Kurt Schroeter

 

Kindheit, Schulzeit, Studium

Kurt Schroeter wurde am 5. März 1882 als Kurt Schlesinger in Berlin geboren. Seine Eltern, Valerie (geb. Solmsen) und Albert Bernhard Schlesinger, waren Besitzer einer Perlmuttfabrik in Berlin-Charlottenburg. So wuchs er mit seinem jüngeren Bruder Erich Schlesinger in einem vermögenden, gebildeten und assimilierten Elternhaus auf.

Mit elf Jahren bekam er Privatunterricht bei Johannes Schäffer und beendete nach sechs Jahren ein regelrechtes Studium der Musik, das eine gründliche geigerische Ausbildung im Sinne und Stil der Lehre der Berliner akademischen Hochschule für Musik unter dem Direktor Joseph Joachim beinhaltete. Nach Kurts Besuch eines Berliner Gymnasiums folgte im Jahr 1900 seine Immatrikulierung an der TU Berlin unter der Matrikelnr. 12036. Er studierte Maschinen-/Ingenieurwissenschaft mit der Fachrichtung Elektrotechnik und beendete sein Studium sieben Jahre später als Dipl. Ing. der Elektrotechnik.

Nach seinem Studium fand Kurt eine Anstellung beim Verband Deutscher Elektrotechniker. Erst als er mit einem befreundeten Pianisten ein Konzert ohne Noten nachspielte, entschied er sich für den Beruf des Musikers und ließ sich von Carl Flesch zum Konzertmeister ausbilden.

Heirat, Familie, Beruf

Am 4.4.1912 heiratete Kurt Ilse Marie Johanna Charlotte von Voigts-Rhetz im Standesamt Charlottenburg als „dissident“: Kurt entsagte seiner jüdischen Religion. Währenddessen überwarf sich Ilse mit ihrer Familie wegen ihrer Heirat „unter Stand“.

Am 6. November 1913 wurde Kurts erste Tochter Marianne, am 24. August 1920 Kurts zweite Tochter Sigrid geboren. Am 18.6.1920 wurde Kurt von Berta Schroeter adoptiert. Fortan trug er den Namen Schroeter.

Im Jahr 1919 begann Kurt eine Violinausbildung im Stern’schen Konservatorium der Musik in Berlin unter dem Direktor Siegfried Eberhart. Er erlernte dort eine spezielle Art der Violinpädagogik, die für Linderung von Haltungsschmerzen sorgt. Vom 1.9.1920-15.11.1922 folgte Kurts Lehrtätigkeit im Stern’schen Konservatorium Berlin, wo er in öffentlichen Vorträgen Gelegenheit fand, „am deutschen Aufbau tätig teilzunehmen“ und hervorragende pädagogische Fähigkeiten bewies.

Am 1.6.1923 zog Familie Schroeter von Berlin nach Gröbenzell (früher Olching) um und bezog ihre kürzlich gekaufte Villa. Um den Haushalt kümmerte sich Hauspersonal. Ab 1923 war Kurt Schroeter als selbstständiger Violinlehrer in Gröbenzell und Umgebung tätig. Zu seinem Arbeitsalltag gehörte außerdem Unterricht im Landschulheim Marquartstein (jeden achten Tag), in Augsburg (zweimal in der Woche) und in München (in einem gemieteten Zimmer in der Kaulbachstraße 8).

Schnell machte er sich als Violinpädagoge einen international angesehenen Ruf und pflegt den Kontakt zu namhaften Künstlern. 1924 erschien Kurt Schroeters Schrift „Flesch/Eberhardt. Naturwidrige oder natürliche Violintechnik“, in der er sich mit den Lehren seiner beiden Lehrer Flesch und Eberhardt aus-einandersetzte und sich deutlich auf die Seite Eberhardts schlug.

1926 beendete er seine Violinausbildung im Stern’schen Konservatorium der Musik in Berlin unter dem Direktor Siegfried Eberhart, in der er mit großem öffentlichem Erfolg als versierter Quartettführer konzertierte. 1931 druckte die Monatsschrift „Die Musik“ Kurt Schroeters Artikel „Die Kunst des Geigens als Urbild der Lebenskunst“.

Flucht und Verfolgung

Am 10. Februar 1936 wurde Kurt Schroeter aus der Reichsmusikkammer ausgeschlossen und erhielt und damit Unterrichtsverbot. Dies veränderte sein Leben schlagartig und nahm ihm und seiner Familie die Existenzgrundlage. Trotz des Ausschlusses aus der Reichmusikkammer publizierte im Juli 1936 die Zeitschrift „Der Nervenarzt“ Kurt Schroeters Artikel „Die Indisposition und ihre Behandlung“.

Zwischen Oktober 1936 und Herbst 1937 zog Kurt Schroeter nach Amsterdam um, da er in Amsterdam als Konzertmeister und Violinpädagoge wieder beruflich Fuß fassen konnte. Er musste sich zuerst bei Bekannten verstecken, später lebte er halb-legal an folgenden Adressen: Tesselschadestr. 6hs, Altstadt (ab 21.7.’38); Jan Luykenstr. 8bhs, Altstadt (ab 19.12.’38); van de Veldestr. 5hs (ab 21.11.’40); Harmonienhof 59 bhs (ab 20.1.’41).

Am 6.7.1941 wurde die von Ilse Schroeter beantragte Scheidung als rechtskräftig erklärt. Ilse versuchte so den familiären Besitz vor den Nationalsozialisten zu retten.

Im Januar 1942 zog Kurt Schroeter zog (höchst wahrscheinlich gezwungenermaßen) in die Nieuwe Amstellaan 36 I. Ab den 2.5.1942 musste er den sogenannten Judenstern tragen, was Einschränkungen (wie Trambahn- und Telefonverbot, Ausgangssperren um 8 Uhr, …) für ihn zur Folge hatte.

In der Zeit zwischen September 1942 und Januar 1943 schrieb Kurt Schroeter aus seinem Amsterdamer Exil ein seinen Kindern gewidmetes Tagebuch. Dieses Tagebuch zeigt die Hilfsbereitschaft und Toleranz seiner niederländischen Freunde, die ihm entgegengebracht wurde und durch die es ihm anders als anderen verfolgten Juden verhältnismäßig gut ging. Es zeigt aber auch die vermehrten Übergriffe der Nationalsozialisten, denen Juden hoffnungslos ausgesetzt waren, weshalb sich Kurt Schroeters Abneigung gegenüber dem deutschen Rassenwahn innerhalb dieser fünf Monate rasant steigerte.

Deportation und Ermordung

Am 16. August 1943 wurde Kurt Schroeter auf offener Straße bei einer Razzia festgenommen und in die Sammelstelle ‚Jüdisches Theater’ gebracht. Das Theater war als Sammelplatz für Juden, die auf ihre Deportation in Konzentrationslager warten mussten, bekannt. Kurt Schroeter hat dort bis zu einem Monat verbracht.

Am 9. September1943 wurde er in das Konzentrationslager Vught/Hertogenbosch eingeliefert und bekam die Häftlingsnummer 7174. Es war für etwa 12.000 jüdische Insassen ein Durchgangslager. Kurt Schroeter blieb mindestens einen Monat im KZ Vught/Hertogenbosch. Zwischen seinen Aufenthalten in den Konzentrationslagern Vught/Hertogenbosch und Auschwitz-Birkenau wurde er höchst wahrscheinlich in das Durchgangslager für jüdische Häftlinge Westerbork eingeliefert.

Am 15.11.1943 wurde Kurt Schroeter in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert. Ilse, die nur durch einen Freund der Familie verschlüsselte Informationen über den Verbleib ihres Mannes bekam, glaubte ihr Mann sei wegen unerlaubter ärztlicher Tätigkeiten verhaftet worden. Mit einem Brief vom 20.12.1943 an den Reichskommissar der besetzten Niederländischen Gebiete versuchte sie ihren geschiedenen Mann begnadigen zu lassen. Sie wusste nicht, dass ihr Mann bereits in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert worden war.

Ende 1943 wurde der 61-jährige Kurt Schroeter in das Quarantänelager B II verlegt, wo eine Untersuchung ‚Altersschwäche’ diagnostizierte. In der Nacht vom 2. auf den 3. Januar 1944 starb Kurt Schroeter. An diesem Tag wurden 141 Häftlinge des Männerlagers selektiert und am selben Abend durch Gas getötet. Einer von ihnen war Kurt Schroeter.

 

Verfasserin Veronika Ziller