Lärm als Stressursache

Wie beeinflusst Lärm Lernen und Gesundheit?

Lernen lebt vom Informationsaustausch. Im Unterricht wird die meiste Zeit kommuniziert. 75% der Zeit ­verbringen Schüler mit dem Zuhören. Eine konzentrierte Ruhe sowie Sprechen und Zuhören in einer raum­akustisch entspannten Atmosphäre sind Grundbedingung für den Lernerfolg. Umso überraschender ist es, dass Lärm an Schulen zwar ein häufig anzutreffendes, aber nur selten diskutiertes Phänomen darstellt.

In herkömmlichen Unterrichtsräumen herrscht in der Regel ein Lärmpegel zwischen 65 dB und 95 dB. Bei geistiger Tätigkeit ist aber eine Grenze von 55 dB vorgeschrieben (z. B. in Büroräumen: VDI 2058 Blatt 3). Häufig führt ein erhöhter Lärmpegel dazu, dass die Äußerungen der Lehrkräfte im Geräuschteppich verschwinden oder ganz untergehen. Besonders im hinteren Bereich des Klassenzimmers sind sie kaum mehr vernehmbar. Die Schüler*innen in den letzten Reihen fühlen sich zunehmend weniger angesprochen und schalten ab. Dabei entsteht zusätzliche Unruhe und es kommt nicht selten vor, dass der Lärmpegel im Laufe eines Unterrichtsvormittags kontinuierlich ansteigt.

Offene, handlungsorientierte Unterrichtsformen sind aus der heutigen Unterrichtspraxis nicht mehr weg­zudenken, im Gegenteil: ihr Einsatz ist vom Lehrplan vorgeschrieben. Gerade bei Gruppenaktivitäten aber kommt es auf Grund des „Kneipeneffekts“ – jede Gruppe muss die Nachbargruppe bei ihren Gesprächen übertönen – sehr schnell zu hohen Schallpegeln.

Wie Lernprozesse durch Störlärm behindert werden

In wissenschaftlichen Studien wurde nachgewiesen, dass diffuser Störlärm (Gewisper, Geraschel, Geflüster) oder unruhiger Bewegungslärm (Stuhlrücken, Spielen mit Gegenständen) sowohl Denkprozesse als auch das Abspeichern von neuem Wissen erheblich beeinträchtigt (Klatte, Mac Kenzie).

Eine schlechte Sprachverständlichkeit auf Grund von Störlärm und Halligkeit beeinträchtigt Kinder grundsätzlich stärker als Erwachsene, da sie über weniger sprachliches Vorwissen und einen geringeren Wortschatz verfügen. Dieses Sprachwissen ist aber notwendig, um halb Verstandenes in Gedanken zu ergänzen und verstehen zu können.

Außerdem benötigt das Zuhören unter ungünstigen Bedingungen eine weit höhere Aufmerksamkeit, so dass die Schüler schneller erschöpft sind und sich weniger mit dem direkten Inhalt auseinandersetzen können. Dies gilt in verstärktem Maß für hörgeschädigte Schüler, für Schüler mit Aufmerksamkeitsstörungen, Sprach- oder Lernbehinderungen, mit Teilleistungsstörungen (z. B. Legasthenie) sowie für Kinder mit nichtdeutscher Muttersprache.

Es geht jedoch nicht nur um die Informationsübertragung, fast noch wichtiger ist der gesundheitliche Aspekt. In schallharten Klassenzimmern steigt der Lärmpegel zum Mittag hin kontinuierlich an. Mittlere Schallpegel von 80 dB (A), ab denen eigentlich ein Gehörschutz getragen werden sollte, sind nicht un­gewöhnlich. Dies strengt Schüler*innen und Lehrer*innen an, die unmerklich immer lauter sprechen. Der zunehmende Lärmpegel führt auch zu Reaktionen des vegetativen Nervensystems (also Pulsfrequenzerhöhung und Blutdrucksteigerung) – sowohl bei den Lehrkräften als auch bei den Schüler*innen.

Auf der anderen Seite empfinden Schüler*innen eine akustisch günstige Umgebung als beruhigend und erholsam. Sie gehen achtsamer und entspannter miteinander um und zeigen wesentlich weniger aggressives Verhalten.

Wie die Gesundheit der Lehrer*innen durch Lärm gefährdet wird

Nach Umfragen gilt Lärm in der Schule bei Lehrkräften als Belastungsfaktor Nummer eins. Es ist nicht nur der Lärm im Klassenzimmer, häufig wird auch der Lärmpegel in den Pausen und zwischen den Stunden als äußerst belastend empfunden.

Ein in seinem Gedankengang ständig unterbrochener Pädagoge, der viel Zeit mit Disziplinierungen und Übertönen des Lärmpegels verbringt, wird sich in seinem Unterricht nicht entsprechend entfalten können. Lärm macht unsensibel und nimmt auch dem engagiertesten Pädagogen die Möglichkeit, sich individuell und freundlich dem einzelnen Schüler zuzuwenden.

Die lebenslange Lärmexposition geht häufig Hand in Hand mit psychischen Stressreaktionen und ­Belastungskompensationsformen, die eine Gefährdung der Gesundheit der Lehrer*innen darstellen. Zusammen mit anderen Belastungsfaktoren kann sie sich gravierend auf die Befindlichkeit der Kolleg*innen auswirken.

Wann wird Lärm zur Belastung?

Im Klassenzimmer müssen wir unterscheiden zwischen

  • erwünschtem, inhaltsvollem Sprechen auf der einen Seite und ­
  • störenden Geräuschen auf der anderen Seite wie (z. B. Außengeräusche wie Autoverkehr oder Lärm im Gang, Stuhlrücken, Husten und Räuspern, Geflüster, Arbeitsgeräusche, Geschrei etc.)

Wir ­sprechen bei letzterem von einem störenden Hintergrundgeräusch, wenn es sich um kontinuierlichen Lärm handelt, und von ­singulärer Lärmstörung, wenn es sich um kurze störende Geräusche handelt, wie eine Kreissäge oder einen Knall. Beides ist für den Unterricht „Schallmüll“, der das Verstehen des zielgerichteten Sprechens der ­anderen erschwert, wenn nicht sogar verhindert.

Geräusche sind in einem Klassenzimmer nicht zu verhindern, dies trifft besonders auf die Unterrichts­phasen mit Gruppen- und Projektarbeit zu. Aus der Perspektive der Raumakustik muss es daher primäre Aufgabe sein, alle Lärm verstärkenden Elemente zu verringern, um das Verstehen des gesprochenen ­Wortes in einem Klassenzimmer zu verbessern. Eine besondere Rolle spielt hierbei innerhalb eines Raumes der Nachhall bzw. die Nachhallzeit. In der Regel ist sie deutlich zu hoch. Hohe Nachhallzeiten beeinträchtigen insbesondere bei Hintergrundgeräuschen nachhaltig das Verstehen und die Konzentrationsfähigkeit von Schüler*innen und Lehrer*innen.

Daneben ist von Bedeutung, inwieweit der Raum vor Lärm von außen geschützt ist. Oftmals ist die Schalldämmung von Fenstern, Trennwänden zu anderen Unterrichtsräumen und Türen viel zu gering, so dass Geräusche von außen leicht in das Klassenzimmer eindringen und den Unterricht stören können.

Was kann man tun, um die Lärmbelastung zu verringern?

In mehreren Untersuchungen wurde nachgewiesen: Akustisch-ergonomische Klassenraumgestaltung ­verbessert das Wohlbefinden der Lehrer*innen und Schüler*innen und erhöht den Lernerfolg aller Kinder, denn sie ­verbessert Verstehen, Konzentration und Aufmerksamkeit. Lehrer*innen und Schüler*innen, deren Klassenräume unter ­akustisch-ergonomischen Aspekten renoviert wurden, berichten alle von einer erheblichen Verbesserung des Klassenklimas und des Lernerfolgs.

Als ersten Schritt empfiehlt das BLLV Ressort Gesundheit deshalb dringend eine Akustikanalyse der Klassenräume durch einen Experten. Das Ressort Gesundheit vermittelt gerne Akustikingenieure in Ihrer Nähe, die eine solche Messung durchführen können. Für eine erste Einschätzung eignet sich auch das BLLV-Akustik-Messgerät.

Übersteigen die Nachhallwerte nach DIN 18041 0,5 Sekunden, liegt dringender Handlungsbedarf vor. Zur Verdeutlichung: Um diese Werte zu erreichen, muss etwa genau so viel schallabsorbierendes Material eingebaut werden, wie der Raum Grundfläche besitzt. Herkömmliche Materialien wie Glas, Beton, Holz oder Linoleum erfüllen diese Anforderungen bei weitem nicht, da sie den Schall nicht schlucken. Auch das Aufhängen von Vorhängen löst das Problem nicht.

Stellt man bei der Messung eine zu hohe Nachhallzeit fest, empfiehlt sich in der Regel der Einbau einer sog. Akustikdecke, wie sie in Büroräumen und Banken Standard ist. Auf dem Markt existiert ein großes Angebot verschiedenster Materialien und Designs. Je nach Bausubstanz und der Größe/Höhe des Klassenraumes müssen individuell optimale Lösungen gesucht werden. Gerne geben unsere Experten Ihnen hierzu Empfehlungen. Eine solche Akustikdecke, möglichst in Kombination mit schallabsorbierenden Pinnwänden gegen störende Flatterechos, führt zu einer deutlichen Verringerung des Geräuschpegels in einem Klassenzimmer und erhöht damit die allgemeine Sprachverständlichkeit.