ist dies sehr effektiv.

Der aktuelle Stand dieser effektiven und nützlichen Ebene von LIS ist nach Ansicht des BLLV noch lange nicht erreicht. Hier wird abzuwarten sein, wie die Materialbörse zukünftig bestückt sein wird.

Der BLLV wird kritisch begleiten, ob die Kollegen diese Plattform auch wirklich für ihre tägliche Unterrichtsgestaltung, für die Erstellung „guter Aufgaben“ und für die Konzeption kompetenz­orientierter Lernarrangements nutzen können.

 

5.            Die Querschnittsaufgaben: Inklusion und mehr

Querschnittsaufgaben oder der Themenbereich „Grundlegende Bildung als Auftrag der Grundschule“ (Kapitel 1 Bildungs- und Erziehungsauftrag der Grundschule) kommen in der konkreten Umsetzung meistens nicht vor. Am Beispiel der „Inklusion“ ist dies gut festzumachen. Zur „Inklusion als Beitrag zur gesellschaftlichen Teilhabe“ (S. 16) finden sich im neuen Lehrplan gerade mal fünf Sätze. Selbstverständlich werden die Kolleginnen und Kollegen hier stutzig.

Die gesetzlichen Vorschriften kennt man, das Recht der behinderten Kinder und deren Eltern auch und dann ist im neuen Lehrplan nur ein kleiner Absatz dazu zu lesen. In den einzelnen Fachprofilen findet sich dazu nichts. Auch Querverweise auf den Rahmenlehrplan für den Förderschwerpunkt Lernen fehlen. Auf dem Hintergrund der erlebten Überforderung der Lehrerinnen und Lehrer, der ungenügenden Ausbildung, der kaum vorhandenen Unterstützungs­systeme und fehlenden Gesamtkonzeptionen wird der Lehrer hier allein gelassen. Ein neuer Lehrplan sollte sich hier breiter aufstellen, Ansätze der Inklusion in die einzelnen Kapitel aufnehmen und Querschnittsaufgaben nicht in den vorderen Kapiteln auflisten.

Neben dem Lehrplan sind hier selbstverständlich politische Entscheidungen notwendig, dennoch ist dies in einem modernen Lehrplan integrativ und ganzheitlich zu platzieren.

Werteorientierung, Demokratieerziehung, Mehrsprachigkeit, Verantwortungsbewusstsein, Kulturelle Bildung, Bildung für Nachhaltige Entwicklung, Interkulturelle Bildung, Ökonomische Verbraucherbildung und Politische Bildung sind Beispiele, die in den grundlegenden Kapiteln aufgenommen sind, aber keine direkten Verankerungen in den Fachlehrplänen haben bzw. dies so nicht ausgewiesen ist. Die Gründung einer Arbeitsgruppe, die nach Verankerungen der Verbrauchererziehung in den Fachlehrplänen recherchiert, ist der beste Beleg dafür.

 

6.            Die Implementierung: Zeit und Evaluation

Einen neuen Lehrplan in die Schulen zu implementieren ist eine große Aufgabe und kann nur dann von Erfolg gekrönt sein, wenn diejenigen, die diesen Lehrplan umsetzen, intensiv, wertgeschätzt und umfänglich mitgenommen werden. Grundsätzliche Neuausrichtungen in der Schule gelingen nur, wenn sich diejenigen, die den Unterricht machen, also die Lehrerinnen und Lehrer sich motiviert fühlen. Motiviert sind die Kolleginnen und Kollegen, wenn sie in ihrer Kompetenz ernst genommen werden und bei der Umsetzung mitgestalten können.

Der BLLV ist der Ansicht, dass Pflichtfortbildungen und weitere Formen der Auseinandersetzung mit dem neuen Lehrplan sein müssen, doch sollten diese kompetenzorientiert und auf die schulspezifischen Bedürfnisse bezogen stattfinden. Im Idealfall laufen Fortbildungen dieser Art so ab, wie dann auch der Unterricht gestaltet werden soll: kompetenzorientiert und ausgehend von den unterschiedlichen individuellen Ausgangs- und Kompetenzlagen. Pflichtfortbildungen, die für alle das Gleiche anbieten sind nicht geeignet. Selbstverständlich sind Fortbildungen zum neuen Lehrplan zu begrüßen, aber die Art und Weise ihrer Durchführung ist zentral für die Motivation der Umsetzung. Aus zahlreichen Rückmeldungen von Kolleginnen und Kollegen wissen wir, dass die Fortbildungen in sehr unterschiedlicher Weise durchgeführt und erlebt wurden. Wie immer sind die Erfolge von solchen Veranstaltungen von den jeweiligen Personen abhängig, die diese durchführen. Auch die Anzahl der Teilnehmer, die Zeitstruktur und die Örtlichkeit spielen eine Rolle.

Der BLLV schlug schon von Beginn der Diskussion um den neuen Lehrplan vor, die Implemen­tierung sehr dezentral und schulnah umzusetzen. Schulhausinterne Konzepte, die passgenau die Bedürfnisse und Kompetenzstruktur der Kollegien auffangen, wären hier angezeigt gewesen. Schulen sind in der Lage sich gemeinsam auf den Weg zu machen.

Problematisch sieht der BLLV, dass in manchen Schulamtsbezirken die Fortbildungen bereits durchgeführt wurden, obwohl die Multiplikatoren den fertigen Entwurf des Lehrplans selbst noch gar nicht vorliegen hatten. Das führte in manchen Schulamtsbezirken zu einem spontanen Ändern der Fortbildungsschiene, in anderen zu einem kompletten Absetzen der Lehrplan-Fort­bildungen und in wieder anderen zu einem „Durchziehen“. Auch wenn der BLLV es begrüßt, dass es keine bayernweite einheitliche Fortbildungskonzeption gab und die Schulämter über Fortbildungsmodalitäten selbst entscheiden konnten, führte dies zu erheblichen Irritationen und Unsicherheiten der Kolleginnen und Kollegen. Für die Implementierung in den weiterführenden Schularten sollten jeweils passgenaue Konzepte gefunden werden, die die jeweiligen Strukturen der Schularten auffangen.

Aus Sicht des BLLV sollten bei den Fortbildungen für die Grundschullehrer auch die Lehrer der Förderschulen eingeladen werden. Dies war aktuell nicht der Fall. In den Förderschulen soll nach dem adaptierten Lehrplan der Grundschule unterrichtet werden. Die aktuelle Situation bei der Implementierung der Lehrpläne an den Förderschulen zeigt, dass hier die Schnittstellen­problematik nicht aufgefangen wurde. Zudem müssen die Mobilen Sonderpädagogische Dienste der Förderschulen den Grundschullehrplan kennen, denn inklusive Angebote müssen passgenau begleitet werden können. Weiterhin ist zu fordern, dass bei den Fortbildungen die Querschnittsaufgabe der Inklusion vertieft problematisiert werden sollte.

Die Verknüpfungsmöglichkeiten mit den Rahmenlehrplänen für den Förderschwerpunkt Lernen müssen thematisiert werden, wenn Inklusion ernst gemeint ist. Hier befürchtet der BLLV deutliche Kooperationsschwierigkeiten und weist daraufhin, dass gelingende Inklusion nicht an solchen „hausgemachten Fehlern“ scheitern darf.

Der BLLV stellt auch die Frage, inwieweit die Lehrplanbeauftragten in den einzelnen Grund­schulen diese Aufgaben bewältigen sollen. Würde man es mit deren Aufgaben ernst meinen, dann müssten diese eine explizite und differenzierte Aufgabenbeschreibung bekommen, entsprechende professionelle Schulungen bekommen und adäquat honoriert werden. Sonst wird der intendierte Erfolg sich nicht einstellen. Zum Nulltarif wird diese wichtige Funktion nicht effektiv umgesetzt werden können.

Im Rahmen der Diskussion um die Implementierung des neuen Lehrplans stellt der BLLV auch die Frage, warum eine Evaluation von Anfang an ausgeschlossen wurde. Die zeitliche Enge der verpflichtenden Umsetzung kritisiert der BLLV. Warum kann man keine Modellphase einlegen und die Kolleginnen und Kollegen ernst nehmen mit ihren Erfahrungen und Rückmeldungen? Zu Beginn der Diskussion im Fachbeirat war auch immer die Rede davon, dass erst in der Ersten Jahrgangsstufe begonnen wird und dann sukzessive die Jahrgangsstufen aufgebaut werden.

Aus anderen Bundesländern wissen wir, dass ein neuer Lehrplan durchaus 3-4 Jahre in die Probephase an Modellschulen geht und dann erst verpflichtend implementiert wird. Der BLLV hält den bayerischen Weg hier für wenig wertschätzend, übereilt und auch nicht professionell, denn die Feedbacks der Kolleginnen und Kollegen hätten eine wertvolle Weiterentwicklung bedeutet.

Professionelle Rückmeldung würde bedeuten, die Lehrerinnen und Lehrer könnten die Realisierung im Feld Schule integrieren und dann konkrete Verbesserungsvorschläge machen. Der BLLV kann aufgrund fehlender Modellphasen auf keine Erfahrungsberichte zurückgreifen und wird daher die Umsetzung in den kommenden zwei bis vier Jahren sehr kritisch begleiten und dabei die konkreten Erfahrungen der Kolleginnen und Kollegen nutzen.

 

7.            Fazit: eine kritische Zusammenfassung

Der LehrplanPLUS muss zu einem Austausch, insbesondere auf der Ebene der Schulen, führen. Sprechen über die eigene Profession, über das eigene Handeln, Planen, Lernen und Lehren wird unverzichtbar, wie es auch im Lehrplan bei den Kompetenzerwartungen formuliert ist.

So heißt es im Lehrplan in den Kompetenzerwartungen, Deutsch, 4. Jahrgangsstufe wörtlich: „Die Schülerinnen und Schüler führen Lerngespräche, in denen sie ihre Lernstrategien beschrei­ben, über Arbeitsergebnisse und Lösungswege sprechen, die Zusammenarbeit bewerten oder Feedback an ein Team geben. Sie bewerten eigene Lernergebnisse im Vergleich mit denen anderer und ziehen Schlüsse für ihr eigenes Lernen… Sie nutzen Lerngespräche, um Hinweise für ihr eigenes Lernen zu erhalten und weiteres Lernen zu planen. Sie bewerten, auch im Austausch mit anderen, ihren eigenen Lernstand, setzen sich aufgrund dieser Einschätzung selbst herausfordernde, angemessene Ziele.“

Übertragen auf Lehrkräfte und alle, die im System Schule Verantwortung tragen, heißt kompetenzorientiertes Handeln: Sprechen über Unterricht, über Gelingensfaktoren, über Unterrichtsergebnisse und über die Kompetenzen, die die Schülerinnen und Schüler erwerben können, sowie die Reflexion über die Zusammenarbeit und den eigenen Lernstand als Lehrkraft, um sich „herausfordernde, angemessene Ziele“ setzen zu können.

Der LehrplanPLUS ist die Philosophie, die praktische Umsetzung liegt bei den Lehrerinnen und Lehrern, den Schulleitungen und allen Unterstützungssystemen. Auch jetzt, schon vor dem neuen Lehrplan, wurde und wird gute Arbeit in unseren Grundschulen geleistet, werden Kompetenzen erworben, gibt es vielerorts eine offene Aufgabenkultur, wird Heterogenität als Chance genutzt, gibt es ein passgenaues Übergangsmanagement und wird ganz im Sinne des Artikel 131 unserer Bayerischen Verfassung nicht nur Wissen und Können vermittelt, sondern auch Herz und Charakter gebildet. Meint man diesen Austausch und diese Reflexion der Kolleginnen und Kollegen untereinander ernst und will man diese professionelle Auseinander­setzung mit dem neuen Lehrplan, dann brauchen die Kolleginnen und Kollegen hierfür Zeit und Kapazitäten. Dieser professionelle Tiefgang würde eine professionelle Umsetzung des neuen Lehrplans garantieren.

Der Widerspruch zwischen dem ambitionierten Anspruch des neuen kompetenzorientierten Lehrplans und der Schulwirklichkeit ist enorm. Viele wertvolle Ansätze können nicht umgesetzt werden, da die Schule für diese Art von Unterricht weder personell noch von ihrer Struktur her (z. B. Übertrittsdruck, Leistungserhebungen) vorbereitet ist. Mittlerweile zweifeln auch immer mehr Lehrkräfte daran, dass sich der Lehrplan im Alltag so anwenden lässt, wie von den Entwicklern gedacht. Das liegt einerseits an dem auf Noten beschränkten Leistungsbegriff und andererseits auf der zurzeit praktizierten Feedback-Kultur.

Es ist keine Frage: Jeder Einführungsprozess ist schwierig. Es ist auch keine Frage, dass das Interesse der Lehrerschaft an einem zeitgemäßen Lehrplan groß ist. Umso dringlicher aber ist es, dass die Kolleginnen und Kollegen sich ernstgenommen fühlen. Und da liegt aus Sicht des BLLV ein Grundproblem des gesamten aktuellen Implementationsprozesses. Es wurde ein kompletter und komplexer Lehrplan entwickelt, der theoretisch Sinn und macht und viele wertvolle Impulse setzt. Aber viele Kolleginnen und Kollegen sind skeptisch und abweisend, weil sie als professionelle Pädagogen diesen Implementationsprozess als ein „Überstülpen von oben“ empfinden. Dies wird dadurch bestätigt, dass der Lehrplan in vielen Punkten an der Schulwirklichkeit vorbeigeht. Erfolgreiche Reformen aber müssen als ein Teil eigener Professionalität von den Handelnden selbst entwickelt werden. Nur wenn ein hoher Grad an Identifikation vorliegt, dann kann eine Reform zum Erfolg werden. Hier stoßen wir an ein Grundproblem unserer Schule, das wir als BLLV sehr ernst nehmen. Die Kolleginnen und Kollegen an allen Schulen sind Experten, die selbst gestalten und entwickeln können. Dazu brauchen sie aber Vertrauen, Zeit und Unterstützung. Daran mangelt es ebenso wie an dem Bewusstsein wie Veränderungsprozesse erfolgreich umgesetzt werden können.

Insofern appellieren wir an die Verantwortlichen im Kultusministerium und in der Schulverwal­tung ebenso wie an die Kolleginnen und Kollegen, diese holprige und teilweise missglückte Implementation zum Anlass zu nehmen, im Laufe des nächsten Jahres eine kritische Evaluation der Lehrerinnen und Lehrer zu ermöglichen und sie ernsthaft zu diskutieren und den Lehrplan gegebenenfalls zum Schuljahr 2015/2016 nochmals zu modifizieren. Das wäre ein sichtbares Zeichen, die Einwände, Gedanken und Ideen der Experten in der Schule ernst zu nehmen.

 

 

ANLAGE

 

A.            Allgemeine Bemerkungen

Der BLLV geht in den einzelnen Fächern bei seiner Stellungnahme nicht ins Detail. Wir achten die Kompetenz, die Expertise und die zeitintensive Beschäftigung der Fachkommissionen mit den einzelnen Fachlehrplänen und Kompetenzprofilen und werden deswegen keine detaillierten und kleinschrittigen Anmerkungen zu den einzelnen Fächern machen.

Dennoch wird in den drei Fachbereichen Englisch, Werken-Gestalten und Kunst knapp einige kritische Argumente aufgeführt.

Begrüßt wird die Aufnahme von „Deutsch als Zweitsprache“ in den Fächerkanon. Dabei ist die Verknüpfung an das Fach Deutsch und nicht an die Jahrgangsstufen positiv zu werten.

Einige grundlegende Überlegungen und Fragestellungen werden im Folgenden aufgelistet. Hierbei ist es eher eine fragende Haltung, die der BLLV einnimmt, denn inwieweit sich die zu erreichenden Kompetenzen in den einzelnen Fächern und Jahrgangsstufen wirklich erreichen lassen, müssen die Implementierung und die konkrete schulische Umsetzung in den nächsten Jahren zeigen. Der BLLV wird sich im Laufe der nächsten Jahre mit konkreten Erfahrungen zu den einzelnen Fachbereichen äußern und stellt seine Erfahrungen dann gerne dem Staatsministerium zur Verfügung.

 

Das Abziehverfahren:

Der BLLV stellt die Frage, ob Verfahren in den Lehrplänen vorzuschreiben sind. Wie ein Schüler Minusaufgaben rechnet und wie ein Schüler die Kompetenz des Subtrahierens erwirbt, kann unserer Ansicht nach nur dann kompetenzorientiert und individuell erfolgen, wenn die Verfahren durch den Schüler je nach seinen Stärken und Schwächen selbst gewählt und vom Lehrer begleitet werden. Zu beobachten wird sein, was die Lehrwerke auflegen und wie die weiterführenden Schulen mit den in der Grundschule praktizierten Verfahren umgehen. Der Wert dieses Lehrplans lässt sich erneut an den Schnittstellen zu den weiterführenden Schulen messen.

 

Die Schriftdiskussion:

Im Rahmen der Diskussion um die Schrift ist es dem BLLV wichtig, dass viel Zeit zur Verfügung steht, um das Training des Schrifterwerbs intensiv durchzuführen. Welche Schrift empfohlen wird und was sich dann in der Realität bewährt, hat die Realität an den Grundschulen in den letzten Jahren gezeigt. Die Kolleginnen und Kollegen wissen ganz genau, wo die VA ihre Schwächen hat und genau da muss es Veränderungen geben. Auf Verschriftungen mehr Wert legen, heißt Zeit haben. Wenn zur VA die SAS alternativ angeboten wird, dann begrüßt dies der BLLV, betont aber, dass eine geeignete Schriftform alleine die Probleme der Schüler mit ihrer Handschrift nicht lösen kann. Ein veränderter Schreibunterricht mit mehr Zeit und somit mehr Möglichkeit auf die individuelle Schreibentwicklung des einzelnen Kindes einzugehen, ist grundlegend wichtig, wenn die Handschrift als Kulturgut wieder mehr Wert bekommen soll.

 

B.           Der Fachlehrplan Englisch

Die Beschreibung der Kompetenzen, die am Ende eines zweijährigen Lernprozesses erworben sein sollen, werden begrüßt. Dies kommt einer alten Forderung entgegen, Stufen- und nicht Jahrgangsziele zu formulieren.

Für den BLLV ist es weiterhin kritisch, dass in den Jahrgangstufen 1 und 2 kein Englisch angeboten wird. Alle wissenschaftlichen Aussagen gehen eindeutig in die Richtung einer frühen Bilingualität bzw. Multilingualität.

Der Fachlehrplan bietet im Vergleich zu den aktuellen Lehrplänen eine gute Weiterentwicklung und birgt keine großen Veränderungen in sich. Wichtig ist, dass die Schüler/innen viel über sich und ihre Umgebung sagen und (in geringem Umfang) schreiben können und dazu motiviert werden, dies auch zu wollen.

Der Kompetenzbegriff ist teilweise zu wenig differenziert, um auf die sehr heterogene Schüler­schaft eingehen zu können. Zwei Beispiele: Die Schüler „lesen einzelne Wörter und Sätze sowie sehr kurze, einfache Texte, die sie zuvor gehört und inhaltlich erschlossen haben, nach mehrfacher Wiederholung lautrichtig vor“.

Sie „tragen gut geübte kurze Texte (z. B. Reime oder Raps) auswendig und klanggestaltend vor“. Diese zwei Beispiele von Kompetenzerwartungen zeigen ganz deutlich, dass im neuen Lehrplan nicht anerkannt wird, dass unsere Schülerinnen und Schüler sehr heterogen sind.

Es müssten Mindestkompetenzen für Schülerinnen und Schüler in der Grundschule formuliert sein und dann weiterführende Zusatzkompetenzen ausgewiesen werden. Auch die Lehrwerke müssen unbedingt differenzierende Angebote zur Verfügung stellen.

Gerade im Fachlehrplan Englisch liegt dem BLLV daran, dass die weiterführenden Schularten an den Kompetenzen der Grundschule anknüpfen. Dabei ist der verlässlichen Mindestwortschatzes ein positiver Garant und somit die Integration der KdLP positiv.

Die explizite Forderung des fehlerfreien Abschreibens kommt dem Einprägen sicher zugute, auch wenn natürlich (zu Recht) die Mündlichkeit Vorrang hat.

Gerade im Fach Englisch wird es sich zeigen, ob die neue Form des Lernens, die Orientierung an den Kompetenzen und starke Fokussierung auf die individuellen Lernwege und -prozesse im vorhandenen Stundenumfang zu erzielen ist. Auf verschiedene Lernerfahrungen und Sprachbiografien Rücksicht zu nehmen ist ein wichtiges, aber kaum zu erreichendes Ziel, wenn die Schulwirklichkeit hier Grenzen setzt.

Für die weiterführenden Schulen wäre es sicher wichtig, die angedachten Arbeits- und Lerntechniken darzustellen, damit sie daran anknüpfen und ihre schulartenspezifischen Lerntechniken daran ausrichten können. Die Übergänge zu verbessern ist ein erklärtes Ziel der neuen Lehrpläne. So sind auch die Arbeits- und Lernweisen aufeinander zu beziehen.

 

C.           Der Fachlehrplan Werken und Gestalten

In Anlehnung an die Ausführungen im Vorwort des Lehrplanentwurfs mit Bezugnahme auf die technische Bildung sind die Kernpunkte richtig angesprochen worden. In der Weiterleitung und Verknüpfung mit der Werteerziehung sind in der Werk- und Technikbildung grundlegende Schwerpunkte möglich. Leider kommt der Inklusionsgedanke auch in diesem Fachlehrplan nicht vor.

Im Bereich Leitlinien wird großer Schwerpunkt auf die Kompetenzorientierung gelegt. Nicht nur das Urteilsvermögen für handwerkliche Erzeugnisse sondern auch für die technischen Erzeugnisse und die technische Umwelt ist anzubahnen. Das begrüßt der BLLV.

Sollten die fächer- und schulartübergreifenden Bildungs- und Erziehungsziele einer Reihung unterliegen, so sind diese nicht stringent in der Sache, z.B. muss die eigene Kultur erst reflektiert werden um aufgeschlossen gegenüber anderen Kulturen zu sein (erst kulturelle Bildung, dann interkulturelle Bildung).

Bei der Bildung für nachhaltige Entwicklung können durchaus in der Grundschule die klassischen Nachhaltigkeitsthemen, beispielsweise unter welchen Arbeits- und ökologischen Bedingungen Produkte (Fairer Handel) hergestellt werden, aufgegriffen werden. Das bedeutet, dass Kinder einen altersgemäßen Einblick in die Gewinnung und Herstellung von Rohstoffen bekommen, damit sie bereit und in der Lage sind, reflektiert mit Rohstoffen umzugehen. Der Bereich der Alltagskompetenz und Lebensökonomie findet sich bisher nicht wieder.

Das Fachprofil für Werken und Gestalten orientiert sich fast ausschließlich an gestalterischen und handwerklichen Tätigkeiten. Technische Fertigkeiten wie z. B. Demontage, Montage, funktionelle Zusammenhänge erkennen, einfache Maschinenelemente benennen und einsetzen - um nur einige zu nennen - werden vermisst.

Eine fächerübergreifende Struktur mit Verknüpfungen des Fachbereichs Werken und Gestalten u. a. mit den Fächern Kunst, HSU ist unproblematisch und als gewinnbringend anzusehen. Es ist anzumerken, dass die Ausführungen des Entwurfs konkrete inhaltliche Elemente vermissen lassen.

Der Aufbau des Fachlehrplans ist durchaus positiv, die ausgewiesenen Inhalte für jeweils zwei Jahrgangsstufen sind zu begrüßen, die Formulierungen zu den Kompetenzerwartungen sind einer Kompetenzentwicklung zuträglich.

Aus fachlicher Sicht ist anzumerken, dass die Inhalte zu den Kompetenzen unvollständig und unsystematisch dargestellt werden. Sollte dies gewünscht sein, dann würde der Hinweis auf mögliche Inhalte, dies klarer zum Ausdruck bringen.

Zur Zielsetzung der 2. Jahrgangsstufe: Alters- und entwicklungsgemäß müssen dort die Ziele, die Kernkompetenzen eher in der motivierenden Ebene liegen. Das Interesse an handwerk­lichen, technischen Elementen wecken und fördern sollte dabei im Vordergrund stehen, um damit eine frühzeitige Förderung der Fähigkeiten und Interessen der Kinder zu ermöglichen.

Zur Zielsetzung der 4. Jahrgangsstufe: Hier müssen schon gewisse handwerkliche und technische Fähigkeiten vorbereitet werden, die dann in eine bestimmte Förderung des Kindes einfließen - auch im Hinblick auf die weitere Schullaufbahn.

Eine schulische Bildung in der Primarstufe in den Bereichen Werken und Gestalten ist ein dringend notwendiges Bildungsziel. Handwerk und Industrie brauchen und fordern mehr technische Bildung in den schulischen Alltag zu verlagern. Deshalb hat die fachliche Kompetenz der unterrichtenden Lehrkraft einen hohen Stellenwert.

 

D.           Der Fachlehrplan Kunst

Die Differenzierung in die fünf Lernbereiche ist spezifisch begründet und logisch aufgebaut. Neben dem praktischen Gestalten ist mit Kunst- und Werkbetrachtung ein sinnvolles theoretisches Äquivalent geschaffen, welches das eigene Tun vertieft ergänzt und bereichert.

Im Entwurf sollte allerdings verstärkt Berücksichtigung finden, dass die bildnerische Ausdrucks­fähigkeit des Kindes lange vor dem Eintritt in die Schule beginnt (Kritzeln). Das sind erste kreative Betätigungen, die bereits grundlegende künstlerische Kategorien einer räumlich und zeitlichen Ordnung erkennen lassen und damit bildnerischer Ausdruck geistigen Tuns sind. Die Folgerung für die Kunsterziehung umfasst einen Katalog wichtiger Aufgaben, der aus der Analyse der frühen Kinderzeichnung gewonnen werden sollte.

Diese Ansätze müssen der jeweiligen Entwicklungsstufe angepasst, in die methodisch-didak­tischen Überlegungen eingebaut werden.

Sinnvoll und notwendig wäre auch die Berücksichtigung von Schrift/Zahl und Typografie im Lehrplanentwurf, da es sich hier um fundamentale Ordnungssysteme unseres Kulturkreises und anderer Kulturkreise handelt, die zur Lösung bildnerischer Probleme in Aufgabenstellungen Eingang finden sollten.

In den Lernbereichen und Inhalten zu den Kompetenzen Kunst 1/2 Lernbereich 1 sollten Prähistorische bzw. sogenannte „primitive Kulturen“ und Volkskunst ebenfalls mit einbezogen werden.

Im Lernbereich 3 „Visuelle Medien“ müssen zur Realisierung der Inhalte den Schülerinnen und Schüler entsprechende technische Ausrüstungen (digitale Kamera, Drucker, Computer) zur Verfügung stehen. An vielen Schulen wird das nicht der Fall sein. Es wird auch schwierig sein, für die praktische Tätigkeit jeweils einen Computerraum zur Verfügung zu haben.

Der Lehrplan weist noch keine Informationstechnologische Grundschulung aus. Interessanter­weise findet man aber in Kunst und Musik diese Inhalte wieder (Schneiden von Tonaufnahmen und Bildbearbeitung, die allerdings eine geringe Grunderfahrung am Computer notwendig machen). Der BLLV frägt sich, wer hier die Fortbildungen organisiert, die Computerräume einrichtet und das entsprechende Equipment wartet? Grundvoraussetzung zur Realisierung dieses umfassenden Lehrplanentwurfs ist allerdings, dass kompetente und qualifiziert ausgebildete Fachlehrkräfte in genügender Zahl zur Verfügung stehen. Dies scheint derzeit nur bedingt der Fall zu sein. Das hohe Anspruchsniveau setzt ein Lehramtsstudium mit Schwerpunkt Kunsterziehung voraus. Mit Nachqualifizierungen für sogenannte Seiteneinsteiger und fachfremd Unterrichtende an zwei Nachmittagen oder einem Wochenendlehrgang bzw. sogenannten crash-Kursen kann das Anspruchsniveau des Lehrplans nicht erfüllt werden, das würde auch der pädagogischen Bedeutung des Faches Kunsterziehung in unserer Gesellschaft nicht gerecht werden. Jeder noch so gute Lehrplan kann nur so gut sein wie das Ausbildungsniveau der unterrichtenden Lehrkräfte. Zudem ist eine ästhetisch-kulturelle Bildung an unseren Schulen gleichrangig zur mathematisch-naturwissenschaftlichen Bildung zu sehen.

Zusammenfassend zum Fachlehrplan Kunst ist festzuhalten: 

  1. Dem Fach Kunst wird eine wichtige Bedeutung für die Entwicklung und Persönlichkeitsreifung der Kinder zugesprochen.
  2. Die zahlreichen Kooperationsmöglichkeiten mit anderen Fächern unterstreichen diese Wertschätzung der Kunst.
  3. Ein klarer Auftrag die Welt zu erkunden und sie zu reflektieren ist eine gute Grundlage gestalterisch tätig werden zu können.
  4. Besonders gut gefällt dem BLLV der Bereich 5 „Fantasiewelten“: Fantasie ist die Grundlage für die kreative Entwicklung eigenständiger Selbstbilder, die unsere Kinder in der heutigen schnellen und harten Welt brauchen, um standhaft zu sein.
  5. Der Bezug zur örtlichen Kultur: Bräuche und Traditionen geben einer entstehenden "multikulturellen Gesellschaft" Halt und Fundament.
  6. Museumspädagogik und Atelierbesuche werden klar verlangt!
  7. Schulhausgestaltung wird mit dem neuen Lehrplan Unterrichtsprinzip.
  8. Altmodische Techniken verschwinden und freies, projektorientiertes Arbeiten gewinnt an Bedeutung.

Lehrplan Plus:
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