Bild: Ludwig Spaenle (Antisemitismus-Beauftragter der Bay. Staatsregierung), Klaus Wenzel (Ehrenpräsident), Simone Fleischmann (BLLV-Präsidentin), Manfred Schreiner (BLLV-Ehrenmitglied), Max Liedtke (Autor) mit Ute Riedl (Lebensgefährtin), Wolfgang Sosic (Mitglied Schwabacher Geschichtsverein) mit Gattin, Dieter Reithmeier (BLLV-Geschäftsführer). (v.l.n.r.)
Bild: Ludwig Spaenle (Antisemitismus-Beauftragter der Bay. Staatsregierung), Klaus Wenzel (Ehrenpräsident), Simone Fleischmann (BLLV-Präsidentin), Manfred Schreiner (BLLV-Ehrenmitglied), Max Liedtke (Autor) mit Ute Riedl (Lebensgefährtin), Wolfgang Sosic (Mitglied Schwabacher Geschichtsverein) mit Gattin, Dieter Reithmeier (BLLV-Geschäftsführer). (v.l.n.r.)
Buchpräsentation im BLLV-Landesausschuss Startseite

Nicht mehr schweigen

In einer bewegenden Präsentation stellte Prof. Dr. Max Liedtke seine historische Arbeit zum Thema "Jüdische Lehrer im BLLV" vor. Zu Gast dabei: Antisemitismusbeauftragter Dr. Ludwig Spaenle.

Als besonderer Kenner der facettenreichen BLLV-Geschichte machte er sich besonders für die Erinnerungskultur im BLLV stark: Prof. Dr. Max Liedtke. Im Landesausschuss des BLLV referierte er über seine aktuelle historische Forschung: Jüdische Lehrer im BLLV. 

Die Arbeit Liedtkes kam zu dem Ergebnis, dass der BLLV von 1861 bis 1933 die selbstverständliche berufliche Heimat jüdischer Lehrer war. Er fand 222 Namen jüdischer Lehrer, die nachweislich  in diesem Zeitraum im BLLV Mitglied waren.

Ambivalente Rolle des BLLV

Bei der vorangegangenen Landesausschusssitzung des BLLV am 10. Juli 2021 in Nürnberg stellte Liedtke seine Untersuchung, die in enger Zusammenarbeit mit Wolfgang Sosic entstand, vor. Er zeigte die historische Ambivalenz des BLLV daran auf, dass auf der einen Seite in dem genannten Zeitraum die jüdischen Lehrer zwar selbstverständlich Mitglied in dem sich überkonfessionell verstehenden Berufsverband der Volksschullehrer sein konnten, auf der anderen Seite aber mit Machtergreifung der Nationalsozialisten - auch im BLLV - der große Mantel des Schweigen über das Schicksal dieser Kollegen gelegt wurde.

In der Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft - und auch in der Nachkriegszeit bis in die 90er Jahre - war dieses Thema der BLLV-Geschichte in den Verbandschroniken nicht existent. Ebenso wenig wie die Tatsache, dass im BLLV glühende Nationalsozialisten und Antisemiten wie Josef Bauer und Julius Streicher das Sagen hatten und den BLLV nationalsozialistisch und antisemitisch ausrichteten.

Ein bewegendes Kapitel der BLLV-Geschichte

Kern des Werk Liedtkes ist die Namensliste der jüdischen Lehrer im BLLV. Sie wird angereichert durch 50 Kurzbiografien einzelner Lehrer. Es ist bewegend und erschütternd, in der Liste und in den Kurzbiografien zu lesen: wieviele der Kollegen mit ihren Familien ermordet wurden oder fliehen mussten. Grundsätzliche Ausführungen über das Verhältnis des BLLV zu seinen jüdischen Kollegen und zum Selbstverständnis des BLLV in der Zeit der Nazidiktatur und den Jahren danach ergänzen den Band.

Mit großem Detailwissen stellte Max Liedtke in seinem Vortrag dieses Kapitel der Geschichte des BLLV dar. Und mit großer Betroffenheit beschrieb er das ganz offensichtliche Versagen vieler Kollegen, das Wegschauen und Geschehen lassen ebenso wie das spätere Schweigen.

Simone Fleischmann: „Max, Du hast ein Zeichen gesetzt“

Simone Fleischmann bedankte sich bei Max Liedtke, der 2015 als Förderer des BLLV auf der Landesdelegiertenversammlung  geehrt wurde, für die bedeutende Recherche und die bewegende Präsentation im Landesausschuss: „Du hast ein Zeichen gesetzt und ermahnst uns, uns unsere Geschichte immer wieder vor Augen zu führen, um wach zu sein gegen alle Formen der Ausgrenzung in unserer Gesellschaft. Wir sind ein traditionsreicher und geschichtsbewusster Verband. Deshalb müssen wir uns mit dem Schicksal der jüdischen Mitglieder in unseren Reihen auseinandersetzen. Dieses Kapitel in der Geschichte des BLLV erfüllt uns einerseits mit Stolz und andererseits mit Scham. Max, wir danken Dir für diese bedeutende Arbeit.“ Simone Fleischmann bedankte sich in diesem Zusammenhang auch bei dem Ehrenpräsidenten Klaus Wenzel und dem Landesgeschäftsführer, Dr. Dieter Reithmeier, die diese Arbeit begleiteten und unterstützten.

Antisemitismusbeauftragter Spaenle zu Gast

Auch Dr. Ludwig Spaenle, Beauftragter der Bayerischen Staatsregierung für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus, für Erinnerungsarbeit und geschichtliches Erbe, war Gast des Landesausschusses. Er zeigte sich sehr beeindruckt von den Ausführungen Liedtkes. Seine Arbeit habe verbandsgeschichtlichen Bedeutung und leiste auch einen wichtigen Beitrag zur Geschichte des Judentums in Europa im Jubiläumsjahr 1700 Jahre Jüdisches Leben in Europa.

In einem engagierten Vortrag hatte Spaenle zuvor die Wurzeln und die Genese des Antisemitismus in Europa aufgezeigt. Antisemitismus sei über die Jahrhunderte ein zentraler Teil der europäischen und deutschen Geschichte. Antisemitisches Denken sei bedauerlicherweise nicht auszumerzen. Es trete immer wieder auf. Es sei unerträglich, dass jüdische Mitbürger heute wieder Diskriminierung, Anfeindungen bis hin zu Gewalt ausgesetzt seien. Er appellierte an die Lehrerinnen und Lehrer nicht aufzuhören, für ein wertschätzendes Miteinander aller Religionen einzutreten und jeder Form des Antisemitismus entgegenzutreten – auch und gerade bei Kindern und Jugendlichen, die sich des Inhalts vieler antisemitischer Provokationen gar nicht bewusst seien.

Haltung zählt

Simone Fleischmann verwies in ihrer Replik auf das Manifest des BLLV Haltung zählt, das der BLLV im Jahr 2015 veröffentlichte. Es stellt sich in aller Deutlichkeit gegen die Hetze der rechten Populisten und die damit einhergehende Verrohung der Sprache und appelliert an ein wertschätzendes Miteinander. „Im Kampf gegen den Antisemitismus und jede Form der Diskriminierung und Ausgrenzung haben Sie den BLLV auf Ihrer Seite“, sagte Fleischmann.         

Die Arbeit von Max Liedtkes und Wolfgang Sosic mit dem Titel “VON AUFBRÜCHEN UND TRAGÖDIEN. Jüdische Mitglieder im Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) 1861 bis 1945“  kann kostenlos bestellt werden unter versand(at)bllv.de

 

Erinnern - ein Geschichtsprojekt des BLLV

Mit dem Projekt Erinnern setzt sich der BLLV mit der Geschichte jüdischer und verfolgter Lehrer und Lehrerinnen im Nationalsozialismus auseinander. Wir wollen mit diesem Projekt einen Beitrag liefern zu einer nachhaltigen Erinnerungsarbeit an die Opfer des Nationalsozialismus auch nach dem Tod der letzten Zeitzeugen.

Mehr Informationen

Das Hilfsprojekt des BLLV: Kinderhaus CASADENI