Aufmacher_Yad_Vashem_169.jpg
Niederbayerische Lehrer gedenken ermordeter jüdischer Kollegen Startseite

Wir dürfen nicht vergessen

Eine Delegation von 18 Lehrerinnen und Lehrer aus dem niederbayerischen Nachwuchsseminar Perspektivteam legten in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem einen Kranz für die im Holocaust ermordeten jüdischen Mitglieder des Bayerischen Lehrervereins nieder.

Im beeindruckend gestalteten „Tal der Gemeinden“ sind Hunderte von jüdischen Gemeinden, die während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft ausgelöscht wurden, in den für Jerusalem so typischen Kalkstein gemeißelt. Geht man durch dieses wie Schluchten anmutende Labyrinth von meterhoch aufgetürmten Felsen, so gelangt man zu einem Bereich, in dem man auf Dutzende bekannter bayerischer Ortsnamen trifft: Straubing, Landshut, München, Memmingen, Amberg, Regensburg, Augsburg, Neustadt an der Aisch, Schweinfurt, Würzburg und viele, viele mehr. Sie sind mit lateinischen und hebräischen Schriftzeichen geschrieben. Es mögen wohl an die Hundert große und kleine bayerische Orte sein, deren jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger zuerst eingeschüchtert und schikaniert und später deportiert  und ermordet wurden.

Dr. Fritz Schäffer, Leiter der Abteilung Schul- und Bildungspolitik im BLLV, selbst Geschichtslehrer am Christoph-Scheiner-Gymnasium, erinnerte in einer kurzen Ansprache an die Geschichte jüdischer Lehrer im Bayerischen Lehrerverein (BLV) – so hieß der BLLV von der Gründung im Jahr 1861 bis 1951. Von Anfang an gab es auch jüdische Mitglieder im BLV. 221 davon kennen wir dank einer umfassenden Quellenrecherche von Max Liedtke und Wolfgang Sosic heute namentlich. Der BLLV verstand sich immer als überkonfessioneller Berufsverband und war offen für alle Glaubensrichtungen.

Gedenken gegen das Vergessen mangelnder Solidarität

Schäffer erinnerte daran, dass 1933 wenige Monate nach der Machtergreifung der gesamte Vorstand des BLV zurücktrat und ein neuer aus überzeugten Nationalsozialisten bestehender neuer Vorstand gewählt wurde. Auch wenn nicht bekannt ist, dass die jüdischen Kollegen offiziell aus dem BLV ausgeschlossen wurden, so sind auch keine Aktivitäten bekannt, dass Gremien oder Mandatsträger des BLV gegen die zunehmende Diskriminierung jüdischer Kollegen tätig geworden wären. Ganz im Gegenteil, die Bayerische Lehrerzeitung, die Vereinszeitschrift des BLV, die bis Ende 1937 erschien, wurde zu einem nationalsozialistischen Kampfblatt mit vielen antisemitischen Artikeln.

Fritz Schäffer wörtlich: „Auch wenn es einzelne BLV-Mitglieder gab, die Juden in der Zeit der Verfolgung halfen, so ist dies keine Entschuldigung für die mangelnde Solidarität mit den jüdischen Lehrern. Wir sind hier in die Erinnerungsstätte Yad Vashem gekommen, um unserer jüdischen Lehrerkollegen zu gedenken, die während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft ermordet und die viele Jahrzehnte im BLLV vergessen wurden.“

Würdigung 25 ermordeter BLV-Mitglieder

Im Anschluss an diese Worte des Gedenkens legte Fritz Schäffer zusammen mit Yvonne Kirschner, Leiterin der Abteilung Schul- und Bildungspolitik in Niederbayern, einen Kranz an der Wand mit den Inschriften bayerischer jüdischer Gemeinden nieder. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Gedenkveranstaltung lasen mit bewegten Worten die Namen der 25 ermordeten BLV-Mitglieder und deren Familienangehörigen und den Ort ihrer Ermordung vor. Dr. Dieter Reithmeier, BLLV-Beauftragter für Geschichte und Erinnerungskultur nahm an der Gedenkfeier teil und dankte im Anschluss Rainer und Yvonne Kirschner für das Engagement, diese Gedenkfeier möglich gemacht zu haben. Diese Feier in Yad Vashem sei für das Selbstverständnis des BLLV und sein Geschichtsbewusstsein als ältester Lehrerverband Bayerns von herausragender Bedeutung.

Vor der Gedenkfeier besuchte das Perspektivteam das Holocaust Museum. Der zweieinhalbstündige Rundgang durch das Museum wurde von einem jungen Mitarbeiter der pädagogischen Abteilung der Gedenkstätte, Julian Tsapir, begleitet. In beeindruckender Weise erklärte er die historische Entwicklung der Judenverfolgung unter den Nazis, die Mechanismen der Vernichtung und die Zerstörung der jüdischen Kultur durch die Ermordung von sechs Millionen europäischer Juden. Immer wieder erzählte er von Einzelbiografien, an denen die Unfassbarkeit des Holocaust an konkreten Lebensumständen einzelner Menschen deutlich wird.

Ergreifende Lichtinstallation

Einen besonders bewegenden Eindruck hinterließ bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern die Gedenkstätte für die 1,4 Millionen ermordeter jüdischer Kinder und Jugendlicher. In einem komplett dunklen Raum werden fünf Kerzen durch Spiegelungen zu einem Firmament von unendlich vielen Lichtpunkten. In dieser ergreifenden Installation werden die Namen, das Alter und die Herkunft einzelner jüdischer Kinder in jiddischer, hebräischer und englischer Sprache verlesen.

Die Gedenkfeier fand im Rahmen einer Studienreise des Perspektivteams Niederbayern statt, durch das der BLLV-Bezirksverband Niederbayern interessierte Kolleginnen und Kollegen besondere pädagogische und gesellschaftspolitische Fortbildungsangebote macht. Da Perspektivteam Niederbayern wird seit dem Jahr 2005 vom 2. Vorsitzenden des Bezirksverbands Niederbayern, Rainer Kirschner, verantwortet.