Mit Bildungspolitik kannst du keine Wahlen gewinnen, sondern nur verlieren – im Jahr 2023 scheint dieser altbekannte Spruch nicht mehr zu gelten. Die Retter im Krisendschungel der Bildungspolitik sind überall. Lehrermangel, Integration, Folgen der Corona-Zeit – überall werden flott Akzente gesetzt, Kraftpakete platziert. Jetzt hör’ ich schon fragen: Ja, ist das nicht gut, dass die Herrschaften jetzt, wo ’s echt drauf ankommt, endlich mal die Bildung auf dem Schirm haben?
Naja, Skepsis ist angebracht. Hatte nicht der Ministerpräsident noch vor kurzem alles unheimlich lieb, was grün war, um die Welt vor der Klimakatastrophe zu bewahren? Man sah ihn vor dem geistigen Auge Bäume umarmen. Im Moment umarmt er – bildhaft gesprochen – bei jeder Gelegenheit Kinder. Was ja auch nicht falsch ist. Fragt sich nur: Wie ernst ist es ihm mit seiner Leidenschaft für die Bildungspolitik, so ganz aus dem bayerischen Wahlkampf heraus?
Freilich: Der neueste Kurs ist ressourcenmäßig unterfüttert. A 13 kommt. Tausende neue Lehrerstellen kommen. Was will man mehr? Ehrlich gesagt: Eine ganze Menge. Es reicht halt nicht, wenn aus der Ganztagsbildung mal eben Ganztagsbetreuung wird. So nach dem Motto: Hauptsache der Rechtsanspruch aller Eltern auf einen solchen Platz ist erfüllt. Es reicht nicht, Kolleginnen und Kollegen zu versprechen, dass sie wohnortnah eingesetzt werden, um die Attraktivität des Lehrerberufs zu steigern. Zumal das Versprechen in der Realität gar nicht flächendeckend umsetzbar ist. Es reicht auch nicht, Lehrerinnen und Lehrer aus anderen Bundesländern abzuwerben. Wie erfolgreich kann eine solche Aktion sein? Ganz zu schweigen von der Frage der Fairness.
Erst recht billig punkten kann man in diesem Wahlkampf, wenn man auf die steigende Teilzeitquote verweist. Sogar in unterhälftiger Teilzeit wird ja gearbeitet. In dieser außergewöhnlichen Krise wird aber wohl jeder ein bisschen mehr anpacken können! Solche Akzente setzt zum Beispiel die ständige wissenschaftliche Kommission der Kultusministerkonferenz. Das kommt in der Lehrerschaft gerade so rüber, als würden diejenigen, die Teilzeit wählen, einfach nur ihren Job nicht machen wollen. Als wären die vielleicht noch schuld an der Misere des Lehrermangels. Solche Akzente, sagen wir es vorsichtig, sind entbehrlich.
Das große Rad der Lehrerbildung soll in diesem Wahljahr also gedreht werden. Aber wer dreht denn eigentlich? Und mit welchem Ziel? Da will die Staatskanzlei eine Kommission zur Lehrerbildung ins Leben rufen. Dann soll es aber doch das Kultusministerium richten. Im Wissenschaftsministerium scheint man gar nicht wirklich zuständig zu sein. Und der Finanzminister verspricht A 13 einzuführen – sobald sich die Lehrerbildung geändert hat. Also frühestens im nächsten Jahr. Irgendwie ist das nicht das große Rad, das wir gedreht haben wollen, wenn der eine die Verantwortung auf den anderen schiebt, wenn der eine auf Konzepte des anderen wartet. Wenn es also doch bei einer Ankündigungspolitik bleibt.
Die richtigen Antworten liegen auf der Hand – und die Konzepte des BLLV auf dem Tisch. Tiefgründige, nachhaltige, professionelle Konzepte, wie sich jederzeit überprüfen lässt. Nicht nur bei der Lehrerbildung. Genau darin liegt die Chance in einer Zeit überwältigender Krisen und eines tobenden Landtagswahlkampfs. Jetzt ist die Zeit der umsichtigen, professionellen Beratung aller Beteiligten durch den BLLV. Wir haben die Experten. Wir haben die Konzepte. Uns stehen die Türen für alle Dialoge offen. Das ist jetzt der Wert unserer Politik.
Wir haben ein Konzept zum gebundenen Ganztag mit klaren Rahmenbedingungen. Wir wissen, wie kontraproduktiv dienstrechtliche Maßnahmen auf Lehrkräfte wirken, und legen stattdessen funktionierende Konzepte zur Steigerung der Attrak- tivität des Lehrerberufs auf. Wir setzen auf Multiprofessionelle Teams als Antwort auf die Heterogenität an den Schulen, setzen auf Menschen, die uns ergänzen – und nicht auf Menschen, die fehlende oder ausfallende Kolleginnen und Kollegen ersetzen.
Auch zur Inklusion – hallo, ist da wer? – halten wir seit langem ausgereifte Konzepte vor. Wir wissen, wie alle Kinder ihren Wert in unseren Schulen erfahren können. Auch wie es gelingen kann, dass sich Kinder und Jugendliche jeglicher Herkunft im schulischen Setting zuhause fühlen können. Beste Integration an den Schulen wäre für unsere gespaltene Gesellschaft wirklich ausgesprochen wichtig. Und wenn wir erkennen, dass die Kinder gelitten haben, dass psychosoziale Entwicklung und Kompetenzentwicklung durch die Schulschließungen während der Pandemie vernachlässigt wurden, dann wissen wir, was der Schlüssel zum Erfolg ist: Individuelle Förderung.
Seit Jahren schon sprechen wir von den Big Five: Rhythmisierter Ganztag, Inklusion, Integration, individuelle Förderung und professionelle Digitalisierung. Diese fünf zentralen Bausteine bedeuten die Rettung aus dieser Bildungskatastrophe. Wir müssen aber noch weiter professionell denken. Auch auf die flexible Lehrerbildung kommt es an, also auf die echte Steigerung der Attraktivität des Lehrer-Berufs.
Damit wir uns nicht missverstehen, nochmal: Wir haben nichts dagegen, wenn Politiker die Bildungspolitik in den Mittelpunkt des Wahlkampf stellen. Akzente setzen ist wunderbar. Worauf es wirklich ankommt ist: Konzepte erarbeiten und umsetzen. Wahr, echt und nachhaltig. //
Artikel aus der bayerischen schule #2/2023