Moses Wetzler (1848 bis 1921)

 

Kindheit und Familie

Moses Wetzler wurde am 1. Januar 1848 als Sohn des Handelsmannes Aron und der Dina Lea (geb. Schwabacher) in Welbhausen bei Uffenheim in der Nähe von Bad Neustadt an der Aisch geboren. Er hatte einen älteren Bruder, Jonas, der bereits am 13. April 1842 geboren worden ist und später israelitischer Religionslehrer in der Marktgemeinde Floß wurde. Jonas hatte mit seiner späteren Frau, Fanny (geb. Lauer), sechs Kinder und verstarb am 20. März 1918 in Floß. Moses besuchte die jüdische Volksschule zu Welbhausen und ging vermutlich mit seiner Familie in die dortige Synagoge.

Berufsausbildung

Moses Wetzlers Lebensabschnitt der Berufsausbildung zum Lehrer konnte leider nicht in jedem Punkt belegt werden. Deshalb wird folgend nur eine plausible These aufgestellt. Es ist belegt, dass sich die jüdische Lehrerausbildung in drei Phasen gliederte. Was jedoch nicht belegt, aber anzunehmen ist: dass Moses Wetzler diese dreigliedrige Ausbildung durchlaufen hat. In der ersten Phase muss demnach Moses eine Präparandenschule besucht haben. Diese galt als Einstiegsstufe der Lehrerausbildung und dauerte in der Regel drei Jahre. Leider ist nicht bekannt, welche Präparandenschule Moses Wetzler besucht hat. Der Zeitraum lässt sich aber auf die Jahre 1862 bis 1866 eingrenzen, da die Volksschule in der Regel mit einem Alter von 14 Jahren beendet wurde.

Moses Wetzler absolvierte die zweite Phase der Lehrerausbildung vermutlich am Königlichen Schullehrer-Seminar in Würzburg. Dieses Seminar diente der Ausbildung zum Volksschullehrer, jedoch nicht für israelitischen Religionsunterricht. In Moses´ Austrittszeugnis wird sein Betragen stets gelobt und als „sittlich-religiös“ beschrieben. Hier heißt es, er habe „1867/68 als Zögling des zweiten Curses das Schullehrer-Seminar zu Würzburg“ besucht. Das Zeugnis wurde von der Königlich Bayerischen Schullehrer-Inspektion unterschrieben. Was allerdings gegen diese Vermutung spricht ist, dass Moses in Anstellungsverträgen des Öfteren als „Israelitischer Religionslehrer“ und nicht als Volksschullehrer bezeichnet wird. Eine andere Möglichkeit wäre, dass Moses Wetzler die zweite Phase der Lehrerausbildung an der 1864 errichteten Israelitischen Lehrerbildungsanstalt in Würzburg (ILBA) absolvierte. Diverse Quellen besagen, er wäre im Jahre 1868 vom Rabbiner Dr. Seligmann Bär Bamberger geprüft worden und hätte dadurch sein Austrittszeugnis und somit die Befähigung in die Praxisphase erhalten. Dies würde erklären, warum Moses Wetzler in Anstellungsverträgen als „israelitischer Religionslehrer“ bezeichnet wird, da an der ILBA sowohl Elementar- als auch Religions-Gegenstände unterrichtet wurden. Dass das Austrittszeugnis von der Königlich Bayerischen Schullehrer-Inspektion unterschrieben wurde, lässt sich damit erklären, dass die Seminarabschlussprüfungen damals unter staatlicher Aufsicht standen und somit an königlichen Schullehrer-Seminaren stattfanden.

In der dritten, der Praxisphase, arbeitete Moses drei Jahre lang in der jüdischen Gemeinde zu Schwanfeld unter Aufsicht des Rabbiners Abraham Stein. Er half als Schuldienstexpektant bei der Unterrichtung der jüdischen Kinder als Religionslehrer aus und übernahm nebenbei diverse Aufgaben als Vorbeter. Am 20. Juli 1872 bestand Moses Wetzler die Anstellungsprüfung mit Erfolg und wurde von der Königlichen Regierung von Unterfranken für die Anstellung auf eine selbstständige Schulstelle für befähigt erklärt.

Religionslehrer, Vorbeter und Schächter

Nach seiner Ausbildung zum Religionslehrer in Würzburg und Schwanfeld, arbeitete Moses Wetzler in zwei jüdischen Gemeinden.

1873 bewarb sich Moses um die ausgeschriebene Religionslehrer-, Schächter- und Vorbeterstelle in der jüdischen Gemeinde zu Binswangen im schwäbischen Landkreis Dillingen und konnte schließlich im Jahre 1874 diese Stelle antreten. Vorwiegend unterrichtete er an der Religionsschule Religion, Lesen hebräischer Schriften und Übersetzungen, biblische Geschichte und Schreiben von Aufsätzen in hebräischer Sprache. Seine Tätigkeit als Vorbeter verrichtete Moses Wetzler sowohl an Werk-, Sonn-, Sabbat- und sonstigen Feiertagen. Die Funktion des Schächtens hatte Moses Wetzler nach Aufsicht des Rabbiners zu Binswangen zu erfüllen. Für diese drei Tätigkeiten erwarb Moses Wetzler jährlich 500 Gulden. Moses Wetzler verbrachte acht Jahre seines Lebens in der jüdischen Gemeinde zu Binswangen.

Moses wurde im Jahre 1882 von der israelitischen Kultusgemeinde Kronach als Religionslehrer, Schächter und Vorbeter angestellt. Für diese Tätigkeiten erhielt er ein jährliches Gehalt von 1100 Mark. Gleichzeitig war er an der Königlichen Realschule in Kronach angestellt und erteilte den jüdischen Schülerinnen und Schülern dort Religionsunterricht. Er lehrte unter anderem die zehn Gebote, das Übersetzen aus dem Hebräischen ins Deutsche und die biblische Geschichte. Diese Tätigkeit verschaffte dem Religionslehrer weitere 125 Mark jährlich. Als zwei seiner Söhne, Salomon und Siegfried, ebenfalls die Lehrerlaufbahn einschlugen, wurde er in den Lehrkörper der Präparandenschule für künftige Schullehrer von Kronach aufgenommen und unterrichtete seine Söhne selbst im Fach Religion. Moses hatte in Kronach nicht nur die Ämter des Religionslehrers, Schächters und Vorbeters inne, sondern verdiente sich durch weitere Tätigkeiten etwas Geld hinzu, um seine Familie versorgen zu können. Er nahm einige seiner Schüler der Königlichen Realschule von Kronach in seinem Schülerpensionat in seinem Haus auf. Er warb mit guter Verpflegung und Beaufsichtigung bei geringem Preis. Nebenbei war Moses Wetzler Versicherungsvertreter der Kölnischen Unfall-Versicherungs-Aktien-Gesellschaft in Köln am Rhein. Diese Tätigkeit verrichtete Moses von Kronach aus.

Durch die Tätigkeiten als Religionslehrer, Schächter und Vorbeter und durch seine Nebenverdienste konnte Moses Wetzler seine Frau und Kinder vermutlich, entsprechend der damaligen Verhältnisse, gut versorgen.

Ehemann und Familienvater

Moses war 51 Jahre lang mit seiner Ehefrau Jeanette Heidelberger verheiratet. Diese ist am 25. Dezember 1850 in der Gemeinde Altenkunstadt im oberfränkischen Landkreis Lichtenfels geboren. Die Hochzeit fand am 31. Dezember 1872 in Schweinfurt statt. Im Laufe ihres Lebens zog das Ehepaar zwölf Kinder groß. Das erste Kind der Eheleute war Berta, sie ist am 23. Oktober 1872 in Schwanfeld geboren. In den acht Jahren, die Moses und Jeanette Wetzler in Binswangen verbrachten, wurden weitere sechs Kinder geboren. Die erhielten die Namen Salomon, Ida, Arnold, Betti, Siegfried und Ernestine (Emma). In Kronach kamen weitere fünf Kinder zur Welt: Cäcilia, Kätchen, Max, Hannchen und Leo.

Ein Großteil der zwölf Kinder wanderte, noch bevor die Nationalsozialisten in Deutschland an die Macht kamen, in die Vereinigten Staaten aus, heirateten und gründeten Familien. So zum Beispiel die Kinder Max, Arnold, Leo, Hannchen, Ida und Betti. Kätchen wanderte in die Niederlande aus und heiratete dort. Leider konnten nicht alle Kinder von Moses und Jeanette vor dem Holocaust fliehen. Salomon und seine Familie sind im Sammel- und Durchgangslager Drancy in Frankreich gestorben und Siegfried und seine Frau wurden mit Deportationszügen nach Auschwitz-Birkenau gebracht. Ihr weiterer Schicksalsweg ist nicht bekannt.

Pensionär

Am 1. Mai 1921 wurde Moses Wetzler von der Kronacher Realschule mit Ehrung in den Ruhestand entlassen. Daraufhin zog er mit seiner Ehefrau Jeanette in die Schubertstraße 26 in Frankfurt am Main, zu seinem Sohn Max, der dort bereits mit seiner Frau und seinen Kindern wohnte.

Moses Wetzler verstarb nur zwei Jahre nach seiner Pensionierung am 23. Juni 1923 infolge eines natürlichen Todes aufgrund Arterienverkalkung im Alter von 75 Jahren in seiner Wohnung in Frankfurt. Er hinterließ zwölf Kinder, die mittlerweile schon ihre eigenen Familien gegründet hatten und seine Ehefrau Jeanette Wetzler. Diese starb nur zwei Jahre nach Moses´ Tod am 22. August 1926 in ihrer Wohnung in der Schubertstraße 26.

 

Quellen-, Literatur- und Abbildungsverzeichnis

  • StAAu, Bezirksamt, Akten 279 und Akten 282
  • StANü, Bezirksamt, Uffenheim, Ansässigmachungsakten Nr. 14852
  • „Aron Wetzler, Schutzjuden u. Lumpensammler, geb.? in Welbhausen, 1840″
  • StadtAF, Null-Karton, Kastennr. 1606 , Meldekarte von Moses und Jeanette Wetzler
  • StANü, Bezirksamt Uffenheim, Ansässigmachungs- und Verehelichungsakten Nr. 15072
  • StadtAKr, Sammelakte Familie Moses Wetzler, 333/273
  • StABa, K12, Nr. 468
  • StadtAF, Null-Karton, Kastennr. 1606
  • StadtAF, Sterbebuch, Eintragsnr. 735/1923.Standesamt Frankfurt a. M., Sterbebuch, Eintragsnr. 877/1926.

 

Die Verfasserin Franziska Haupt

Ich bin derzeit 18 Jahre alt und besuche die 12. Klasse des Eichendorff-Gymnasiums in Bamberg (2017). Dieses Gedächtnisblatt ist im Rahmen des W-Seminars „Jüdisches Leben in Bamberg und Umgebung im 20. Jahrhundert″ als Zusatz zu meiner Seminararbeit entstanden. Die Recherchearbeit an dieser Biographie war für mich eine großartige Erfahrung, für die ich sehr dankbar bin.