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Kommentar zur aktuellen Quarantäne-Regelung Startseite
Coronatest

Neues aus Schilda

Dass Schulleiter jetzt eigenständig entscheiden dürfen, wann Distanzunterricht stattfinden soll, hört sich zunächst gut an. In der Praxis ergeben sich aber viele Probleme, sagt Markus Rewitzer, Schulleitersprecher BLLV Oberbayern.

So, nun ist es so weit: Die Schulleiter hängen nicht mehr am Tropf des Gesundheitsamts, sondern wir dürfen nun selbst entscheiden, wann Distanzunterricht stattfinden soll. Endlich werden wir Behördenleiter also ernst genommen. Das zeigt, dass unser Dienstherr nun endlich verstanden hat, wer Tag für Tag die Kartoffeln aus dem Feuer holt. Jetzt haben wir die Kompetenz zu entscheiden, wann die Coronalage so gravierend ist, dass Präsenzunterricht nicht mehr sinnvoll ist.

Erst bei 50% fehlende Schülern darf nachhause geschickt werden - viel zu spät!

Hört sich gut an, für Außenstehende erst recht. Die eigenverantwortliche Schule darf nun entscheiden. So weit die Theorie: Das "Angebot", dass Schulleitungen nun großzügigerweise eine Klasse bei ca. 50% fehlenden Schülern nach Hause schicken dürfen, sollte man aber eigentlich nach Schilda verorten. Wenn wir von einer durchschnittlichen Klassenfrequenz von etwa 20 – 24  Kindern ausgehen, müssen wir also sehenden Auges zuschauen, bis wir einen Grad der Durchseuchung erreicht haben, bei dem schon lange vorher Präsenzunterricht nicht mehr zu verantworten ist. Geschweige denn, dass es die Lehrkraft so lange aushält ohne dass Sie wahrscheinlich selbst erkrankt und dann nicht einmal mehr Distanzunterricht anbieten kann.

Zudem gibt es den logischen Konflikt, dass bei der bisherigen Marschroute vieler Gesundheitsämter schon lange vorher (bei ca. vier Fällen in einer Klasse pro Woche) wohl Klassenquarantäne ausgesprochen worden wäre – wodurch die 50 % Regelung sowieso ad absurdum geführt worden wäre.

Neuester Clou: Viele Gesundheitsämter sprechen in der Regel nun gar keine Klassenquarantäne mehr aus, weil ja der Schulleiter nun das "mildere" Mittel des Distanzunterrichts anordnen darf

Nun also der neueste Clou: Viele Gesundheitsämter sprechen in der Regel nun gar keine Klassenquarantäne mehr aus, weil ja der Schulleiter nun das "mildere" Mittel des Distanzunterrichts anordnen darf. Schön schön. Es klafft damit aber de facto von einem Tag zum nächsten eine riesige Lücke im System – und zwar, dass wir praktisch eben kaum eine Handlungsmöglichkeit besitzen, wenn in einer Klasse die positiven Fälle steigen, aber eben noch nicht den 50% Grad erreicht wurde. Als Weichmacher ist dann die Klausel vorgesehen, dass wir selbstverständlich das Gesundheitsamt kontaktieren können, wenn wir glauben, dass dringender Handlungsbedarf besteht. Damit ist es unserer subjektiven Wahrnehmung überlassen, wann denn so ein Handlungsbedarf gegeben ist.

Ich bin der Meinung, dass die bisherige Marschroute von ca. vier positiven Fällen pro Klasse schon so einen Handlungsbedarf definiert. Ein anderer sieht das vielleicht nicht so. In einem Fall werden dann Kinder nach Hause geschickt, im anderen Fall nicht. Eltern sind aber gut vernetzt und wissen um die Lage in den verschiedenen Schulen. Dies erzeugt Missstimmung, Frust und Aggression.

Und wer darf es ausbaden: Wir Schulleiter, die nun offiziell verantwortlich sind, Infektionslagen zu bewerten und dann im Nebel stochernd eigenverantwortlich handeln sollen. Wir sind aber nur professionelle Pädagogen, aber keine Infektiologen oder Juristen. Daher ist es nicht mit dem Fürsorgeauftrag unseres Dienstherren vereinbar, dass uns nun die Last aufgebürdet wird zu entscheiden, wann Handlungsbedarf entsteht. Und wir möchten auch nicht verantwortlich sein, wenn durch die 50% Regelung massenweise Kinder und vielleicht deren Familien sich mutwillig anstecken lassen müssen.

Eigenverantwortlich handeln macht nur Sinn, wenn auch Handlungsspielräume vorhanden sind

Eigenverantwortlich handeln macht nur Sinn, wenn auch Handlungsspielräume vorhanden sind. Dies ist mit der neuen Regelung nicht gegeben. Im Gegenteil, die 50% Klausel ist letztlich nur eine weitere Zahl im Corona-Roulette der Politik. Sie hilft uns nicht, sie schadet nur. Es wäre ehrlicher gewesen, wenn man gleich sagt: Wir nehmen eine Durchseuchung in den Schulen billigend in Kauf. Ehrlich, aber wohl nicht opportun. Das Schreiben zeigt leider ein weiteres Mal, wie weit weit weg die Entscheider von den Realitäten der Schulen sind.

>> Autor: Markus Rewitzer, Schulleitersprecher BLLV Oberbayern



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