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Schulpsychologe Psyche

Ängste um das Hochwasser: Zuhören, besprechen, Sicherheit geben

Große Teile Bayerns sind von der Hochwasserkatastrophe schwer getroffen. Bei Kindern und Jugendlichen löst das oft große Ängste aus. BLLV-Präsidentin Fleischmann erläutert im Campusmagazin des BR, worauf es nun in den Schulen vor allem ankommt.

Die Situation in den Überflutungsgebieten und die Bilder davon sind schon für Erwachsene schwer auszuhalten, Kinder und Jugendliche, die das teils auch direkt miterleben, haben erst recht große Probleme, damit umzugehen. Das Campusmagazin des Bayerischen Rundfunks hat bei BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann nachgefragt, wie Schulen damit jetzt umgehen können.

Zuallererst gehe es darum, die Sorgen und Ängste von Schülerinnen und Schülern aufzunehmen, egal was eigentlich gerade auf dem Stundenplan stehen würde, betont Simone Fleischmann: „Es gibt Gebiete bei dieser aktuellen Katastrophe, die noch nie betroffen waren. Und Kinder, die das noch nie mitgekriegt haben. Wenn die Kinder in der Schule davon berichten, dass beim Opa jetzt der ganze Keller vollgelaufen ist, dass sie mitgekriegt haben, dass da jemand ertrunken ist, dass sie mitgekriegt haben, dass auch die Retter nicht mehr sicher sind – dann wirst du darüber reden müssen. Und das tun wir natürlich auch.“

Die Kleinsten brauchen die größte Unterstützung

Dabei geht es auch um ein altersgemäßes Format, sagt Simone Fleischmann: „Bei den Kleinen macht man dann beispielsweise einen Sitzkreis. Man setzt sich zusammen und sagt: ‘Was ist denn los, was hast du erlebt?‘ Es geht immer darum, die Ängste aufzunehmen, darüber zu reden und den Kindern, je kleiner sie sind, desto mehr Sicherheit zu geben.“

Dazu rät auch Jan Patrick Weingärtner vom Landesverband Bayerischer Schulpsychologinnen und Schulpsychologen: „Sensible Kinder und besonders die jüngeren Kinder sollten vor zu vielen Bildern aus den Katastrophengebieten geschützt werden. Vor allem aber sollen die Kinder mit den Bildern nicht alleine gelassen werden.“

Augenmaß beim Thematisieren

Genau für diese Begleitung mit Fingerspitzengefühl sind Lehrkräfte ausgebildet, sagt die BLLV-Präsidentin: „Als Lehrerinnen und Lehrer sind wir immer dafür da, Dinge, die in der Welt passieren, aufzunehmen und mit den Kindern zu diskutieren. Als Pädagoginnen und Pädagogen wissen wir, welche Art von Information die Kinder dafür brauchen, welche Fakten man nachliefern muss, welche Medien man nutzt. Ein Podcast, eine Nachricht bei BR 24, mal gemeinsam kurz eine Liveschalte schauen, einen Bericht lesen. Oder fragen: Wo gab es sowas schon mal in der Geschichte? Man kann es auch mit Erdkunde verbinden. Wir sind da die Profis und wissen ganz genau, was diese Kinder und Jugendlichen in so einer Situation von der Schule brauchen. Manchmal kommen die Kinder aber auch schon mit sehr guten Informationen und auch viel Sicherheit in die Schule und erzählen dann ihren Klassenkameradinnen und Klassenkameraden, was zuhause geredet wurde und wie es jetzt weitergeht. Dann müssen wir nur noch die Bühne für den Dialog bieten.“

Vor allem ist Simone Fleischmann froh, dass die Schulen jetzt allergrößtenteils wieder geöffnet sind. Denn auf Distanz ist die pädagogische Begleitung ungleich schwieriger: „Das große Problem ist natürlich, wenn wir die Kinder gar nicht live dahaben. Wenn jetzt solche Hochwassergebiete betroffen sind, dann sind die Kinder nicht in der Lage, beispielsweise an einer Videokonferenz teilzunehmen, sondern die Schule fällt komplett aus. Dann können wir die Kinder natürlich auch nicht auffangen.“

Rückkehr in die Schule als Rückkehr zur Sicherheit

Darum ist aus Sicht von Simone Fleischmann entscheidend, was an den Schulen passiert, wenn die Kinder und Jugendlichen zurückkehren: „Dann ist es umso wichtiger, im Nachgang alles zu reflektieren. Denn Kinder machen sich dann beim nächsten Mal, wenn es wieder stark regnet, Sorgen, was nun passiert. Man muss also auch nach einer Krise nochmal aufarbeiten und den Kindern Sicherheit für die Zukunft geben. Denn Kinder, die Ängste haben, lernen nicht gut. Kinder, die Ängste haben, können sich nicht gut entwickeln. Das Leben eines Kinders wird ja durch so eine Katastrophe von jetzt auf gleich anders. Wir mussten raus aus unserem Haus! Durch so etwas haben Kinder grundlegende Ängste. Sie denken, die Oma kommt nicht mehr zurück. Sie wissen nicht: Kann ich wieder in mein Kinderzimmer? Wo ist jetzt eigentlich mein Plüschtier? Alle stabilisierenden Faktoren, die Sicherheit geben, die Kinder brauchen, um ihr Leben zu bewältigen, eine gute Lernatmosphäre zu schaffen und um sich zu entwickeln, die wird ihnen dann von jetzt auf gleich weggenommen. Das ist für Kinder ein großes Drama: Wenn Sicherheiten wie mein Klassenzimmer, meine Lehrerin, meine Oma, mein Kinderzimmer, unser Wohnzimmer wegbrechen, dann zieht es Kindern – je kleiner sie sind, umso mehr – den Boden unter den Füßen weg. Genau diese Situation müssen wir sehr sensibel – gemeinsam mit den Eltern, aber auch mit Kriseninterventionsteams, und im Team der ganzen Schule – bewältigen und Unterstützung bieten. Das ist das Wichtigste, was wir tun, wenn die Kinder wieder in die Schule zurückkommen. Es gilt, alles aufzufahren, was wir als Pädagoginnen und Pädagogen können, um ihnen Sicherheit zu geben.“

» Zum BR-Campusmagazin: „Schulausfälle, Krisenteams, Flut: Wie gehen Schulen, Schulkinder und Lehrerkräfte mit dem Hochwasser um?“



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